"Zuerst das Potenzial auf den Dachflächen nutzen"

Die Energiewende muss vorangetrieben werden – das erscheint nicht erst seit den jüngsten weltpolitischen Ereignissen gesamtgesellschaftlicher Konsens zu sein. Dabei gerät zunehmend auch die Landwirtschaft in den Fokus.

Doch nicht nur wie so oft im Sinne von CO²-Vermeidung: „Man will an die landwirtschaftlichen Flächen ran, um dort riesige Freiflächen-Photovoltaikanlagen zu errichten“, erklärt Elisabeth Wirtz eine der Facetten, wie Landwirtschaft derzeit unter Druck gerät. Elisabeth Wirtz gehört zum Team der Raumordnung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. „Neben der Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten gehört die Ausweisung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen zu den größten Risiken, wertvolles Land dauerhaft aus der landwirtschaftlichen Produktion zu nehmen“, erklärt die Beraterin.

Doch es gibt Alternativen. Ortsbesuch im Hunsrück: Joachim Berg führt mit seiner Familie den Kauerhof nahe Argenthal. Rund 200 Kühe und 200 Hektar Land gehören zum Betrieb. „Erst kürzlich wurden wir von einem Investor angeschrieben, der eine unserer Parzellen auf Jahrzehnte pachten wollte, um dort eine PV-Anlage zu installieren. Keine Ahnung, woher er die detaillierten Informationen zu unserem Besitz hatte, wir haben jedenfalls abgelehnt.“ Für Landwirt Berg ist es nicht sinnvoll, immer weitere Flächen dauerhaft aus der Nahrungsmittelproduktion zu nehmen. Stattdessen solle man erst einmal die anderen Ressourcen nutzen: „Dachflächen auf Privat- und Wirtschaftsgebäuden müssen mit PV-Anlagen versehen werden. Da schlummert noch ein riesiges Potenzial“, ist der 47-Jährige überzeugt. Die Investoren sähen nur das rasche Geld bei geringem Aufwand. Doch das sei eine Rechnung, die nicht aufgehe, meint Joachim Berg. Bereits 2009 hat die Familie Berg auf einer Lagerhalle eine große PV-Anlage installieren lassen, die seither knapp 30 Kilowattstunden Leistung bringt. Außerdem wurde in eine Biogasanlage mit rund 75 Kilowattstunden Leistung investiert, die ausschließlich mit Mist und Gülle betrieben wird.

Familie Berg möchte weiterhin keine Flächen für PV-Anlagen zur Verfügung stellen. Zumindest nicht für Investorenmodelle. „Warum kommen die Unternehmen denn zu uns und bauen nicht vor ihrer eigenen Haustür?“, fragt Joachim Berg rhetorisch. „Unser Feld wird über Jahrzehnte gepachtet, und anschließend können wir uns womöglich noch um die Entsorgung der Anlagen kümmern“, sagt der Landwirt und macht einen Vorschlag. „Wenn sich die Bürger vor Ort für eine solche große Anlage entscheiden, dann sollten sie auch was davon haben, etwa in Form von Betreibergesellschaften. Dann ist auch die Akzeptanz für einen solchen gravierenden Einschnitt in die Landschaft gegeben.“ Von sogenannten Agri-PV-Anlagen hält der Praktiker ebenfalls wenig. Solarmodule auf Ständern oder überdachte Flächen – das sei zu aufwendig und mit den praktischen Abläufen schwer zu vereinbaren.

Die Hallendächer mit geeigneter Ausrichtung mit PV-Anlagen belegen und die landwirtschaftlichen Flächen für das nutzen, was deren eigentliche Aufgabe ist: Nahrungsmittelproduktion. Wäre das also die einfache Lösung? Leider nein, denn da gibt es steuerliche und gesetzliche Fallstricke. Wer Erträge aus PV-Anlagen oder Biogasanlagen hat und Einspeisevergütungen bezieht, darf das nicht als landwirtschaftlicher Unternehmer tun. Das ist strikt zu trennen. Außerdem sinkt die Einspeisevergütung bei Biogas ab 75 Kilowattstunden drastisch. „Berufskollegen mit noch größerem Tierbestand könnten wesentlich mehr Biogas erzeugen, aber das lohnt sich mit dieser unsinnigen Grenze nicht mehr“, berichtet Joachim Berg.

„Wir werden als Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz sehr genau hinsehen, wenn landwirtschaftliche Flächen sich in PV-Freiflächen verwandeln sollen“, betont Elisabeth Wirtz. „Und das sollte auch die Bevölkerung in den ländlichen Regionen ebenfalls tun, denn es gibt ausreichend Alternativen.“