Fachausschuss für technische Fragen besichtigt Bestände

Der Fachausschuss für technische Fragen (TA) der Fördergemeinschaft Braugerste Rheinland-Pfalz e.V. besichtigte die Bestände der im „Berliner Programm“ stehenden Sommergerstensorten Accordine, Leandra und der zum Vergleich angebauten Sorte Avalon. Diese wurden großflächig unter Praxisbedingungen angebaut. Ziel war es, sich ein Bild über die aktuelle Situation der Bestände zu machen und die Ernteerwartungen und Marktsituation zu besprechen.

Zu dieser alljährlichen Rundfahrt kommen von den Ackerbauern, dem Handel, den Mälzereien und den Brauereien entsandte Experten zusammen. Die neuen, zukunftsträchtigen Sorten jeweils eines Zulassungsjahrgangs werden einem Praxistest unterzogen, um anschließend über deren Empfehlung für die Verarbeitung  in Mälzerei und Brauerei anhand möglichst realer Daten entscheiden zu können. Spannend ist immer der Vergleich der Entwicklung zwischen den frühen Gebieten und den etwas späteren Höhenlagen.
Treffpunkt für die Experten der Wertschöpfungsgemeinschaft war die Raiffeisen BAG in Blankenrath im Hunsrück. Der Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Braugerste, Karl Riedesser informierte zur aktuellen Lage. Auch in diesem Jahr sei das Wetter in den letzten Monaten nicht optimal für das Wachstum gewesen. Nach dem nassen Winter 2017/18 zeichne sich nun wieder eine Vegetationszeit mit unterdurchschnittlichen Niederschlägen ab. Insbesondere die Monate April und Mai seien zu trocken gewesen, um Spitzenbestände heranwachsen zu lassen. Vor allem bei den Sommerungen sei deshalb die Zahl der tragenden Halme geringer als üblich, weil Wasser während der Bestockung gefehlt habe. Die schauerartigen Niederschläge ab Ende Mai konnten verhindern, dass das  Getreide notreif wurde. Wiederholt habe die südwestliche Luftströmung feuchte Mittelmeerluft in das Gebiet gebracht. Eine Reihe von Gewitterniederschläge verteilt über das ganze Land sorgten für mittlerweile ausreichend Wasser.
Teilweise habe es auch Starkregenereignisse mit Hagel gegeben, die lokal Ackerfrüchte und Weinreben zerstörten. „Die erste Hitzewelle mit Temperaturen von knapp unter 30 Grad Celsius erreichte uns Mitte Mai. Glücklicherweise dauerte diese nur wenige Tage, so dass sich der Hitzestress für die Pflanzen in Grenzen hielt. Gerade in einem Jahr der Extreme ist eine solche Rundfahrt sehr wichtig, um sich ein aktuelles Bild zu verschaffen“, sagte Riedesser. „Dies ist wohl der beste Weg sich fundiertes Wissen zu erschließen, um realistisch einschätzen zu können, welche Mengen und Qualitäten die Ernte bringen kann. Entsprechend können wir uns dann auf die sich abzeichnende Situation einstellen.“

Weitere Witterung entscheidet
Zunächst fuhren die Mitglieder des Technischen Ausschusses zum Betrieb Ralf Reichertz in Grenderich. Es wurde ein Schlag mit gut sechs Hektar besichtigt. Vor der Saat wurde er gepflügt. Erst am 8. April konnte das Feld mit der Sorte Avalon bestellt werden. Die späte Frostperiode verhinderte eine frühere Saat. Zuvor hat Reichertz am 3. März noch 50 dt/ha Carbokalk, der 70 kg/ha  Phosphor brachte, gestreut. Einen Tag vor der Saat wurden knapp 80 kg/ha Stickstoff als Kalkammonsalpeter  und 54 kg Kali mineralisch gedüngt.  Zur Beseitigung von Gräsern und Kräutern, die um Licht und Nährstoffe konkurrieren, sei  am 16. Mai eine Herbizidbehandlung  durchgeführt  worden. Auch wurden gegen pilzliche Krankheiten Maßnahmen ergriffen.
Die Schläge haben von den jüngsten Niederschlägen profitiert. „Ich gehe davon aus, dass diese Sorte einen mindestens durchschnittlichen Ertrag bringt. Über die Qualität wie Vollgerste und Eiweißgehalt entscheidet die Witterung in den nächsten Wochen“, so der Ackerbauer.  Wenn eine große länger anhaltender Hitze über 25 Grad Celsius ausbleibe, sei er sehr  zuversichtlich, dass er sogar pro Hektar mehr als im Vorjahr einfahren könne.

„Zum Glück hat es geregnet“
Nun ging die Fahrt zu Jürgen Wilhelms in Liesenich, der die neue Sorte Leandra auf einem Schlag mit gut acht Hektar angebaut hat. Die natürliche Ertragskraft dieses Standorts  wurde mit 34 Bodenpunkten festgelegt. Nach Winterweizen wurde die Fläche begrünt und mit 10,5 Kubikmeter Gärrest gedüngt. Nach dem die Begrünung im Februar untergepflügt  wurde, erfolgte nach der Bodenbearbeitung die  Aussaat am 8. April mit 350 Körner pro Quadatmeter. Entsprechend der Ertragserwartung wurde vor der Saat noch mineralisch 60 kg Stickstoff, 15 kg Phosphor und 80 kg Kali gedüngt. Am 9. Mai erfolgte die Herbizidspritzung und am 29. Mai die Behandlung gegen pilzliche Krankheiten.
Der Bestand zeigte sich in guter Verfassung. Bis auf einige Mulden und am Vorgewende hatte sich die Sommergerste sehr gleichmäßig entwickelt. Die Kornfüllungsphase  war in vollem Gange. „Zum Glück hat es in den letzten Wochen wiederholt geregnet; nicht viel, aber immer wieder. Wenn es nun nicht mehr zu Temperaturen über 30 Grad Celsius kommt, kann noch eine mittlere bis gute Ernte heranreifen“, so die Einschätzung von Wilhelms.
Letzte Station auf dem Hunsrück war bei Josef Treins, der seinen Betrieb in Forst hat. Er hat die Sorte  Accordine auf einem Schlag mit 20 Hektar angebaut.  Als Vorfrucht habe auf diesem Feld Triticale gestanden und danach kam eine leguminosenfreie  Zwischenfrucht als  Begrünung, die mit 15 Kubikmeter/Hektar  Gärreste gedüngt wurde. Diese brachte 60 kg Stickstoff.  Am 8. April habe er noch Mehrnährstoffdünger ausgebracht, mit dem 70 kg/ha Stickstoff auf das Saatbeet gelangten. Es folgte die Mulchsaat einen Tag später mit 290 Körnern/m². Als nächste Maßnahme folgte eine Herbizidbehandlung am 18. Mai und abschließend eine Anwendung gegen pilzliche Krankheiten am 28. Mai.
Der Bestand machte einen guten Eindruck. „Leider hat die Bestandsdichte unter der knappen Wasserversorgung zur Bestockung etwas gelitten“, bedauert Treins. Jetzt noch Tage mit kühlen Nächten und nicht zu heißen Mittagstemperaturen bis zur Ernte würden dem Vollkornanteil und damit der Qualität gut tun. „Ich rechne mit einem Ertrag von bis zu 60 Dezitonnen pro Hektar“, so seine Prognose.

Alle Sorten gut entwickelt
Die Gruppe fuhr nun in den Süden des Landes. Der erste Halt war in der Nähe von Alzey. Landwirt Nattermann zeigte die Sorte Avalon. Diese Sommergerste stehe nach Zuckerrüben. Vor der Saat mit 270 Körnerpro Quadratmeter am 6. März habe er 70 Kilogramm Stickstoff gedüngt. Neben der Herbizidspritzung wurde der Bestand auch gegen pilzliche Krankheiten behandelt. Die Sorte Leandra steht in der Nähe von Herxheim. Auch auf diesem Schlag standen zuletzt Zuckerrüben. Die Saat erfolgte auf dem 50er Boden am 22. März. Düngung und Pflanzenschutz erfolgte vergleichbar wie bei den Kollegen.
Zuletzt wurde die Sorte Accordine auf einem Schlag in Monsheim besichtigt. Auch diese machte einen sehr guten Eindruck. Die Dichte des Bestandes war nicht üppig aber er machte einen gesunden Eindruck.  Zum Abschlussgespräch auf dem Hofgut Wiesenmühle hatte Dr. Gerhard Schilling eingeladen. Die Experten setzten sich zusammen, um die Eindrücke des Tages zu diskutieren und diese mit den Markt- und Preisinformationen zu reflektieren. Einig waren sich alle darüber, dass sich alle Sorten des TA-Anbaus gut entwickelt hätten, trotz des späten Frühjahrs und damit verbunden die späte Aussaat. Der Wachstumsrückstand von zunächst drei Wochen wurde mehr als aufgeholt. 
Sowohl in Rheinhessen als auch in den Höhenlagen Hunsrück, Eifel und Westerwald steht zumindest eine gute, teilweise sehr gute Braugerstenernte auf dem Halm. Das späte Frühjahr hat nicht geschadet. Im Gegenteil haben die weit überdurchschnittlichen Sonnenscheinstunden mit  entsprechenden Temperaturen dafür gesorgt, dass durch die schnelle Entwicklung die Ernte früher ansteht als im letzten Jahr. Sommergerstenschläge sind in Rheinhessen in ihrer Entwicklung zwei bis drei Wochen weiter, wie die in den Höhenlagen. Bei „normaler Witterung“ bis zur Ernte könne noch „einiges Zuwachsen“, was sich in Menge und Qualität zeigen dürfte, so die vielfache Meinung.

Freier Handel in der EU befürwortet
Die Teilnehmer äußerten sich zu Marksituation sinngemäß: die Erzeuger seien gut beraten, die derzeit überdurchschnittlich guten Preise über den Abschluss von Kontrakten zu sichern, die der Handel bietet. Die Vertreter der Mälzer und Brauer schätzten die Versorgung mit alter Ware bis zur Ernte als ausreichend ein. Allerdings nicht so üppig wir ein Jahr zuvor, da die letztjährige Ernte doch in Gesundheit und Qualität unter der des Jahres 2016 lag und deshalb gute Qualitäten knapp waren.
Aus den Marktberichten der Landwirtschaftskammer ist zu entnehmen, dass sich der  Preisabstand zwischen der Futter- und der Braugerste vergrößert hat. „Bis vor Kurzem betrug die „Risiko-Prämie“ fast 6 €/dt“, stellte Karl Riedesser fest. Dies habe wohl dazu geführt, dass der weitere Rückgang bei der Anbaufläche gestoppt wurde. Das Statistische Landesamt meldete nämlich einen Zuwachs bei der Fläche von 35.700 Hektar um 2.200 Hektar auf 37.500 Hektar.   
Im Zusammenhang mit „Regionaler Produktion“ wurde der Importbedarf an Braugerste aus anderen EU-Mitgliedsländern angesprochen. Die in Deutschland erzeugten Mengen können den Bedarf der Mälzer bei Weitem nicht abdecken. Der freie Handel innerhalb der EU wurde von allen befürwortet. Allerdings forderten die Vertreter der Ackerbauern, dass dabei dieselbe „Gefechtslage“ gelten müsse. Es könne nicht angehen, dass Länder, mit denen wir im Wettbewerb stünden, bestimmte Mittel einsetzen dürften und wir nicht. „Oft führen solche Gegebenheiten zu geringeren Kosten bei den Mitbewerbern“, so eine Stimme konkret.
 „Die Versorgung mit eigenem, in der Region angebautem Rohstoff wird sich dann verbessern, wenn der Preis stimmt. Die Rohstofferzeuger werden dann mehr Getreide zur Bierherstellung anbauen, wenn sich diese Kultur besser rechnet, als die, die um die Ackerfläche konkurrieren“, gab Riedesser zu verstehen.

Karl Riedesser Landwirtschaftskammer, Fördergemeinschaft Braugerste Rheinland-Pfalz e.V.