| 62. Vollversammlung

Den Krisen gemeinsam trotzen

Die Vollversammlung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz tagte, und angesichts der zahlreichen Krisen in der Grünen Branche gab es ausreichend Gesprächsbedarf. Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt war ebenfalls zu Gast – es war die letzte Vollversammlung vor der Landtagswahl im März 2026. Und erstmals tagte man im Kursaal des Kurhauses Bad Kreuznach.
Die Vollversammlung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz fand erstmals im Kursaal des Kurhauses Bad Kreuznach statt.

Kammerpräsident Ökonomierat Michael Horper blickte zunächst auf die Haushaltssituation der Kammer: „Die Situation ist nach wie vor angespannt, auch nach der Erhöhung des Kammerbeitrags im vergangenen Jahr. Doch auch die finanzielle Ausstattung durch das Land muss immer wieder angesprochen werden“, so Horper. „Unsere Pflichtaufgaben wie die Berufsbildung und Raumordnung brauchen auch über das Jahr 2026 hinaus ausreichende finanzielle Ausstattung.“ Die Landwirtschaftskammer verzeichnete in der Jahresrechnung 2024 noch ein Defizit von rund 2 Millionen Euro. Durch die beschlossene Beitragserhöhung im vergangenen Jahr und strukturelle Veränderungen sind für die kommenden Jahre jedoch ausgeglichene Haushalte in Sicht. „Da sehen wir Licht am Ende des Tunnels.“
Vizepräsident Reinhold Hörner, gleichzeitig Weinbaupräsident der Pfalz, nahm die aktuelle Lage im Weinbau in den Blick: „Der Weinbau geht nicht unter, wir werden auch diese Krise überstehen. Aber nicht alle Betriebe werden es schaffen! Wer bestehen will, muss wachsen und auch zu Kooperationen bereit sein.“ Den Klimawandel, verändertes Verbraucherverhalten und das zunehmende pauschale Verurteilen jeglichen Alkoholkonsums bezeichnete Hörner als wesentliche Verursacher der aktuellen Krise im Weinbau. Sinkende Fassweinpreise trotz kleinerer und qualitativ guter Ernte kann sich der Weinbaupräsident nicht erklären: „Das versteht kein Mensch. Die Lebensmittelpreise steigen, während die Fassweinpreise fallen.“ Es brauche moderne, innovative Produkte in der Weinbranche.

Gute Ernte, schlechte Preise
„Das Wetter war gar nicht so schlecht, wir haben eine gute Ernte eingebracht“, stellte Vizepräsident Ökonomierat Eberhard Hartelt fest. Doch Hartelt, gleichzeitig Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V, sieht ebenso große Gefahren für die Landwirte. „Die politischen Rahmenbedingungen sind ein Problem: Düngeregelungen, Ausweisung Roter Gebiete und immer schärfere Restriktionen. Es wird für die Betriebe immer schwieriger, die vom Markt geforderte Qualität zu erzeugen. Und der Markt beeinflusst den Erfolg: gute Ernte, katastrophale Preise“, beschrieb Hartelt den Gegensatz. Dazu komme die Bedrohung durch invasive Arten und den Klimawandel. Stichwort Schilf-Glasflügelzikade: Dieses Insekt überträgt Erreger, die nicht nur die Zuckerwirtschaft, sondern mittlerweile alle Kulturen betreffe. Landwirt Hartelt hält dies für „die größte Bedrohung der pflanzlichen Nahrungsmittelproduktion der vergangenen 100 Jahre hierzulande“. Unter großem Applaus der Delegierten forderte er deshalb, dass chemischer Pflanzenschutz weiterhin möglich sein müsse: „Wir müssen uns wehren können, um Totalausfälle zu vermeiden.“
Hartelt thematisierte auch das Projekt „Schulterschluss Artenvielfalt“, in welchem Landwirtschaftskammer, die Bauern- und Winzerverbände sowie Umwelt- und Naturschutzorganisationen gemeinsame Ziele definieren: „Maßnahmen zum Arten- und Naturschutz und eine wirtschaftlich rentable Landwirtschaft dürfen sich nicht ausschließen. Wir sind froh, dass wir außerhalb der Landwirtschaft Partner gefunden haben, die das so mittragen“, zeigte sich der Vizepräsident zufrieden. Diese und andere Themen werden in den Fachausschüssen der Landwirtschaftskammer intensiv beraten, um Lösungsansätze zu finden. Deshalb sei es ihm ein Anliegen, schloss sich Horper dem Vizepräsidenten an, den Ausschussvorsitzenden und den Mitgliedern ein herzliches Dankeschön auszusprechen. 

Vergabeverfahren nicht nachzuvollziehen

Bevor Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt das Wort ergriff, sprach Horper das Thema „bezuschusste Beratung“ an. Kurz erklärt: Das Land entscheidet in einem Auswahlverfahren, welche Unternehmen Beratungsleistungen anbieten dürfen, die bei Inanspruchnahme zuschussfähig sind. „Da sind Anbieter zum Zuge gekommen, die angeblich für alle 46 Beratungsleistungen die gleiche Qualifikation, die gleichen Kompetenzen und Erfahrungen wie die Landwirtschaftskammer zu bieten haben. Im Bereich Alternative Einkommensquellen und Weinbau erhielt ein Unternehmen ohne erkennbare Beratungserfahrung den Zuschlag“, berichtete Präsident Horper. Dieses nicht nachvollziehbare Vorgehen des Landes führe zu einer Einschränkung des Beratungsangebots und benachteilige damit die Betriebe direkt. 
Der Besuch der Ministerin stand im Zeichen des Rückblicks auf die vergangene Legislatur, die sie als „besonders“ bezeichnete. „Wir starteten 2021 mitten in der Corona-Pandemie, dann folgte die Flutkatastrophe im Juli. Dies beschäftigt uns bis heute, auch im Weinbau und in der Landwirtschaft. Der Überfall Russlands auf die Ukraine hatte gestiegene Energiepreise zur Folge, ein weiteres Problem, das bis heute besteht. Und zu allen Krisen kommt eine aufgeheizte Stimmung, denn die Gesellschaft hat sich verändert. Es scheint die Kraft zum Zuhören und zum Kompromiss zu fehlen“, sagte die Ministerin. Umso herzlicher dankte sie der Landwirtschaftskammer, dass man in schwierigen Zeiten stets ordentliche Lösungen und Kompromisse gefunden habe. „Die Landwirtschaftskammer ist für mich ein wichtiger Partner. Sie verbindet Praxis, Verwaltung und Politik in einer ganz einzigartigen Weise. Dabei ist sie in ihren Leistungen sehr breit aufgestellt.“
Die Politikerin stimmte ihren Vorrednern zu, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gleichberechtigt berücksichtigt werden müssen. „Wir müssen Erträge sichern und die Umwelt erhalten. Landwirte brennen für ihren Beruf, und deren Motivation darf nicht durch kleinteilige Vorgaben gebremst werden“, betonte Schmitt, der die Wirtschaftlichkeit in den Debatten manchmal zu kurz komme. Zur Situation im Weinbau verwies sie auf die bundesweiten Treffen der zuständigen Ressort-Minister und das verabschiedete Weinbau-Paket. Darin enthalten seien zahlreiche Maßnahmen zur Unterstützung der Betriebe. „Die Debatte über den Weinkonsum stimmt mich allerdings sehr nachdenklich“, sagte Daniela Schmitt und griff den Gedanken von Vizepräsident Hörner auf. „Wenn ich in einer großen Tageszeitung lesen muss, dass das Sterben von Weingütern für weniger Tote sorge, ist das Spaltung und Polarisierung.“

Kammerpräsident Horper und Landwirtschaftsministerin Schmitt wiesen beide auf die große Bedeutung der Berufsausbildung in den Grünen Berufen hin. Obwohl es derzeit Rückgänge zu verzeichnen gibt – vor allem bei der Winzerausbildung minus 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – sei man stolz auf den Nachwuchs und trage das Signal nach außen an die junge Generation, dass es nicht immer ein Studium sein muss.

Neben dem agrarpolitischen Austausch standen auch Formalien auf der Tagesordnung.
Änderung der Hauptsatzung: Das offizielle Organ für Veröffentlichungen der Landwirtschaftskammer ist die Internetseite. Mit dieser Änderung muss in den Bauernzeitungen nur noch auf die vorgenommene Änderung hingewiesen werden – auf eine vollständige Veröffentlichung kann künftig verzichtet werden.
Neufassung Prämierungssatzung: Um die Prämierung zeitgemäßer zu gestalten, werden künftig weitere Erzeugnisse für diesen Wettbewerb zugelassen, beispielsweise alkoholfreie Produkte oder Perlwein.
Änderung der Gebührensatzung: Das Angebot der geförderten Beratung wurde neu in die Gebührensatzung aufgenommen.
Kammerdirektor Dr. Markus Heil informierte über die anstehende Änderung des Landwirtschaftskammergesetzes. Das betrifft vor allem die Größe und Zusammensetzung der Vollversammlung, die künftig kleiner und mit einem höheren Frauenanteil besetzt sein soll. Das Prinzip der Friedenswahl bleibt erhalten.

Bevor die 62. Vollversammlung zu Ende ging, ehrte Kammerpräsident Horper Marcel Müller aus Körborn für sein ehrenamtliches Engagement mit der Silbernen Kammermedaille. Der 46-jährige ist Vorsitzender des Ausschusses Bildung und Familie sowie BWV-Kreisvorsitzender im Kreis Kusel.
Ebenfalls geehrt wurde Ralph Gockel: Er ist zwar seit zwei Jahren in Pension, begleitete jedoch weiterhin den Prozess zum „Schulterschluss Artenvielfalt“ und stellte als Interimsmanager der KULA-Stiftung die Weichen für deren Neuaufstellung.
 

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