Entschädigungspraxis, Pachtrecht, Bodenrecht und mehr

Landwirtschaftskammer lud zur 20. Jahrestagung der Sachverständigen

Zum zwanzigsten Mal hatte die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz die von ihr öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen aus den Bereichen Landwirtschaft, Gartenbau, Weinbau, Forsten und Umweltschutz  zur traditionellen Jahrestagung in die Klostermühle nach  Münchweiler  eingeladen. Kammerpräsident Ökonomierat Norbert Schindler  MdB brachte in seinem  Grußwort seine Freude darüber zum Ausdruck, dass auch dieses Jahr der Zuspruch sehr gut sei, was den hohen Stellenwert der fachlichen Fort- und Weiterbildung dokumentiere.

Einen Teilnehmer begrüßte Präsident Schindler ganz besonders: Oswald Steiner aus Nackenheim. Dieser konnte im vergangenen Jahr seinen 90. Geburtstag feiern. Geboren in Südmähren, habe es Steiner nach dem Krieg und nach mehrjähriger Kriegsgefangenschaft in den 50er Jahren nach Rheinhessen verschlagen, wo er in Nackenheim sesshaft geworden sei. Nach solider weinbaulicher Ausbildung bis hin zum Winzermeister habe er zunächst die Weinbaudomäne in Nackenheim geleitet und später bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft  gearbeitet. 1965 sei er von der Landwirtschaftskammer erstmals als Sachverständiger öffentlich bestellt worden und habe diese Tätigkeit 37 Jahre lang  bis zum Jahr  2002 ausgeübt. Als einer der Gründer des Sachverständigen-Arbeitskreises Weinbau und als dessen langjähriger Vorsitzender habe er bis heute einen unschätzbaren Beitrag dazu geleistet, den Erfahrungsaustausch untereinander und die fachliche Fortbildung der Sachverständigen zu unterstützen und zu fördern. Dies verdiene großen Dank und  Anerkennung. Präsident Schindler wünschte Oswald Steiner für die Zukunft alles Gute und persönliches Wohlergehen. Abschließend äußerte der Präsident in seinem Grußwort  die Erwartung, dass angesichts der interessanten Tagesordnung und der kompetenten Referenten auch die diesjährige  Veranstaltung ein Gewinn für alle Teilnehmer werde.

Der Vorsitzenden  des Sachverständigenausschusses Horst Klöppel stellte den ersten Referenten vor, Dr. Heinz Peter Jennissen, ein sowohl von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als auch von der IHK Bonn/Rhein-Sieg für eine ganze Reihe landwirtschaftlicher Sachgebiete  öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Dr. Jennissen, ein auf Bundesebene anerkannter Fachmann, der nicht nur als Sachverständiger und als Fachbuchautor tätig ist sowie intensive Referententätigkeit wahrnimmt, sondern auch ehrenamtlich in verschiedenen landwirtschaftlichen Gremien aktiv ist, war von der Kammer eingeladen worden, um  über „Angemessene Zinssätze in der landwirtschaftlichen Schadens-, Entschädigungs- und Unternehmenswertermittlung“ zu referieren. Einführend gab der Referent einen Überblick über zu dieser Thematik ergangene höchstrichterliche Urteile, so ein BGH-Urteil aus dem Jahr 1971 zu „Folgeschäden“ und wie solche zu entschädigen sind. Desweiteren führte er ein zweites wichtiges BGH-Urteil an aus dem Jahr 1976 zu „Resthofschäden“. In beiden Urteilen wird vom „angemessenen Zinsertrag des Entschädigungskapitals“ gesprochen und zwar von einem abstrakten Zinsertrag, unabhängig davon, wie der Betroffene das Kapital tatsächlich nutzt. Durch Darstellung der Zinsentwicklung am Kapitalmarkt der letzten Jahrzehnte wurde von Dr. Jennissen aufgezeigt, in welch langer Tiefzinsphase wir uns schon seit Jahren  befinden. Bezug nehmend zur Entschädigungspraxis  legte er daran anschließend anhand verschiedener einfacher Beispielsrechnungen dar, dass sich bei Beibehaltung eines Kapitalisierungszinses von 4 Prozent  bei gleichzeitigem  Vorliegen eines tatsächlichen Zinses von 2 Prozent  der Kapitalstock über die Jahre deutlich verringert. Dies sei, so Dr. Jennissen, aus der Sicht eines ökonomisch ausgebildeten Fachmanns  keine sachgerechte Vorgehensweise und müsse unbedingt geändert werden.   Er räumte freilich ein, dass angesichts des Zinsniveaus der 1970er und 1980er Jahre der – z.B. in den Entschädigungsrichtlinien der  LandR 78 – zu findende Kapitalisierungszins von 4 Prozent damals sicherlich  sachgerecht gewesen sei, dass dieser aber heute ein nicht mehr der angemessene Zinssatz sei.  Zudem betonte er, dass er bei entsprechenden Entschädigungsberechnungen mit einem niedrigeren Zinssatz rechne, dies natürlich gut begründe und schloss mit der Hoffnung, dass es durch Intervention von Fachleuten und Verbänden vielleicht  doch noch gelingen werde, in der seit Jahren in der Überarbeitung befindlichen LandR 78, zu der derzeit ein neuer Entwurf vorliege, einen niedrigeren Zinssatz als die erwähnten 4 Prozent zu bekommen.

In der zahlenmäßig größten Arbeitsgruppe ging es anschließend im ersten Teil um das Pachtrecht. Unter dem Titel „Pachtrecht in Theorie und Praxis“ befasste sich  Marcus Hehn, langjähriger Justiziar beim Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau, detailliert mit Pachtrechtsfragen. Zunächst gab er einen kurzen Überblick über die Geschichte des Pachtrechts, bevor er auf dessen Rahmenbedingungen und gesetzliche Grundlagen einging. Er erläuterte ferner die Besonderheiten mündlicher und schriftlicher Pachtverträge sowie die Pflichten und Rechte, die sich jeweils für beide Vertragsparteien hieraus ergeben. Häufig strittige Punkte wie Pachtende nach erfolgter Kündigung und rechtlich beanstandungsfreie  Rückgabe der Pachtsache wurden genauso mit zahlreichen Beispielen aus der Praxis hinterlegt wie die Spezialthematik von Pflugtausch oder Unterverpachtung. Abschließend betonte er, dass eine Vielzahl pachtbezogener Einzelfragen individueller Beratung bedarf und dass es ratsam sei, solche speziellen Fragen vor Abschluss eines schriftlichen Pachtvertrages zu klären und die relevanten Punkte im Pachtvertrag festzuhalten.  Es gebe zwar noch sehr viele mündliche Pachtverträge, die also per Handschlag zustande gekommen seien, jedoch gingen diese zunehmend  zurück, und aus vielerlei Gründen sei es natürlich auch sinnvoll, Pachtverträge heutzutage in schriftlicher Form abzuschließen. Schließlich sei Rheinland-Pfalz das Bundesland mit dem bundesweit höchsten Pachtanteil – mehr als zwei Drittel der betrieblichen Flächen seien durchschnittlich gepachtet – und es sei wichtig, sich die betrieblich bewirtschafteten Flächen mittel- bis langfristig zu sichern. 

Danach ging es um das Thema „Bodenrecht“,  für das der Fachreferent der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion  in Trier, Rechtsanwalt  Klaus Benz hatte gewonnen werden können. Im Besonderen sollte sich der Referent mit dem Grundstückverkehrsgesetz, dem Reichssiedlungsgesetz sowie dem Landpachtverkehrsgesetz befassen, Gesetze, die, so mutmaßte der Referent, „vielen Landwirten bestenfalls dem Namen nach bekannt sein dürften, wenn überhaupt“. Einführend zeigte Klaus Benz anhand einer Grafik, wie stark die Bodenpreise in den letzten Jahren gestiegen sind und dass die Nachfrage nach Boden verstärkt auch durch Nichtlandwirte erfolge. Hier komme das GrstVG ins Spiel, ein Gesetz, das vorschreibt, dass Grundstücksverkäufe über einer bestimmten Größe der Genehmigung bedürfen und unter welchen Bedingungen Genehmigungen ggfs. auch versagt werden können. Hierbei erläuterte er aus rechtlicher Sicht und anhand von Beispielen, was die im GrstVG zu findenden wichtigen Formulierungen „ungesunde Verteilung des Grund und Bodens“, „Verbesserung der Agrarstruktur“ oder „leistungsfähiger Landwirt“ in der Verwaltungspraxis bedeuten.  Bei der Behandlung des Reichssiedlungsgesetzes – aus dem Jahr 1919 stammend, letztmals 2009 geändert – gab Klaus Benz insbesondere fachliche und rechtliche Hinweise bezüglich der Möglichkeiten der Ausübung des sog. „Vorkaufsrechts“. Darüber hinaus  verdeutlichte er anhand von Beispielen nichtzulässige, sogenannte  Umgehungsgeschäfte.  Beim Landpachtverkehrsgesetz wies er abschließend darauf hin, dass Pachtverträge ab einer bestimmten Größe angezeigt werden müssen und dass diese durch die zuständige Kreisverwaltung in bestimmten Fällen auch beanstandet werden können. Auch diese Tatsache, so der Referent abschließend, sei in der landwirtschaftlichen Praxis weitgehend unbekannt.

In der zweiten Arbeitsgruppe,  ging es um Schäden durch Abdrift oder Thermik an landwirtschaftlichen, garten- und weinbaulichen Kulturen. Den ersten Teil hierzu bestritt der im Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen tätige Pflanzenschutzfachmann Dr. Adrian Engel, den Dr. Hubert Renz, langjähriger Gartenbau-Sachverständiger in den Reihen der Rheinland-Pfälzer, herzlich begrüßte und um seinen Vortrag bat.  In seinen Darlegungen  erinnerte Dr. Engel  zunächst kurz an die gesetzlichen Grundlagen,  so an die  EU-Verordnung Nr. 1107/2009, an das Deutsche Pflanzenschutzgesetz sowie an weitere nationale Verordnungen wie Bienenschutzverordnung, Pflanzenschutzmittelverordnung u.a. Desweiteren gebe es dann – hierarchisch gesehen – darunter noch Regelungen der einzelnen Bundesländer zum Pflanzenschutz. Er stellte im Anschluss daran  kurz das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel vor, bevor er sich konkret der komplizierten  Abdriftthematik widmete. Im Verlaufe seiner Darlegungen wurde deutlich, wie schwierig, nicht selten sogar unmöglich im konkreten Einzelfall der Nachweis darüber zu führen ist, wer ursächlich verantwortlich ist für einen vermeintlichen oder tatsächlichen  Abdriftschaden. Mit der Nennung und Erläuterung einer Reihe einschlägiger Urteile beendete er seine Ausführungen.

Im zweiten Teil dieser Arbeitsgruppe berichtete mit Dr. Andreas Mager ein Praktiker aus Nordrhein-Westfalen, der nicht nur selbständiger Obstbauer ist, sondern auch seit vielen Jahren öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, von seinen Erfahrungen aus dieser Tätigkeit. Dabei stellte er die Standpunkte und Sichtweisen der Landwirte den Positionen  der Versicherungen einander gegenüber. Unterfüttert wurden seine Ausführungen mit einschlägigen Urteilen zu konkreten Fällen. Im Speziellen erläuterte er die Besonderheiten, die sich für einen nach biologisch anerkannter Wirtschaftsweise arbeitenden Betrieb ergeben, der einen konventionell wirtschaftenden Betrieb als Nachbarn hat. Im Einzelfall stellen sich hier im Schädigungsfall eine Vielzahl von Fragen, bei denen man als Sachverständiger versuchen müsse, diese in einem selbständigen Beweisverfahren, also möglichst zeitnah zum Schadensereignis, einer Klärung zuzuführen. Als Fazit war man sich in der Arbeitsgruppe einig, dass es bei dieser äußerst komplexen und schwierigen Thematik auch in Zukunft nicht leichter werden wird, die in einem Schädigungsfall auftretenden Fragen schnell und eindeutig zu klären, dass es aber wichtig und unerlässlich ist, immer gründlich und fachlich solide zu arbeiten, dies auch möglichst zeitnah zu tun, um seriöse Antworten, möglichst gut begründet, geben zu können und „Schnellschüsse“ tunlichst zu unterlassen.     

In der dritten Arbeitsgruppe trafen sich die Forstsachverständigen wie jedes Jahr im  Seminarraum. In diesem Jahr hatte die Landwirtschaftskammer mit Dr. Hans-Ulrich Dietz einen versierten Forstexperten gewinnen können, der beim „Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik“ im hessischen Groß-Umstadt beschäftigt ist. Dr. Wolfang Schuh als Referatsleister „Forsten“ bei der Kammer begrüßte den Referenten, dem aufgegeben war, über die „Kosten verschiedener Holzernteverfahren“ zu referieren. Dr. Dietz ging zunächst auf die „Holzernte auf steilen sowie befahrungsempfindlichen Böden“ ein und zeigte hierzu verschiedene Mechanisierungsverfahren einschließlich  der entsprechenden wichtigsten Leistungs- und Kennzahlen. In einem zweiten Komplex zeigte er „Ernteverfahren auf Nassstandorten“  mit der Darstellung der hier gegebenen  Möglichkeiten mit den  jeweiligen Kenndaten. In einem weiteren Teil beschäftigte er sich mit der „Holzernte am Hang“, wobei er hier in erster Linie die Arbeiten mit dem Baggerharvester (Yarder) erläuterte, auch hier mit Darlegung der einzelnen Leistungsdaten. Im letzten Komplex erläuterte er schließlich Trag- und Traktionsbänder, sog. Boogiebänder und deren Vor- und Nachteile.        

Dr. Udo Sauer, Referatsleiter Sachverständigenwesen, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz