In klassischen Fruchtfolgen ist die Aussaat von Sommergerste eine Maßnahme des Frühjahrs. Besonders für die Braugerste mit ihren hohen Qualitätsanforderungen gilt das bisher als gesetzt. Doch in einigen Regionen Deutschlands sowie in Nachbarländern wie Frankreich oder Großbritannien zeichnet sich ein Trend zur Herbstaussaat von Sommergerste ab – eine Strategie, die auf veränderte klimatische Bedingungen reagiert.
Was steckt dahinter?
Bei der Herbstaussaat wird Sommergerste bereits im späten Herbst (Oktober/November) ausgesät. Die Pflanzen keimen vor dem Winter, durchlaufen ihre Jugendentwicklung und überwintern im Bestand. Ziel ist es, die winterliche Feuchtigkeit besser auszunutzen und die Vegetationsperiode zu verlängern. Die Ernte kann so bis zu drei Wochen früher erfolgen – ein entscheidender Vorteil, gerade in Jahren mit früher Sommertrockenheit oder hoher Erntekonkurrenz im Juli.
Insbesondere in Südwestdeutschland, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wird die Anbaumethode der Herbstaussaat angewendet. Erste Versuchsergebnisse zeigen, dass unter günstigen Bedingungen höhere Erträge und gute Brauqualitäten erreichbar sind. Aber auch aus der Praxis gibt es Rückmeldungen, dass in Wärmeregionen, wie Rheinhessen oder der Pfalz, die Herbstaussaat besser funktioniert als die Frühjahrsaussaat. Entscheidend ist jedoch die Sortenwahl: Nur wenige Sommergerstensorten verfügen über die notwendige Winterhärte. Diese müssen gleichzeitig die Qualitätsansprüche der Mälzereien erfüllen – ein Spagat, der noch Entwicklungspotenzial bietet.
Chancen und Herausforderungen
Die Herbstaussaat bietet die Vorteile, dass die Pflanzen sich über den Winter gut entwickeln können, in der Regel genug Wasser zur Verfügung haben und durch ein besser ausgebildetes Wurzelwerk den Trockenstress durch fehlenden Regen im Frühjahr besser kompensieren können. Ein weiterer Vorteil ist die Entzerrung der Arbeitsspitzen in der Saison, wodurch die Betriebe entlastet werden.
Doch es gibt auch Risiken: Frostschäden bei strengem Winter ohne Schneedecke sind nicht auszuschließen, insbesondere bei nicht optimal angepassten Sorten. Auch Schneeschimmel und Fusarium können zum Problem werden. Auf Standorten mit Verdichtungen oder Staunässe sind die Auswinterungsgefahren besonders hoch. Und nicht zuletzt kann eine erhöhte Verunkrautung auftreten, wenn der Bestand im Winter nicht schnell genug schließt.
Als Fazit lässt sich festhalten: Die Herbstaussaat von Sommer- bzw. Braugerste ist eine gute Möglichkeit in Regionen mit Frühjahrstrockenheit, wie die Wärmelagen Rheinhessen oder der Pfalz. Durch die Herbstaussaat kann das Risiko von Ertragsausfällen reduziert und die Qualitätsparameter für eine Braugerste besser erreicht werden. Daher stellt die Herbstaussaat dort eine gute Alternative und Sicherheit für die Betriebe dar.
Allerdings sollte bedacht werden, dass sich nicht jede Sorte zur Herbstaussaat eignet. Zudem fällt der positive Effekt der Sommerung im Unkrautmanagement weg. Die Sommergerste als Sommerung entzerrt Fruchtfolgen und hilft beim Resistenzmanagement bei Gräsern und Unkräutern.
Das Wichtigste für landwirtschaftliche Betriebe ist die Risikominimierung, um Ertragssicherheit und Qualitätsstabilität zu gewährleisten. Dies beinhaltet den Anbau mehrerer verschiedener Sorten, jeweils standortangepasst. Weiterhin wird das Drei-Säulen-Modell empfohlen. Das Modell sieht eine Kombination aus Frühjahrsaussaat, Herbstaussaat und Winterbraugerste vor.
Isabelle Sando, LWK RLP