Der Marktmacht ausgeliefert

Kammer veranstaltet Parlamentarischen Abend der Landwirtschaft 2015 im Mainzer Landtag.

Die Bauern und Winzer im Land spüren zunehmend die Marktmacht der dominierenden Konzerne im Lebensmitteleinzelhandel. Die Folgen der aktuellen, durch Russlandembargo oder Wirtschaftsflaute in China verursachten Störung der Balance von Angebot und Nachfrage bei Nahrungsmitteln belasten vor allem die Erzeugerbetriebe.  Bei dem von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz ausgerichteten Parlamentarischen Abend im Mainzer Landtag warf Kammerpräsident Ökonomierat Norbert Schindler MdB dem Handel vor, seiner Verantwortung innerhalb der marktwirtschaftlichen Ordnung derzeit nicht nachzukommen. Vor Abgeordneten und Regierungsmitgliedern sagte Schindler, der Nachfrageeinbruch bei Nahrungsmitteln im Export habe einen Wettbewerb der Preissenkungen in Discountern und Supermärkten ausgelöst, der auf dem Rücken der Erzeuger ausgetragen werde.

Zwar sei ein direktes staatliches Eingreifen in die Preisgestaltung des Handels aus guten, ordnungspolitischen Gründen ausgeschlossen, umso mehr seien aber die politischen Entscheidungsträger im Land jetzt aufgerufen, den Betrieben nicht weitere Belastungen aufzulegen. In dieser Phase sieht Schindler auch das Land Rheinland-Pfalz gefordert, die Prioritäten in der Agrarpolitik neu zu ordnen. Die Pflicht müsse Vorrang vor der Kür haben. Pflicht sei die Stabilisierung der Existenzgrundlagen der Betriebe und Ausbau ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch die Sicherung von Beratung und beruflicher Qualifizierung auf hohem Niveau. Deshalb sei es fahrlässig, das darauf ausgerichtete Dienstleistungsangebot der Landwirtschaftskammer und der DLRs herunter zu fahren. Diesen Pflichtaufgaben müsse das Land die ökologische Kür mit neuen Schutzgebieten, der bevorzugten Förderung von Ökobetrieben und neuen Flächen für künstliche Wildnis unterordnen. Damit verbunden sei die Notwendigkeit der Anerkennung  der konventionell arbeitenden Betriebe, die nicht nur die Versorgungssicherheit der breiten Masse der Bevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln sicher stellten, sondern die ihre Böden und ihre Tiere auch nach den Vorgaben der anerkannten guten landwirtschaftlichen Praxis behandeln.

In einer kurzen Gesprächsrunde mit den Vorsitzenden der drei Landtagsfraktionen mahnte Präsident Schindler die Abgeordneten, sich dafür einzusetzen, dass das Land seinen Verpflichtungen gegenüber der Kammer und den Dienstleistungszentren Ländlicher Raum nachkomme. Nur mit einer angemessenen Finanzausstattung seien die Funktions- und Leistungsfähigkeit einer effizienten und erfolgreichen Agrarverwaltung und eine von Erzeugern wie Verbrauchern geschätzten Beratungs- und Dienstleistungsinstitution aufrecht zu erhalten. Schindler rief die Politiker dazu auf, daran mitzuwirken, das Bild der Landwirtschaft in der öffentlichen Meinung weniger von Vorurteilen und Klischees als vielmehr von Realitäten und alltäglicher Praxis zeichnen zu lassen. Die Standards in Sachen Umweltschutz oder Tierhaltung, Pflanzenschutz oder Herkunftsnachweis, Qualitätssicherung, Kontrolle und Überwachung seien nirgendwo so hoch wie in Deutschland. Bauern und Winzer, so Schindler, seien die Landschaftspfleger der Nation, die Erzeuger gesunder und hochwertiger Nahrungsmittel und zunehmend auch Produzenten sauberer Energie. Das in den Medien wegen seines Unterhaltungswerts gern gepflegte schlechte Image hätten sie nicht verdient.

„Landwirtschaft und Weinbau gehen alle Bürgerinnen und Bürger an. Sie sind verbunden mit einigen der wichtigsten Herausforderungen im 21. Jahrhundert, wie der Bewältigung des Klimawandels, der Sicherung der Ernährung, der Mitgestaltung der Energiewende, der Bewahrung natürlicher Lebensgrundlagen und der Artenvielfalt sowie der Entwicklung der ländlichen Räume“, sagte Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken beim parlamentarischen Abend der Landwirtschaftskammer. „Die Landesregierung steht gerade jetzt fest an der Seite von Landwirtschaft und Weinbau“, bekräftigte Höfken angesichts der schwierigen Situation in der Landwirtschaft.

Neben den Witterungs- und Klimawandeleinflüssen habe die Landwirtschaft mit noch nicht dagewesenen Niedrigpreisen vor allem im Milch- und Fleischsektor und zunehmenden Preisschwankungen zu kämpfen, so die Ministerin. Ein Grund seien die klimatischen Bedingungen, wie der trockene Sommer. Ein anderer Grund die fortschreitenden Marktliberalisierungen der EU. Vor allem beim Milchmarkt bestätige sich auf dramatische Weise die jahrelangen Warnungen vor einer ersatzlosen Abschaffung der Milchquote. Selbst Bayerns CSU-Agrarminister Brunner wolle inzwischen den marktliberalen Kurs verlassen und fordere ein Eingreifen. „Wir setzen uns daher auf EU- und Bundesebene für wirksame Kriseninstrumente zum Beispiel bei der Milch ein“, sagte Höfken. Die Landesregierung unterstütze notleidende Landwirte: Die Finanzverwaltung ermögliche steuerliche Erleichterungen. Dazu komme die Liquiditätshilfe der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Das Ministerium arbeite zudem an einer Auszahlung der Prämien für die Agrarumweltprogramme und der Betriebsprämien in diesem Jahr. Außerdem wurde die Futternutzung auf über 13.000 Hektar Ackerbrachen und Feldrandstreifen freigegeben. Das am 15. September beschlossene Hilfspaket der EU biete keine ausreichende Hilfe. Ein Betrag von umgerechnet rund 16 Euro pro Kuh helfe Betrieben nicht aus ihrer finanziellen Notlage, wenn nicht mengenreduzierende Maßnahmen im Krisenfall ergriffen und die Übermengen an die Nachfrage angepasst würden, erklärte Höfken.

Nur mit starken ländlichen Regionen werde Rheinland-Pfalz weiterhin ein Land bleiben, in dem sich wirtschaftlicher Erfolg, Lebensqualität und gesellschaftliches Miteinander ergänzen, so die Landwirtschaftsministerin. Sie wies dabei auf das große Potential der Flüchtlinge für den ländlichen Raum hin. Angesichts des voranschreitenden demografischen Wandel und mit Blick auf fehlende Arbeitskräfte in der Landwirtschaft seien die Neuankömmlinge eine große Chance.

Die Landesregierung unterstütze die Landwirtschaft bei ihren vielfältigen Aufgaben und neuen Herausforderungen. Mit einer deutlichen Aufstockung der Direktzahlungen zahlt das Land Ende des Jahres 190 Millionen Euro an die Betriebe aus – mehr als je zuvor. Die Mittel der Agrar- und Umweltprogramm EULLa werden auf 37 Millionen gesteigert, die Mitte November ausgezahlt werden sollen, am schnellsten im Bundesgebiet, so Höfken. Es werden zusätzliche Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen der Landwirtschaft gefördert, zum Beispiel vielfältige Kulturen im Ackerbau, die umweltschonende und tiergerechte Bewirtschaftung von Grünland und die Anlage von Gewässerrandstreifen. Im Rahmen des Programms „Gewässerschonende Landwirtschaft“ arbeite die Landwirtschaft mit den Wasserversorgern zusammen, um den Nitratgehalt im Grundwasser zu senken. Und mit dem neuen Landesnaturschutzgesetz, das morgen im Landtag verabschiedet werden soll, können Naturschutz und Landwirtschaft künftig noch enger im Sinne des Naturschutzes kooperieren, so Höfken. Erstmals haben Landwirte beispielsweise einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich bei Maßnahmen zum Erhalt von artenreichen Wiesen.

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