Geteilter Meinung beim Pflanzrecht

Keine Annäherung der unterschiedlichen Positionen zu der für 2016 geplanten Abschaffung der Pflanzrechte durch die EU-Weinmarktreform brachte eine Unterredung von Vertretern der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz mit Michael Willkomm, Chef von Deutschlands größter Weinkellerei, der Peter Mertes KG in Bernkastel Kues. Ökonomierat Norbert Schindler MdB, Präsident der Landwirtschaftskammer, war an die Mosel gekommen, um einem maßgeblichen Befürworter der Abschaffung die damit verbundenen Befürchtungen vorzutragen.

Die Reform der EU sieht vor, die in allen weinbautreibenden Mitgliedsstaaten geltenden Pflanzrechte, die die Anpflanzung von Reben streng auf die dafür zugelassenen Flächen beschränkt, zu liberalisieren und neue Weinberge, die bislang nur auf Flächen mit gültigem Wiederanpflanzungsrecht angelegt werden durften, praktisch überall zuzulassen. Die frühere EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer-Boel, auf die die Reform zurück geht, wollte damit die europäische Weinwirtschaft befähigen, den Wettbewerb mit immer stärker in den Markt drängenden Überseeweinen zu bestehen.

Michael Willkomm sieht infolgedessen die neue Weinmarktordnung als Chance für die europäische und insbesondere die deutsche Weinwirtschaft, die Anforderungen des Marktes in Zukunft erfüllen zu können. Heute müsse zur Deckung der Nachfrage von knapp 2 Milliarden Liter Wein pro Jahr rd. 1,4 Milliarden Liter importiert werden. Die Menge könne bei Freigabe der Pflanzrechte auch in Deutschland erzeugt werden und dabei Wertschöpfung und Beschäftigung generieren. In neuen Rebanlagen könnten die auf dem Markt derzeit stark gefragten Rebsorten für aromaintensive Weine, wie Sauvignon blanc, Grüner Veltliner oder Chardonnay, angepflanzt werden, die aus deutschem Anbau gegenwärtig nur in kleinen Mengen zu erhalten seien. Deshalb könne der deutsche Wein seine Vielfalt und damit seinen Trumpf im internationalen Wettbewerb nicht gewinnbringend ausspielen. Die restriktiven Pflanzrechte seien faktisch der Ausschluss des Weinlands Deutschland aus der Konkurrenz in interessanten Marktbereichen, wo deutsche Weine besser sein könnten als die angebotene Importware. Pflanzrechte hinderten deutsche Winzer bislang daran, den für deutsche Weine günstigen Marktrend zu nutzen und zwinge den Konsumenten, häufig zu ausländischen Weinen zu greifen. Den notwendigen Schutz der Steillagen betrachtet Willkomm nicht als Argument für die Pflanzrechte, die nicht hätten verhindern können, dass in den vergangenen Jahren rd. 2.500 ha Steillagen aufgegeben wurden. Dauerhaft seien Steillagen nur mit öffentlichen Subventionen zu halten.

Dagegen würde die Abschaffung der Pflanzrechte nach Überzeugung von Kammerpräsident Schindler die Schleusen öffnen und die Industrialisierung der Produktes Wein einleiten. Die aktuelle Importquote resultiere aus dem internationalen Charakter des Genussmittels Wein. Weitere 50.000 Hektar Weinbergsfläche würden nichts daran ändern, dass die Deutschen gerne einen Chianti, einen Chablis oder einen Barossa Valley trinken. Die schon bestehende Überproduktion von Wein in den südeuropäischen Ländern würde ohne Pflanzrechte ungeahnte Dimensionen erreichen, wenn Anbaugebiete an der Rhône, in La Rioja oder der Toskana auf ein Mehrfaches ihrer Fläche ausgeweitet würden. Die Folge wäre eine Überschwemmung des europäischen Marktes mit Billigweinen aus Südeuropa, die zwar zum großen Teil die Überseekonkurrenz verdrängen könne, dabei aber auch zahlreiche Weinbaubetriebe in Deutschland, die in dem dann entstehenden Preiskampf nicht mehr mithalten könnten. Von den Folgen sähe der Kammerpräsident mit Ausnahme einer kleinen Zahl ausgesprochener Spitzenbetriebe alle Weingüter, Genossenschaften und Erzeugergemeinschaften betroffen, die dem Zwang zur Preisanpassung nur durch Qualitätsnivellierung und Qualitätssenkung Folge leisten könnten.

Kammerpräsident Schindler bescheinigte der Peter Mertes KG als der größen deutschen Weinkellerei eine wichtige Rolle für den Weinmarkt. Mit 100 Millionen Litern verarbeitet Mertes 10 bis 15 Prozent der deutschen Ernte und sei damit ein stabilisierendes Element, das die Versorgung des für den Weinabsatz wichtigen Lebensmitteleinzelhandels und hier vor allem des Discountsektors mit deutschem Wein gewährleiste. Schindler betonte die hohen Qualitätsstandards, die von der Kellerei streng eingehalten werden und die daran ablesbar seien, dass den Mertesweinen bei der Amtlichen Qualitätsweinprüfung ein solides Qualitätsniveau bescheinigt werde. Auch bei einem Unternehmen von internationalem Rang mit globalen Geschäftsbeziehungen sei bei allem kaufmännischen Geschick die Produktqualität das Fundament des Erfolgs: "Mit Qualität hat der deutsche Wein den Anschluss an die internationale Spitze geschafft."