"Die Grenzen des Sagbaren verschieben sich."

Zum 24. Mal trafen sich die von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu ihrer Jahrestagung. Tagungsort: das Landhotel Klostermühle in Münchweiler.

Zunächst begrüßte der Präsident der Landwirtschaftskammer, Ökonomierat Norbert Schindler, die Teilnehmenden und dankte den Sachverständigen für ihre wichtige und verantwortungsvolle Arbeit.

Der Hauptvortrag der Tagung befasste sich mit dem Thema „Professioneller Umgang mit Wut, Empörung und Verbalattacken.“ Da Sachverständige regelmäßig dann zum Zuge kommen, wenn es einen strittigen Sachverhalt aufzuklären gilt, ist vor Ort oder in den Gerichtsälen häufig der von den streitenden Parteien angeschlagene Ton bereits etwas rauer. Mitunter geraten die Sachverständigen dabei selbst ins Visier der Streitenden und werden verbal angegriffen.

Wie man damit umgeht, auch um vor Gericht nicht dem Vorwurf der „Befangenheit“ ausgesetzt zu sein, stellte Dr. Moritz Kirchner, Psychologe und Politikwissenschaftler aus Potsdam, sehr fundiert und praxisnah dar. Zunächst stellte er anhand verschiedener Beispiele und wissenschaftlicher Untersuchungen heraus, dass eine zunehmende Verrohung der Sprache in Politik und Medien dazu führe, dass es auch in der Gesellschaft immer häufiger als legitim angesehen werde, Verbalattacken zu fahren und andere zu beleidigen. „Verstärkt wird dieser Trend durch die distanzierte Kommunikation über Social-Media-Kanäle, wo es kaum mehr sprachliche Hemmungen gibt“, so Dr. Kirchner. Als Folge hielt er fest, dass sich die Grenzen des Sagbaren verschoben haben.

Aber was bedeutet das für einen Sachverständigen, der zur Besonnenheit und Sachlichkeit verpflichtet ist? Zurückschimpfen sei hier keine kluge Option, da dies sofort als Schwäche ausgelegt werde und vor Gericht den Vorwurf der Befangenheit begründen könne. Zunächst gelte es zu verstehen, was die Auslöser für Wut und in der Folge für verbale Angriffe sein könnten, betonte der Fachmann. Diese sind sehr vielschichtig und reichen von persönlicher Kränkung über Überforderung und der Freude an Provokationen bis hin zur reinen Machdemonstration. Wie man angemessen und sachlich reagieren, also die „Contenance“ bewahren kann, stellte Dr. Kirchner anhand geeigneter rhetorischer Werkzeuge und Strategien vor. Auch dürfe die eigene „Psychohygiene“ nicht zu kurz kommen. „Mit sich selbst im Reinen zu sein, hilft, mit Verbaltattacken umzugehen“ resümierte Dr. Kirchner abschließend.

Der zweite Fachvortrag beschäftigte sich mit der Digitalisierung in der Justiz. Hierzu referierte Dr. Benjamin Schmorleiz aus dem rheinland-pfälzischen Justizministerium. Der sogenannte „elektronische Rechtsverkehr“ (kurz: eRV) bezeichnet die verfahrensrechtlich zulässigen Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden einerseits sowie den Verfahrensbeteiligten andererseits. In Rheinland-Pfalz ist der eRV bei allen Gerichten und in allen Verfahrensarten eröffnet. Ab 2022 sind Rechtsanwälte und Behörden zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten verpflichtet. Für gerichtliche Sachverständige gibt es jedoch noch keine konkreten Pläne zur Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs. Dr. Schmorleiz stellte den Sachverständigen die für sie möglichen technischen Lösungen vor und berichtete über den aktuellen Stand der elektronischen Gerichtsakte (kurz: eAkte) in Rheinland-Pfalz.

Die Nachmittagsvorträge wurden getrennt nach den Themenbereichen landwirtschaftliche Immobilienbewertung, Nachweisführung von Pflanzenkrankheiten sowie Forsten (WaldR2000, Kosten für die Verkehrssicherung) angeboten. Die Teilnehmer sprachen anschließend von einer sehr gelungenen Veranstaltung und dankten den Referenten für die interessanten Vorträge. Auch während der Pausen und nach der Tagung wurden die aufgeworfenen Fragen intensiv mit den Referenten diskutiert.

Derzeit sind 77 Sachverständige unterschiedlicher Sachgebiete durch die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz in den Bereichen Landwirtschaft, Weinbau, Gartenbau, Forsten, Fischerei und Umweltschutz öffentlich bestellt und vereidigt. Sie verfassen in oftmals strittigen Situationen fachlich fundierte Gutachten und Stellungnahmen und leisten damit einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Neben der Durchführung der Überprüfungsverfahren obliegt der Landwirtschaftskammer auch die Betreuung der Sachverständigen. Dazu zählen unter anderem die Organisation von Arbeitskreisen zum Erfahrungsaustausch und die Durchführung von Tagungen und Seminaren. Bei Interesse an der Sachverständigentätigkeit besteht immer die Möglichkeit zur unverbindlichen Teilnahme. Gerne informieren wir Interessentinnen und Interessenten darüber in einem persönlichen Informationsgespräch.

Weitere Informationen zur öffentlichen Bestellung und zum Sachverständigenwesen sowie eine Liste aller öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen finden Sie im Internet unter folgender Adresse: www.lwk-rlp.de/de/beratung/sachverstaendigenwesen

Gerne können Sie sich auch telefonisch bei den Mitarbeitenden des Referates Sachverständigenwesen, Testbuchführung und Agrarstatistik (0671/793-1120) melden.

Jan Hendrik Müller

Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz

Referat 15, Sachverständigenwesen