Nicht selten kommt es wegen Starkregenniedergängen zu schädlichen Oberflächenwasserabflüssen von landwirtschaftlich genutzten Flurstücken und zu Abwehransprüchen betroffener Unterlieger. Die hierzu bisherige Rechtsprechung wurde im Wesentlichen durch ein im Jahr 1991 getroffenes Urteil des Bundesgerichtshofs geprägt (BGH Az. III ZR/90 vom 18.04.1991). Demnach sind Eigentümer eines Grundstücks grundsätzlich nicht verpflichtet zu verhindern, dass das auf ihrem Grundstück anfallende Niederschlagswasser auf ein tieferliegendes Grundstück abfließt.
Eine solche Pflicht besteht auch dann nicht, wenn bei der landwirtschaftlichen Nutzung eines Grundstücks von der Bewirtschaftung als Grünland zum Anbau von Mais umgestellt wird und sich dadurch der Wasserablauf verändert. Es handelt sich hier-bei nicht um eine unzulässige Veränderung, denn die bei landwirtschaftlichen Grund-stücken notwendige Art der Bodenbearbeitung sowie die mit einem Wechsel der Fruchtfolge zwangsläufig verbundenen Änderungen der Oberfläche gehören zur natürlichen Eigenart des Grundstücks.
Der Tenor des vorgenannten Urteils entspricht vom Grundsatz her auch § 58 Abs.1 Nr.2b des rheinland-pfälzischen Landeswassergesetzes (LWG), wonach von der all-gemeinen Pflicht zur Abwasserbeseitigung Niederschlagswasser ausgenommen ist, wenn es auf dem Grundstück, auf dem es anfällt, verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit oder in sonstiger Weise beseitigt werden kann.
Anders verhält sich dies hingegen bei künstlicher Veränderung der Erdoberfläche, bspw. durch Errichtung baulicher Anlagen, durch Abgrabungen oder Aufschüttungen. So müssen nach § 37 Abs.1 Nachbarrecht Rheinland-Pfalz Eigentümer und Nutzungsberechtigte eines Grundstücks ihre baulichen Anlagen so einrichten, dass Niederschlagswasser nicht auf das Nachbargrundstück tropft, auf dieses abgeleitet wird oder übertritt. (vgl. hierzu auch BGH Urteil Az. V ZR 168/14 vom 12.06.2015).
Diese klare Trennlinie ist durch die die neuere Rechtsprechung des BGH allerdings etwas „verwässert“ worden. In einem im April 2023 zu verhandelnden Fall war die Frage zu entscheiden, ob ein Landwirt verpflichtet ist, einem geschädigten privaten Grundstückseigentümer Schadensersatz zu leisten, weil mit Sedimenten angereichertes Ackerwasser auf dessen Grundstück gelangt war und dort beträchtliche Schäden angerichtet hat (BGH, Urteil vom 20.04.2023, Az. III ZR 92/22).
Der Landwirt hatte auf seinen landwirtschaftlichen Flächen statt Getreide nunmehr Kartoffeln angebaut und dazu Pflanzfurchen in Gefällerichtung zu einem Wirtschaftsweg angelegt. Nach einem ungewöhnlich starken Regenereignis hatte sich das von dort abfließende Oberflächenwasser in einer Mulde auf dem Nachbargrund-stück gesammelt, war von dort in den Keller eines Hauses eingedrungen mit der Folge eines rd. 50.000 EUR umfassenden Schadens.
Ohne in der Frage auf Schadensersatzanspruchs der Betroffenen eine abschließen-de Entscheidung zu treffen hat der BGH auf die Regelung des § 37 Abs. 1 Satz 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) verwiesen, nach welcher der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers nicht zum Nachteil eines tieferliegenden Grundstücks verstärkt oder auf andere Weise verändert werden darf, wenn Annahmen die Tatsache rechtfertigen, dass Unterlieger anderenfalls ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt werden.
Dies bedeute, dass auch die bestimmungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung eines Oberlieger-Grundstücks unter dem Gesichtspunkt des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme Einschränkungen unterliegt. Durch die veränderten Abflussverhältnisse dürfe keine „Belästigung“ für andere, betroffene Grundstückseigentümer entstehen, die von einigem Gewicht und spürbar ist, wodurch das Grundstück erheblich beeinträchtigt wird. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich im Einzelfall aktiv an der/einer Problemlösung zu beteiligen.
Das im zuvor geschilderten Fall vom BGH zur erneuten Berufungsentscheidung auf-geforderte OLG Düsseldorf hat in einer anderen Entscheidung vom 20.12.2017 (Az. I-18 U 195/11) umgekehrt klargestellt, dass sich auch die Gemeinde unter dem Gesichtspunkt des Hochwasserschutzes und der Verkehrssicherung bei der Planung und Erstellung der für ein Neubaugebiet notwendigen Entwässerungseinrichtungen „an den tatsächlichen Verhältnissen orientieren muss“.
Dafür wurde u.a. eine Vorsorgeverantwortung für wild abfließendes Wasser festgestellt, welches von einer landwirtschaftlich genutzten Fläche auf einen Wirtschafts-weg abgeflossen und von dort in die Straße eines hierdurch geschädigten Grundstückseigentümers und in dessen Haus gelaufen war. In solchen Fällen komme es nicht auf die rechtliche Einordnung des Wassers an (wildes Wasser gemäß § 37 WHG, Niederschlagswasser im Sinne des § 54 Abs.1 Satz 1 Nr.2 WHG).
Insofern empfiehlt sich für insbesondere für Landnutzer von Nutzflächen, unterhalb derer in Hanglage ein Baugebiet neu entwickelt werden soll, im einschlägigen Bebauungsplanverfahren auf diese mittlerweile auch verschärft im Baugesetzbuch (BauGB) verankerte Verpflichtung der planenden Gemeinde hinzuweisen. So wurde im Referentenentwurf des jüngst beschlossenen Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung die Neuregelung des § 1b Abs.5 Satz 2 BauGB aufgenommen.
Demnach soll auch im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung durch ausreichend versickerungsfähige Fläche, Verdunstungsmöglichkeiten und einen geringen Oberflächenabfluss die Annäherung an einen naturnahen Wasserhaushalt erreicht werden (wassersensible Stadtentwicklung). Es handelt sich hierbei um einen nunmehr ausdrücklich zu beachtenden Abwägungsgrundsatz, um infolge des Klimawandels vermehrt zu erwartende Naturgefahren, wie Starkregen oder Hochwasser, zu vermeiden oder zumindest zu verringern.
Tim Henninger, Referat Raumordnung, Regionalentwicklung und Naturschutz