Als Fachbehörde und Beratungsanbieter gehören bautechnische und baurechtliche Fragestellungen zur täglichen Arbeit vieler Kammermitarbeiter. Insbesondere die Referate Raumordnung, Bau-Technik-Energie und Erwerbskombinationen verfügen hier über ein sehr spezielles Wissen und können die Probleme, die bei der Planung und Umsetzung von Bauvorhaben in landwirtschaftlichen Betrieben auftreten, exakt benennen. Diese Kenntnisse machte sich nun auch die Landespolitik zu Nutze: am 26.06.2025 fand ein Anhörungsverfahren des Haushalts- und Finanzausschusses des rheinland-pfälzischen Landtages statt. Zum Gesetzentwurf zur Änderung baurechtlicher Vorschriften (Drucksache 18/12003) hat die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz eine Stellungnahme eingebracht, die zahlreiche praxisrelevante Anregungen enthält. Im Rahmen der Anhörung erläuterte Jan Hendrik Müller aus dem Referat Raumordnung, Regionalentwicklung und Naturschutz den Abgeordneten die Vorschläge der Kammer.
Direktvermarktung und Hofgastronomie gewinnen in der regionalen Nahversorgung zunehmend an Bedeutung. Dennoch stehen viele Betriebe vor baurechtlichen Hürden, wenn es um eine adäquate Bewerbung ihrer Angebote geht. Werbeanlagen außerhalb der Ortslage sind bislang nur sehr eingeschränkt zulässig. Die Kammer schlägt daher vor, die Vorschriften dahingehend zu lockern, dass auch Werbetafeln an Zufahrten zu Hofstellen zulässig werden. Dies sei nicht nur wirtschaftlich, sondern auch zur sicheren Verkehrslenkung sinnvoll.
Auch die Bedeutung von automatisierten Einkaufsmöglichkeiten nimmt zu. Dazu gehören Warenautomaten, Automatenkioske und sogenannte Smartstores. Hierzu führt die Landwirtschaftskammer auch gerade in Zusammenarbeit mit Praktikern ein Forschungsprojekt durch. Automatisierte Verkaufsformen können der mangelnden Verfügbarkeit von Personal und hohen Personalkosten entgegenwirken. Die Kammer fordert deshalb eine Erweiterung der Baugenehmigungsfreiheit (§ 62 LBauO) für solche Anlagen, auch dann, wenn keine offene Verkaufsstelle vorhanden ist.
Müller ging zudem auf Bodenverbesserung durch Aufschüttungen ein. Diese sind derzeit lediglich bis zu einer Größe von 300 m² und 2 m Höhe baugenehmigungsfrei. Die Kammer schlägt vor, die Genehmigungsfreiheit für Aufschüttungen zur landwirtschaftlichen Bodenverbesserung mit einer Mächtigkeit von max. 20 cm auf einer Fläche von bis zu 3.000 m² baugenehmigungsfrei zuzulassen – selbstverständlich nur unter der Voraussetzung der Verwendung geeigneten und unbelasteten Oberbodenmaterials.
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft bringt auch den Leerstand landwirtschaftlicher Gebäude mit sich. Teilweise sind Gebäude, zum Beispiel alte Stallungen, auch nicht mehr zeitgemäß landwirtschaftlich nutzbar. Hierfür sieht das Baugesetzbuch die Möglichkeit einer Nutzungsänderung vor. Dieser sind jedoch enge Grenzen gesetzt, so muss der Antrag innerhalb von spätestens 7 Jahren nach Aufgabe der ursprünglichen landwirtschaftlichen Nutzung erfolgen. Diese Frist haben Eigentümer von Hofstellen leider oftmals nicht im Blick und die Option der begünstigten Nutzungsänderung entfällt. Die Folge: Leerstand und Verfall. Die Landwirtschaftskammer empfiehlt, wie die meisten anderen Bundesländer, die Frist auf Grundlage von § 245b BauGB außer Kraft zu setzen. So könnten Leerstände reduziert und zum Beispiel zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden.
Abschließend betonte Müller, dass sich die von der Landwirtschaftskammer vorgeschlagenen Änderungen an der Praxis orientieren und einen kleinen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten können. Die mit dem Strukturwandel einhergehenden Entwicklungen in der Landwirtschaft erfordern auch Anpassungen und Erleichterungen im Baurecht, insbesondere hinsichtlich der Umsetzung von Möglichkeiten der Direktvermarktung und der Etablierung von Erwerbskombinationen.
Wie geht es nun weiter? Der Ausschuss des Landtages befasst sich in einer weiteren Sitzung mit den Expertenvorschlägen aus der Anhörung, bevor der Entwurf dann im Parlament beraten wird. Ob die Vorschläge der Kammer weiter verfolgt werden ist offen. Dennoch ist es wichtig, dass sich die berufsständige Vertretung in Gesetzgebungsverfahren einbringt und auf die Erfordernisse der Praxis hinweist.
Landwirtschaftskammer Rheinland- Pfalz