Düngung und andere kritische Themen kompetent vermitteln

45 Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter trafen sich zur jährlichen Fachtagung in den Räumen des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau e.V. in Koblenz.

Die Maßnahme Lernort Bauernhof (LOB) wird im Rahmen des rheinland-pfälzischen Entwicklungsprogramms „Umweltmaßnahmen, Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung“ (EULLE) vom Land und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raumes (ELER) finanziert. Seit März 2018 bis Ende September 2025 ist die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz (LWK) mit der Umsetzung des LOB beauftragt. Das Angebot LOB umfasst u. a. die Durchführung der Lernangebote jenseits des Klassenzimmers auf dem außerschulischen „Lernort Bauernhof“ sowie Weiterbildungen für Lehrkräfte, Leiterinnen und Leiter landwirtschaftlicher Betriebe.

Ökonomierat Michael Horper, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz und Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau e.V., begrüßte als Hausherr alle Teilnehmenden. Er bedankte sich beim Landwirtschaftsministerium für den Auftrag zur Durchführung der Maßnahme und für die Aufstockung der Fördersumme für die Schulklassenbesuche durch den EULLE-Begleitausschuss. Er bedankte sich zudem bei den engagierten Landwirtinnen und Landwirten des Lernorts Bauernhof als „einen wichtigen Baustein“ im Bildungsangebot für nachhaltige Entwicklung in Rheinland-Pfalz.

Agnes Pohlmann (MWVLW) nannte den LOB einen „Glücksfall“. Der LOB sei „wunderbar geeignet, eine Diskussion über die landwirtschaftliche Produktion auf Augenhöhe zu führen. Schüler sollen kritische Anmerkungen machen können – Landwirte ihre Standpunkte, Rahmenbedingungen und Sichtweisen äußern können“. Gerade in der aktuellen Situation, wo die Diskussion und die Argumente für Verbraucher nicht immer verständlich und nachvollziehbar seien, böte der LOB die Möglichkeit, von einer emotional aufgeladenen Diskussion über einen konstruktiven Austausch von Argumenten zu einem gegenseitigen Verständnis zu gelangen.

Ute Schmazinski (MB) wies nachdrücklich darauf hin, dass sich „Wert“ und „Wertschätzung durch die Verbraucher“ in den letzten Jahren entkoppelt hätten, aber Schüler „durch das Erleben auf dem LOB erfahren, was es für die Daseinsvorsorge bedeute, Lebensmittel zu produzieren“. Der LOB habe – u. a. durch die Verbraucherrichtlinie – Eingang gefunden in die curricularen Rahmenbedingungen von Schulen. Auch angehenden Lehrkräften würden bereits Kompetenzen vermittelt, um den LOB als wertvollen, außerschulischen Lernort zu erleben.

Die „Düngung in der Landwirtschaft – gestern, heute und morgen“ war das Thema des einführenden Fachvortrags von Prof. Dr. Jan Petersen von der Technischen Hochschule Bingen. Er erläuterte die Notwendigkeit der gezielten Düngung von Kulturpflanzen, um Ertrag und Qualität erzielen zu können, wies aber auch auf mögliche negative Umwelteffekte wie Nitratausträge und Biodiversitätsverluste und damit einhergehende Konflikte hin, die es immer geben werde. Er spannte den Bogen bildlich gesprochen von vorgestern (bis 1950 „Düngung im Blindflug“) über gestern und heute bis morgen, wo es um ein punktgenaues, individuell optimiertes Nährstoffmanagement über die gesamte Fruchtfolge geht. Petersens zentrale Feststellung war, dass die Zielkonflikte prinzipiell nicht lösbar seien, es daher insbesondere darum gehe, die Größenordnungen der Düngung zu beeinflussen und Verbrauchern die dahinterliegenden Entscheidungen verständlich zu erläutern. Insbesondere da Düngesysteme aufgrund der verschiedenen landwirtschaftlichen und klimatischen Rahmenbedingungen sehr komplex seien und nur betriebsindividuell festgelegt werden könnten.

In der anschließenden Diskussionsrunde, moderiert von Annette Müller-Clemm, Referentin der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof (BAGLoB e.V.), ging es um die Fragestellung „Wie finden wir einen Weg?“. Sie diskutierte mit den Gästen über unterschiedliche Perspektiven zur Düngung. Die Perspektive der Landwirtschaft vertraten die LOB-Betriebsleiterinnen Antonia Aller und Sylvia Lauer. Aller stellte den großen Vorteil ihrer biologischen Wirtschaftsweise in der aktuellen Energiekrise heraus, sie sei nicht auf die derzeit sehr teuren mineralischen Düngemittel angewiesen. Lauer berichtet, dass sich junge Verbraucher mit guten Argumenten überzeugen ließen, dass sie als Landwirtin nicht mutwillig ihre Böden „verseuche“. Transparenz sei sehr wichtig und notwendig. So erläutere sie den Schülern die Notwendigkeit des sparsamen Einsatzes von Dünger als „Schatz“ des Bauernhofs: Das Düngerlager sei die „Schatzkammer“ des Hofes; die Flächen würden nur nach Bedarf gedüngt, da Düngemittel viel Geld kosten und es nichts bringe, über den Bedarf hinaus zu düngen. Rita Rausch von der Verbraucherzentrale RLP wies darauf hin, dass Verbraucher häufig stereotype Bilder haben, wie „Bio – die spritzen nicht“ oder „Konventionelle hätten nur den Ertrag im Auge“. Sie lege Wert darauf, den Verbrauchern die Notwendigkeit von Düngung näher zu bringen und dieses Thema insgesamt „breiter anzuschauen“. Dem Referenten für Landwirtschaft und Naturschutz des NABU Rheinland-Pfalz, Frederik Weires, war es wichtig, die Schnittpunkte von Landwirtschaft und Naturschutz zu klären und diese in einem konstruktiven Dialog zu besprechen und abzustimmen. Irina Carchay, Agrarkoordinatorin des Vereins Aprender e.V., erläuterte aus der Perspektive des Globalen Südens, dass z.B. in ihrem Heimatland Peru, das früher einmal ein Hauptlieferant des Düngers Guano gewesen sei, Lebensmittel, wie Kaffee, Bananen und Avocado nur durch Bewässerungssysteme angebaut werden könnten. Peru sei zu 100 Prozent abhängig von den Düngerlieferungen aus China und Russland. In diesem Zusammenhang wies Prof. Jan Petersen darauf hin, dass der Transport von Düngemitteln kosten- und emissionsmäßig keine bedeutende Rolle spielen würde.

Nach der Mittagspause wies die Geschäftsführerin des Landfrauenverbandes Rheinland-Nassau, Ines Unger, auf ihr neues Projekt „lecker, nachhaltig & von nebenan – mein Jahr im Garten und in der Landwirtschaft“ hin, für das sie auch gerne LOB-Betriebe als Exkursionsort für „jung und alt“ gewinnen möchte.

Am Nachmittag erarbeiteten die LOB-Landwirtinnen und -Landwirte in vier Workshops mögliche Unterrichtsideen und -bausteine zum Thema Düngung für die Zielgruppen Grundschule und weiterführenden Schulen. Moderiert wurden diese Gruppen von Waltraut Spang, Demeterhof Breit, Gundula Jahn, BAGLoB e.V., Herbert Netter vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau sowie Marion Schmitz vom Hof Ronig. In den Workshops kamen die Teilnehmenden zum Ergebnis, dass das Thema Düngung selten als eigenes Unterrichtsthema angefragt werde, aber in vielen LOB-Konzepten anschaulich und vielseitig eingebracht und diskutiert werden könne.

Über den aktuellen Stand der LOB-Maßnahme in Rheinland-Pfalz informierte die Projektkoordinatorin Maria Caesar: Im Jahr 2023 wurden 452 Unterrichtseinheiten auf den LOB-Betrieben mit 8.245 Schülern durchgeführt. Derzeit sei hier ein starker Aufwärtstrend zu verzeichnen, was einen Antrag zur Aufstockung der Fördersumme zur Folge hatte. Am häufigsten wurde das Angebot von Förderschulen und Grundschulklassen in Anspruch genommen.

2023 fanden eine Grundschulung mit 15 Teilnehmenden, ein Zertifikatslehrgang zur Bauernhofpädagogik mit 15 Absolventen sowie eine Fachtagung mit 54 teilnehmenden LOB-Landwirten und Winzern statt. Elf Lehrkräfte nahmen an einem Fortbildungsangebot teil.

Derzeit seien rund 65 Betriebe aus allen Teilen des Landes und aus den unterschiedlichen Produktionsrichtungen als „Lernort Bauernhof“ anerkannt. Es gebe sieben Interessenten, die in den nächsten Wochen das Anerkennungsverfahren als LOB-Betrieb durchlaufen. Die neue LOB-Medienpädagogin, Isabella Sibold, stellte abschließend die seit September 2023 angelaufene Social-Media-Präsenz des LOB vor, die auf den Kanälen Instagram, Facebook und Mastodon regelmäßig aktuelle Beiträge zum LOB poste.

Prof. Manuela Schlich von der Universität Koblenz stellte den LOB-Betriebsleitungen das aktuell laufende Modul zur Implementierung von LOB in die Ausbildung von Lehrkräften an der Universität Koblenz vor, das im Fachgebiet Ernährungs- und Verbraucherbildung (EVB) angeboten werde.

Andreas Köhr, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V., stellte das Projekt „Landwirtschaft macht Schule“ vor, das Landwirte dabei unterstützt, das Thema Landwirtschaft als Unterrichtsbaustein für Schulen anzubieten. Neben Schulungen stünden den Landwirten umfangreiche Materialien zur Verfügung.

Das Schlusswort sprach Agnes Pohlmann aus dem Landwirtschaftsministerium und bedankte sich zum einen bei allen engagierten Landwirten für ihre wertvollen Unterrichtsangebote auf dem LOB und zum anderen bei allen Beteiligten, die durch ihren engagierten Beitrag zum Gelingen dieser Fachtagung beigetragen hätten.

Ein wichtiges Ziel der jährlich stattfindenden Fachtagung ist der fachliche und persönliche Austausch der LOB-Betriebsleitungen und LOB-Verantwortlichen. Hierfür wurden die Workshops, aber auch die Pausen, intensiv genutzt.

Hintergrundinformationen

Mit „Lernort Bauernhof“ schafft das Land Rheinland-Pfalz ein außerschulisches Lernangebot auf Bauern- und Winzerhöfen für Schülerinnen und Schüler aller Klassen- und Schulstufen an allgemeinbildenden Schulen im ganzen Land. Die Maßnahme wird im Rahmen des rheinland-pfälzischen Entwicklungsprogramms „Umweltmaßnahmen, Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung“ (EULLE) vom Land, vertreten durch das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raumes (ELER) finanziert. Die Landwirtschaftskammer RLP wurde mit der Umsetzung beauftragt und organisiert die Schulungen für Betriebsleiter, bietet Fortbildungen für Lehrkräfte an und ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Informationen für Lehrkräfte, Betriebe und Interessierte finden sich im Internet unter www.lernort-bauernhof-rlp.de.

 

Text: Sonja Ziebarth und Maria Caesar (LWK)