"Agrarpolitische Ideologie brauchen wir nicht!"

Das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Positionen und Einschätzungen machten den zweiten Tag der diesjährigen Vollversammlung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz zu einer überaus lebendigen und abwechslungsreichen Veranstaltung.

Die Kammer hatte die Vorsitzenden der im Landtag vertretenen Parteien eingeladen, um die Auffassung der Fraktionen in zentralen Fragen der Landesagrarpolitik kennen zu lernen und zu diskutieren. In seinem Eingangsstatement stellte Kammerpräsident Ökonomierat Norbert Schindler MdB eine extreme Schieflage in der Agrarförderung des Landes mit einem erheblichen Ungleichgewicht zugunsten des ökologischen Sektors fest. Die bevorzugte Förderung des ökologischen Landbaus lenke 50 Prozent der Fördermittel zu 5 Prozent der Betriebe.

Entscheidendes Kriterium der Förderpolitik dürfe aber nicht die Unternehmensphilosophie sein, vielmehr gehe es um den Erhalt und die Stärkung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit. Präsident Schindler: "Agrarpolitische Ideologie brauchen wir in Rheinland-Pfalz  nicht." Nicht einverstanden sei die Landwirtschaft mit der im neuen Landesentwicklungsplan (LEP IV) vorgesehenen Übertragung der Planungshoheit für Energieanlagen auf die Gemeinden, weil damit dem lokalen Profitdenken Vorschub geleistet werde. Durch ein Mitspracherecht der Verbände könne dagegen ein übergreifender Konsens hergestellt werden.

Der für den erkrankten SPD-Fraktionsvorsitzenden Hendrik Hering kurzfristig eingesprungene Landtagsabgeordnete und agrarpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Thorsten Wehner verwies auf den starken Druck und die Vielzahl an Begehrlichkeiten, die auf dem europäischen Agrarhaushalt lasten. Die SPD befürworte hier sowohl eine starke erste wie auch eine starke zweite Säule. Die Direktzahlungen seien keine Almosen, sondern berechtigte Ausgleichsleistungen. Ebenso müsse aber auch der Nachholbedarf bei der Entwicklung der ländlichen Räume gefördert werden. Die verstärkte Bio-Förderung durch die Landesregierung sei nicht ideologisch begründet, sondern trage dem im Biobereich wachsenden Markt Rechnung und sei daher pragmatisch. Förderschwerpunkte seien daher wettbewerbsfähige Betriebe und regionale Vermarktungsstrukturen. Dabei wolle die SPD auch an den gegebenen Verwaltungs-, Beratungs- und Dienstleistungsstrukturen, verkörpert durch Landwirtschaftskammer und Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR), festhalten, auch wenn der Landesrechnungshof hier den Abbau von Kapazitäten fordere. Die Landwirtschaft, so Wehner, werde sich den Auswirkungen der Energiewende nicht entziehen können, entstehende Konkurrenzsituationen beim Flächenbedarf dürften jedoch nicht einseitig zulasten der Landwirtschaft gelöst werden. Andererseits dürfe sich auch die Landwirtschaft bei zentralen Zukunftsthemen, wie Klimawandel, Ressourcenschonung, Biodiversität, Natur-oder Tierschutz, nicht verweigern.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Daniel Köbler betonte die gerade im Agrarbereich besonders eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten der Landespolitik: "Immer mehr Entscheidungen fallen außerhalb des Landes. Deshalb müssen hier die Kräfte im Interesse des Landes gebündelt und gemeinsam für das Land eingesetzt werden." Die in den vergangenen Jahren vollzogene eindrucksvolle Erfolgsgeschichte des Weins aus den rheinland-pfälzischen Anbaugebieten könne Vorbild sein für die gesamte agrarische Produktion: Nachhaltige Produktion, regionale Produktorientierung und konsequentes Setzen auf Klasse statt Masse sein die Schlüssel für den Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit und die Gewinnung von Marktanteilen. Flächenverbrauch, so Köbler, könne im Zuge der Energiewende nicht völlig ausgeklammert werden, ertragreiche Ackerflächen dürften aber nicht dem energiepolitischen Kurswechsel, aber auch nicht überdimensionierten Siedlungsprojekten und Verkehrsflächen zum Opfer fallen. Die im LEP IV vorgesehene Übertragung von Entscheidungsrechten auf die Gemeinden sehen die Grünen als Schritt zu orts- und bürgernahen Beschlüssen, die auch der ansässigen Landwirtschaft nutzen werden. Bei den Konsequenzen aus der Umsetzung der Maßnahmen zur Einhaltung der Schuldenbremse könne die Landwirtschaft nicht ausgenommen werden. Der Grünen-Chef ließ zwar keinen Zweifel, dass er die Bevorzugung des ökologischen Landbaus in der Agrarförderung (PAULA) befürwortet; dennoch könne über eine veränderte Gewichtung immer offen verhandelt werden.

Sehr deutlich distanzierte sich die CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Julia Klöckner von dem Eindruck, es bestehe in weiten Bereichen der Agrarpolitik Übereinstimmung zwischen den Parteien: "Wir gehen hier nicht Seit an Seit!" Ihre Fraktion sei in zentralen Fragen anderer Auffassung, so beim Greening, bei der Ausweitung ökologischer Ausgleichsflächen und beim Vorrang für den ökologischen Landbau. Dabei gehe es nicht um parteipolitisches Kalkül, sondern um grundsätzliche Unterschiede. Was im öffentlichen Interesse sei, werde auch in Rheinland-Pfalz nicht von SPD und Grünen allein definiert. Die Produktion von Energie und Nahrungsmitteln sei hier durchaus vereinbar, wie etwa der Kreis Bitburg-Prüm mit hoher Dichte an Biogas-Anlagen und hoher Dichte an Veredlungsbetrieben beweise. Gerade in Zeiten von Schuldenbremse und Sparzwängen gelte es, im schmaler werdenden Ausgabenbereich durch Umschichtung im Agrarhaushalt die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Die von der Landesregierung vorgenommenen Kürzungen bei der Investitionsförderung sei aber der genau falsche Weg, weil damit die Handlungsfähigkeit der Betriebe in Zukunftsbereichen wie Produktivität, Energieeffizienz, Tierschutz oder Verbraucherortientierung beschnitten werde. Stattdessen 10 Millionen Euro jetzt in ein Nationalparkprojekt zu stecken, sei falsche Schwerpunktsetzung. Agrarpolitik, die in gute (ökologische) und schlechte (konventionelle) Landwirtschaft unterscheide, sei weder zeitgemäß noch realitätsgemäß, da die Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft bereits weit fortgeschritten sei, während andererseits die Belastung der Böden mit Kupfer im Ökoweinbau durchaus bedenklich sei. Die Landesregierung und voran die grüne Landwirtschaftsministerin stehe auf der Seite derer, die auf das anhaltende Bevölkerungswachstum mit der Senkung der Nahrungsmittelproduktion antworten. Frau Höfken sattele auf die Greeningvorschläge der EU-Kommission sogar noch drauf und wolle statt sieben sogar zehn Prozent der Flächen stilllegen.

Kammerpräsident Schindler fasste am Ende die zahlreichen kritischen Diskussionsbeiträge der Bauern und Winzer im Saal zusammen, indem er das Eigentumsrecht der Flächenbesitzer betonte, das nicht übermäßig eingeschränkte werden dürfe, z.B. durch eine generelles Verbot des Grünlandumbruchs. Energisch wandte er sich gegen eine Verschiebung von Fördermitteln aus der ersten in die zweite Säule und gegen eine bevorzugte und damit wettbewerbsverzerrende Förderung von 1.000 Ökobetrieben zum Nachteil von fast 20.000 konventionell wirtschaftenden. Ökonomie und Ökologie dürften in der Landwirtschaft nicht gegeneinander ausgespielt werden. Abschließend nahm der Kammerpräsident noch einmal Bezug auf die angespannte Finanzlage: "Wer eine starke Selbstverwaltung und eine professionelle Offizialberatung will, muss in den hier arbeitenden Einrichtungen der Landwirtschaftskammer und der DLRs die erforderliche personelle Ausstattung aufrecht erhalten."

Frieder Zimmermann, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz

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