Braugersten-Fahrten coronabedingt im kleineren Rahmen

Die Braugersten-Rundfahrt führte in das Gebiet um Montabaur und damit in den Westerwald. In Abstimmung mit dem dortigen Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR), unter Federführung des fachkundigen Pflanzenbau-Beraters Jürgen Mohr, konnten die Teilnehmer der Fahrt,

vorwiegend aus den Reihen der Mitglieder Fördergemeinschaft, zunächst die für dieses Jahr speziell in Montabaur angelegten Züchterflächen, nachfolgend eine Praxisfläche und zum Abschluss die in Nomborn vom Land RLP betreuten Landessortenversuchsflächen für Sommer- und Wintergerste in Augenschein nehmen. 

Die Gersten-,  speziell aber auch die Sommer-Braugerste-Bestände, präsentieren sich in diesem Jahr sehr durchwachsen, von zum Teil gut entwickelten bis oft zu sehr lückigen und eher dünnen Beständen sei in diesem Jahr alles dabei, betonte der stellvertretende Vorsitzende der Braugerstengemeinschaft Rheinland-Pfalz e.V., Dr. Georg Stettner, zum Abschluss der Rundfahrt. Überall war erkennbar, dass der zunächst eher nasse Herbst (mit weniger optimalen Bedingungen für die Aussaat der W.-Gerste), der zudem feuchte Februar (der eine S.- Gerstenaussaat vermehrt erst ab Mitte März möglich machte), aber insbesondere auch der anschließend folgende sehr trockene und dabei oft auch sehr kalte April, bis in den Mai hinein, der Entwicklung (und Bestockung) der Gerste nicht zuträglich waren.

Die weitere Entwicklung der Gesten-Bestände wirft noch Fragen auf. Bei noch weiteren, hoffentlich zu erwartenden Niederschlägen und nicht zu hohen Temperaturen könnte es sein, dass zumindest die Sommer-Braugerste in diesem Jahr wieder mit vergleichsweise hohen Vollkornanteilen (und mittleren Mengen-Erträgen je Hektar),  aber ggf. auch mit vergleichsweise hohen Eiweißgehalten aufwarten könnte.

Der Markt für Braugerste zeigt sich aktuell sehr angespannt. Durch die Corona-Pandemie ist der Bierabsatz, deutschlandweit, aber auch international, regelrecht zusammengebrochen. Auch die Prognosen über eine Wiederbelebung des Bierabsatzes sind aktuell eher verhalten.  Größere Feste dürfen/können, Corona-bedingt, bis Ende des Jahre 2020 nicht stattfinden. Mit dem fehlenden Bierabsatz geht einher, dass aktuell noch vergleichsweise viel alterntige Ware auf dem Markt vorhanden ist und damit der aktuelle Braugerstenpreis massiv unter Druck steht. Als Gewinner können sich aktuell nur die Erzeuger sehen, die bereits im vergangenen Jahr Vorkontrakte für ihre diesjährige Ernte abgeschlossen haben.

Auf den Züchterflächen wurden in diesem Jahr in Montabaur elf neue oder noch immer aktuelle Braugerstensorten (im Einzelnen die Sorten: KWS Jessie, Prospect, SY Solar, Accordine, Brunilda, St. Schiwago, St. Cher, Leandra, Avalon, Amidala, RGT Planet) von Vertretern der jeweiligen Züchterhäuser vorgestellt und begutachtet. Die Fläche wurde am 31.03.2020 mit 300 Körnern/m2 gesät und unterlag der gleichen Düngung und Pflanzenschutzbehandlung.  Alle Sorten präsentierten sich vergleichsweise gut entwickelt, wenngleich die Bestockung insgesamt eher weniger intensiv erfolgt war; zudem gab es sortenbedingt auch leichte Unterschiede in Form der Ausprägung der Kornanlagen und vor allem auch hinsichtlich der Wuchshöhe der jeweiligen Sorten. 

Als Praxisfläche präsentierten die Mitarbeiter des DLR eine Praxisfläche in Staudt, nördlich von Montabaur. Gezeigt wurde dort die Sorte KWS Liga, eine inzwischen ältere, nunmehr auch auslaufende Winterbraugersten-Sorte. Witterungsbedingt (und in Folge von Staunässe auf der Fläche) wurde die Sorte aber erst viel zu spät (erst am 15.10.2019) gesät, mit der Konsequenz, verstärkt durch das sehr trockene Frühjahr, dass sich der Bestand nun eindeutig zu dünn präsentierte. Im Durchschnitt wurde auf dieser Fläche zuvor, im Dreijahreszeitraum, ein Braugerstenertrag von 65 bis 70 dt/ha erwirtschaftet.

Die Landessortenversuchsflächen für die mit anderen Bundesländern abgestimmten Sommer- wie auch Winterbraugersten-Sorten in Nomborn zeigten sich dagegen wieder vielversprechend. Im Anbau dort stehen in diesem Jahr die Sommerbraugerste-Sorten: Quench, Avalon, RGT Planet, Accordine, Leandra, Prospect, Amidala und KWS Jessie sowie die Winterbraugersten-Sorten: KWS Liga, KWS Somerset, Lyberac, Zophia, KWS Faro, KWS Donau, Desiree und Leandra. Alle Sorten werden dort, vollrandomisiert, in zwei  Intensitätsstufen (behandelt/unbehandelt) geführt. Berichtet wurde, dass es in diesem Jahr dort und in sämtlichen Getreidebeständen, vorrangig Probleme eines erhöhten Befalls mit Getreidehähnchen gegeben habe. Demgegenüber gab es kaum Pilzdruck, was dem trockenen Frühjahr geschuldet ist. Erst zu Beginn des Monates Juni, als es zu Niederschlägen kam, trat leichter Rhynchosporiumbefall auf.

Am Folgetag (24.06.) trafen sich die Mitglieder des Technischen Ausschusses der Fördergemeinschaft zu ihrer alljährlichen TA-Rundfahrt. Gemeinsam mit Herrn Thomas Waken, Raiffeisen Bezugs- und Absatzgenossenschaft Kirchberg, begrüßte der Vorsitzende der Fördergemeinschaft Braugerste Rheinland-Pfalz e.V., Ökonomierat Heribert Metternich, die Teilnehmer der TA- Rundfahrt und führte in die Thematik des Tages ein. Ziel dieser Fahrt sei es, die aktuell in Berlin diskutierten neuen Sommerbraugersten-Sorten zu begutachten: in diesem Jahr die Sorten Amidala (Züchter Nordsaaten) und KWS Jessie (Züchter KWS Lochow) vergleichend mit der Sorte Avalon (Zuchthaus Breun; vertrieben von den Hauptsaaten).  

Die beiden neuen, vom Bundessorten-Amt (BSA) im Dezember 2019 zugelassen BG-Sorten, wurden im Februar 2020 vom TA der Fördergemeinschaft BG RLP, in Anlehnung an die Empfehlungen anderer BG-Gemeinschaften, für den „großtechnischen Versuchsanbau“ in Rheinland-Pfalz ausgewählt. Neben dem großflächigen Praxisanbau (jeweils ca. 20 ha, in zwei unterschiedlichen Naturräumen; in einer Höhenlage, z.B. im Hunsrück und in einer Wärmelage, z. B. in Rheinhessen, unter Praxisbedingungen) ist vorrangiges Ziel dieses Anbaus, vor allem nachfolgend die großtechnische Vermälzung und Verarbeitung zu Bier in größeren Einheiten zu testen.  

Zuerst wurden vom TA die von der Fördergemeinschaft Braugerste RLP e.V. geförderten Praxisbestände in der Region um Blankenrath (im Hunsrück) und später in Rheinhessen (um Alzey) besichtigt.

Die Fahrt begann mit der Besichtigung der Amidala-Praxisfläche, angebaut von Herrn Ralf Reicherts in Grenderich. Die Sorte Amidala zeichnete sich auf der Fläche durch ihre langen Ähren mit 20 bis 22 Körnern je Ähre aus. Durch fehlenden Regen war der Start der Braugerste etwas holprig. Erster Regen kam Anfang Mai, seitdem entwickelte sich die Sorte sehr gut.

Der Betrieb Jürgen Wilhelms, Liesenich, präsentierte nachfolgend die neue Sorte KWS Jessie. Jessie zeigte sich dort, trotz Trockenheit, gut entwickelt und stand im Feld wie ein „Teppich“, also sehr dicht, mit einer etwas kompakteren Ähre, und mit ca. 18 Körnern pro Ähre. Insgesamt schien der Krankheitsbefall bei Jessie etwas höher als bei der Sorte Amidala zu sein, vereinzelt traten Laternenblüten auf.

Bei Josef Treins, Forst, wächst in diesem Jahr die im Vergleich stehende Sorte Avalon heran. Sicherlich auch bedingt durch die bessere Bodengüte und der damit verbundenen besseren Wasserversorgung des Standortes, zeigte sich der Avalon-Bestand aktuell gut entwickelt und ausgeglichen. Treins berichtete, dass zu Beginn der Entwicklung ein hoher Unkrautdruck auf dieser Fläche herrschte. Die daher notwendige Pflanzenschutzbehandlung schwächte die Saat zunächst merklich; zeitgleich war zunächst  auch ein leichter Mehltaubefall erkenntlich. In Folge der Trockenheit im Mai wanderte der Mehltau aber nicht  in die oberen Blattebenen.

Im Süden des Landes wurde anschließend im Betrieb von Andreas Kissinger, Mauchenheim, die insgesamt sich sehr gut präsentierende Sorte Amidala begutachtet. Der Bestand ließ zum aktuellen Zeitpunkt ein sehr hohes Ertragspotenzial erwarten, sollten nachfolgend nicht Wassermangel oder zu hohe Temperaturen diesem noch entgegen stehen.

Dr. Gerhard Schilling, Monsheim, gab ergänzend einen kurzen Einblick zur aktuellen Gersten-Situation in der Region. In Rheinhessen seien aktuell insgesamt eher dünne Bestände zu verzeichnen; die Ernte von Wintergerste stehe unmittelbar bevor. Die Gersten-Bestände haben zum Teil starke Schäden durch die Nacht-Frostperiode Anfang Mai 2020 davongetragen. Insgesamt rechnet er in diesem Jahr mit Ertragsverlusten in Höhe von 15 bis 30 Prozent in der Region, verglichen zum mehrjährigen Durchschnitt.

Im Betrieb von Jürgen Schröder, Ober-Flörsheim, wurde in diesem Jahr die Sorte KWS Jessie angebaut. Der Bestand wirkte etwas dünn stehend, aber gesund. Die insgesamt aber auch sehr ordentlich entwickelten Ährenanlagen lassen hoffen, dass es, bei abschließend zuträglichen Wetterumständen, dennoch zu überdurchschnittlichen Erträgen hinsichtlich Menge und Qualität kommen kann.

Die letzte Station der TA-Rundfahrt führte zur Avalon-Vergleichsfläche im Betrieb von Jens Göhring, Flörsheim-Dalsheim. Auch hier wirkte der Bestand sehr dünn stehend, allerdings waren die Einzelpflanzen intakt und gesund, auch die Ährenanlagen konnten vollauf überzeugen.

Corona-bedingt fand die Abschlussbesprechung für die TA-Fahrt in diesem Jahr auf dem Feld statt. Festgehalten wurde, dass der Faktor Wasser und ergänzend auch die Situation um die Spätfröste im Mai in diesem Jahr wieder einmal entscheidend für die Entwicklung der Braugersten-Bestände gewesen seien. Zudem zeigt sich, dass auch die Höhenlagen des Hunsrücks in den vergangenen Jahren merklich wärmer geworden sind. Die typischen Wetterlagen im Hunsrück, mit höheren Regenanteilen, gibt es in dem Maße nicht mehr. Bei der Braugerste muss vor allem eine gute Sortierung, mit hohen Vollkornanteilen, zunehmend in den Fokus aller züchterischen Bemühungen rücken.

gez. Isabelle Sando

gez. Reimund Möcklinghoff

Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz