Neues Holzbausystem für landwirtschaftliche Nutzgebäude

In diesem Artikel stellt Lutz Heuer das neue Modulbausystem Grub-Weihenstephan vor. Als Informationsquelle diente die Broschüre "Landwirtschaft Bauen in regionalen Kreisläufen", die von der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LFL) und der ALB-Bayern herausgegeben wird.

Die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft in Zusammenarbeit mit der ALB-Bayern hat ein Holzbausystem entwickelt, um landwirtschaftlichen Betrieben, insbesondere aus der Tierhaltung, Wege zu einem kostengünstigen, zukunftsfähigen Stallbaukonzept aufzuzeigen. Ein Hauptaugenmerk lag auf der Verwendung von Holz als Baustoff für die Errichtung der Tragkonstruktion. 

Konzept Modulbausystem Grub-Weihenstephan

Das Modulbausystem basiert auf vier Grundmodulen mit einer Pultdachkonstruktion deren Dachneigung zwischen 7° und 9° liegt. 

Die Module 2-Reiher mit einem Stützenabstand von 8,60 m und das Modul 3-Reiher mit einem Stützenabstand von 8,40 m richten sich nach dem Platzbedarf für Liegehallen mit Laufgang und gegenüberliegenden Liegeboxenaufreihungen. Die statische Stützenhöhe ist bei diesen Modulen variabel bis zu einer maximalen Höhe von 4.70 m wählbar. 

Das Modul FT-Pult mit einer Stützenweite von 5,20 m ist für eine Futtertischüberdachung vorgesehen, bei dem das Pultdach auch alternativ mit einem Satteldach ausgeführt werden kann. Für die Futtertischkonstruktion werden Module mit einer statischen Höhe bis zu 4,41 m angeboten.

Aus der Kombination der einzelnen Modulsysteme können die unterschiedlichsten landwirtschaftlichen Nutzgebäude geplant werden, z.B. Ställe für die Haltung von Rindern, Schweinen und sonstigen Tierarten aber auch Melkhäuser, Technikgebäude, Maschinen- und Gerätehallen.

Anhand von zwei Beispielen werden die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten aufgezeigt. 

In einer Kostenvergleichsstudie von 2006 wurde von Herrn Simon (LFL) der Investitionsbedarf unterschiedlicher Bauweisen für einen dreireihigen Milchviehlaufstall unter Berücksichtigung identischer statischer Rahmenbedingungen (Untergrund, Schneelast) und gleicher Ausstattungen verglichen. Aus diesem Vergleich ergab sich ein Kostenvorteil für mehrhäusige Stallsysteme, was in den geringeren Kosten für die Tragkonstruktion begründet ist. Dieses Ergebnis wurde in einer weiteren Untersuchung von 2012 bestätigt, bei der Angebots- und Abrechungsunterlagen von zwei Stallanlagen aus der Praxis verglichen wurden. Die Investitionskosten für die mehrhäusige Anlage waren ca. 27% günstiger gegenüber dem einhäusigen Stall.

Diese Ergebnisse und der Vorteil der mehrhäusigen Bauweise in Bezug auf die Erweiterbarkeit einer Stallanlage wurden bei der Entwicklung des Modulbausystems berücksichtigt. Bei der Kombination der einzelnen Module zu einer Gesamtanlage steht daher die mehrhäusige Bauweise im Vordergrund.

Die Dachüberstände der einzelnen Module verhindern, dass Niederschläge in den Stall eindringen können und eine ausreichende Verschattung der Funktionsbereiche gewährleistet wird.

Bei der Planung mit dem Konstruktionsprinzip von Grub-Weihenstephan wird der Bauherr jedoch nicht auf eine mehrhäusige Stallanlage festgelegt. Durch Verlängerung der Liegehallenbinder bis zum nächsten Modul, z. B. bis zur Futtertischüberdachung, kann eine geschlossene Dachfläche über alle Funktionsbereiche geplant werden. So wird vermieden, dass standortbedingte ungünstige Witterungsverhältnisse zu einem Niederschlagseintrag führen.

Die dargestellte Stallanlage wird aus den vorgenannten Modulen, Liegehalle (R-PD-ST-8,60) und Futtertisch (ES-PD-520) gebildet. Die Futtertischüberdachung in der Mitte ist höher als die angeschlossenen Liegehallenbereiche, so dass die Stalllüftung über die offenen Seiten der Futtertischkonstruktion gewährleistet ist. Durch Curtains kann hier die Lüftung reguliert und der Niederschlagseintrag  verhindert werden.  An diesem Beispiel wird auch die Erweiterbarkeit verdeutlicht. So kann im ersten Bauabschnitt nur eine Liegehalle mit Futtertisch gebaut werden und im weiteren Schritt eine zweite Liegehalle errichtet werden. 

Konstruktionsprinzip des Modulsystems

Das Tragwerk der einzelnen Module besteht aus einer Zweigelenk-Rahmenkonstruktion mit aussteifenden Querstreben, das auf einer statisch wirksamen Bodenplatte aufgestellt wird. Durch die Bodenplattenkonstruktion werden keine weiteren Fundamente notwendig. Der Stützenabstand beträgt bei den Modulen für die Liegehallen 8,60 m bzw. 8,40 m und der Achsabstand der Tragwerke untereinander 5,20 m. 

Mit der Flächengründung, der Gebäudehöhe und der flachen Dachneigung wird das Ziel verfolgt, die Baukosten konsequent zu reduzieren. Aufgrund der relativ kleinen Einzelmodule verringert sich der Aufwand beim Abbund, Transport und Materialverbrauch. Nicht zuletzt wurden die notwendigen Holzquerschnitte auf eine optimale Ausnutzung der Baumstämme mit üblichen Zopfdurchmessern von 27 cm - 36 cm abgestimmt. 

Mit den Querstrebenaussteifungen, die von den Stützen an die Dachbinder angeschlossen werden, wird die Spannweite der Dachkonstruktion reduziert. Dadurch können wirtschaftliche Vollholzquerschnitte für die Dachbinder und Koppelpfetten gewählt werden. Um keine Einschränkungen bei den Liegeboxenbreiten zu bekommen, und die Boxenabtrennungen unabhängig von der Gebäudetragkonstruktion flexibel festlegen zu können, müssen die Querstreben oberhalb der Liegeboxenbügel angeordnet werden.

Sollten die Querstreben die Nutzung des Gebäudegrundrisses stören, können die Vollholzbinder in der Planung durch Leimholzbinder ersetzt werden, die frei ohne Unterstützung von Stütze zu Stütze tragen. Die Gebäudeaussteifung wird durch biegesteife Anschlüsse des Binders an die Stützen übernommen. Die Längsaussteifung des Gebäudes erfolgt im Dach über Windrispenverbände und  in der Ebene der Außenwände über Kreuzverbände. 

Für dieses Modulsystem wurden Konstruktionspläne mit Standsicherheitsnachweisen angefertigt. Es liegen auch statische Nachweise für die Flächengründung  mit der statisch wirksamen Bodenplatte und der konstruktiven Stützenfußpunktanbindung vor. Bei der statischen Dimensionierung der Querschnitte wurde aktuell eine Schneelast 1,7 KN/m² berücksichtigt. Höhere Schneelasten sind möglich – exemplarisch wurde ein Tragwerk auf 3,0 KN/m² gerechnet. Bei einer Reduzierung des Binderabstands von 5,20m auf 3,30m (abgestimmt auf Liegeboxenbreite von 1,30m) konnten sowohl die Querschnitte als auch Holzverbindungsmittel beibehalten werden.

Angaben zum Entmistungssystem, der Liegenboxenart sowie die Erstellung von Schal- und Bewehrungsplänen die beim Stallunterbau berücksichtigt werden müssen, erfordern eine weitergehende Ausführungsplanung.

Dachkonstruktion

Die Tragkonstruktion der Module wurde für die unterschiedlichsten Dachaufbauten konzipiert, vom einschaligen Aufbau mit einer Trapezblech- bzw. Faserzementeindeckung über einen mehrschaligen Aufbau mit einem Unterdach aus Holz bis hin zu extensiven Gründachkonstruktionen.

Bei den einschaligen Dacheindeckungen mit Trapezblech oder Faserzementplatten wird die Strahlungsenergie der Sonne ungehindert an der Unterseite in den Stall abgestrahlt die an heißen Tagen zusätzlich zum  Wärmeeintrag über die Außenluft die Tiere im Stall belastet. Ist unter der Dacheindeckung eine Holzschalung eingebaut, kann das Holz die abgegebene Strahlungswärme aufnehmen und die Wärme speichern, bevor diese zeitverzögert abgeben wird.

Dadurch wird verhindert, dass neben einer hohen Außenlufttemperatur gleichzeitig eine starke Wärmestrahlungsintensität aus der Dacheindeckung auf die Tiere im Stahl einwirkt. Die Reduktion des sommerlichen Hitzestresses führt zu einer Verbesserung des Stallklimas. Ähnlich positiv wie der mehrschichtige Dachaufbau bewirkt auch eine Dacheindeckung mit Sandwichpaneelen eine Verringerung des Wärmeeintrags über die Dachfläche. 

Pilotbauvorhaben

Inzwischen wurden mehrere Ställe mit diesem System in Bayern gebaut, so dass die Umsetzbarkeit und Praxistauglichkeit hinreichend beurteilt werden kann. Beispielbetriebe wurden auf der Internetsete des LFL veröffentlicht.

Die Projektentwicklung und der Planungsablauf bis zur Realisierung verliefen dabei in ähnlichen Schritten. Unter Zusammenarbeit der landwirtschaftlichen Beratung wurden gemeinsam mit den interessierten Bauherren betriebsindividuelle Stallkonzepte entwickelt und die entsprechenden Module aus dem Bausystem ausgewählt. Mit der Genehmigungsplanung, der Angebotseinholung und dem Vergabeverfahren sowie mit der Objektüberwachung wurden Architekten beauftragt.

Die Konstruktionspläne für die Module mit dem Standsicherheitsnachweis wurden von der ALB-Bayern erworben und waren die Grundlage für die Genehmigungs- und Ausführungsplanung. Die Holzkonstruktionspläne sind so detailliert, dass der Zimmerer über diese Angaben seine Abbundpläne erstellen kann. 

PilotvorhabenP-MV 2

Bei diesem Bauvorhaben wurde für die Erweiterung des bestehenden Milchviehbetriebs ein Liegeboxenlaufstall mit 57 Milchvieh- und 23 Jungviehplätzen errichtet. Die Laufgänge sind mit Spaltenböden für die Entmistung ausgeführt. Die Plätze für die Trockensteher, der Abkalbebereich sowie der Melkstand wurden im alten Stall eingerichtet.

Bei der Ausführung für die Tragkonstruktion konnte der Landwirt auf eigenes Holz zurückgreifen. Weitere Eigenleistung wurde nicht erbracht. Die Investitionskosten für die Abbruch- und Rohbauarbeiten, für den Neubau mit Stalleinrichtung und für die Melktechnik betrugen ca. 419.000 € (7.400 €/TP). 

PilotvorhabenP-MV 3

Im ersten Schritt wurde hier ein Stall für 29 Milchkühe und 20 Jungtiere mit separatem Melkhaus gebaut. Der Stall wurde mit planbefestigten Laufgängen und einer Schieberentmistung ausgestattet.

An diesem Standort betragen die durchschnittlichen Jahresniederschläge 1.100 mm. Nach dem Betrieb der Anlage über zwei Winter, traten keine Störung durch Witterungseinfüsse auf. 

PilotvorhabenP-MV 6

Bei diesem Projekt wurde ein Stall für 51 Milchviehplätze und 48 Jungviehplätze mit automatischem Melksystem gebaut. Es handelt sich um eine mehrhäusige Anlage, bei der durch große Wand- bzw. offene Dachflächen zwischen den Modulen und eine extensive Dachbegrünung ein optimales Stallklima erreicht werden soll. Die Kosten für die Stalleinrichtung, die Melktechnik und den Kälberstall betrugen ca. 10.400 € pro Tierplatz bei einem Eigenleistungsanteil von 2.400h. 

Das Konstruktionsprinzip Grub-Weihenstephan wird immer weiterentwickelt. Daraus  entsteht ein Baukastensystem, das vielfältige Nutzungsvarianten ermöglicht, bis hin zu einer mehrgeschossigen Bauweise.  

Bauherren, die sich für das Holzbausystem interessieren, können sich an die ALB-Bayern wenden, über die die Konstruktionspläne und Standsicherheitsnachweise vertrieben werden.