Sachverständige tagen auf der Klostermühle in Münchweiler

Zum 19. Mal hatte die Landwirtschaftskammer am 26.02.2015 die von ihr öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen aus den Bereichen Landwirtschaft, Gartenbau, Weinbau und Forsten zur traditionellen Jahrestagung eingeladen.

Das Kammervorstandsmitglied  Eberhard Hartelt, seit kurzem auch Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, betonte in seinem Grußwort, dass der Zuspruch dieses Mal zwar minimal unter dem der beiden Vorjahre liege, dies aber in erster Linie der derzeit grassierenden Grippewelle geschuldet sei und sicherlich nicht an dem Veranstaltungsprogramm liege.  Dr. Sauer als bei der Kammer verantwortlicher Referatsleiter für das Sachverständigenwesen habe nämlich, so Hartelt weiter, erneut eine Reihe hochkarätiger Experten als Referenten gewinnen können, die durch ihre Fachkompetenz eine Gewähr für die Qualität der Veranstaltung darstellten. 

Vorstandsmitglied Hartelt  konnte im fast vollbesetzten Tagungsraum des Landhotels Klostermühle im pfälzischen Münchweiler  70 Teilnehmer aus Rheinland-Pfalz sowie dem benachbarten Saarland willkommen heißen. Unter ihnen begrüßte Hartelt die im vergangenen Jahr als Sachverständige ausgeschiedenen Sachverständigen Volker Cornelius vom  nicht weit entfernt gelegenen Spreiterhof und Josef Schwan aus Wissen-Niederhombach als Ehrengäste.  „Volker Cornelius, ein aus der Praxis kommender Landwirtschaftsmeister, war  41 Jahre lang als von der Landwirtschaftskammer öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger  in verschiedenen landwirtschaftlichen Sachgebieten tätig,“ so Eberhard Hartelt, „eine unglaublich lange Zeit, aus der dieser sicherlich vieles zu berichten weiß.“ Herr Cornelius sei im vergangenen Jahr, so Hartelt weiter, aus freien Stücken ausgeschieden, um jüngeren Kollegen Platz zu machen. Der zweite Ehrengast, Josef Schwan, sei gleichfalls ein aus der landwirtschaftlichen Praxis kommender Landwirtschaftsmeister. Er komme aus dem Westerwald und habe vor kurzem freiwillig seine Sachverständigentätigkeit beendet. Josef Schwan habe diese Entscheidung aus persönlichen, familiären Gründen getroffen, gewissermaßen vorzeitig nach „nur“  20 Jahren als Sachverständiger. Jedoch müsse die Kammer diese Entscheidung, so Hartelt, respektieren, obwohl man dessen Ausscheiden mit nur 53 Jahren sehr bedaure. Ergänzend und anerkennend fügte Hartelt hinzu, dass schon Josef Schwans Vater Herbert Schwan öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger gewesen sei und zwar von 1974 bis 1998. Die beiden – Vater und Sohn – seien sogar einige Jahre lang gleichzeitig als Sachverständige unterwegs gewesen. Eberhard Hartelt dankte abschließend den beiden ausgeschiedenen Sachverständigen nochmals für ihre langjährige Gutachtertätigkeit und wünschte ihnen für ihren weiteren Lebensweg alles Gute.  

Im Anschluss an die Einführung durch Vorstandsmitglied Eberhard Hartelt stellte Dr. Sauer die erste Referentin vor, Frau Rechtanwältin Katharina Bleutge, die als verantwortliche  Mitarbeiterin und Justiziarin des Instituts für das Sachverständigenwesen bereits zum zweiten Mal an dieser Traditionsveranstaltung der rheinland-pfälzischen Sachverständigen teilnimmt. „Frau Bleutge ist“, so Dr. Sauer, „auf Bundesebene eine der versiertesten Juristinnen, die sich mit allen rechtlichen Fragestellungen rund um die Sachverständigentätigkeit auskennt und sich zudem durch rege Referenten- und Seminartätigkeit sowie als Buchautorin hervortut.“ Er freue sich sehr, so Dr. Sauer weiter, sie erneut als Referentin begrüßen zu können und erinnerte daran, dass man auch schon mehrfach ihren Vater, in dessen Fußstapfen sie getreten sei, als Referenten bei der Tagung habe begrüßen können.  Er schloss seine einführenden Bemerkungen damit, dass man nunmehr auf ihre Ausführungen zu den rechtlichen Neuerungen aus der Praxis des Sachverständigenwesens gespannt sei und bat sie um ihren Vortrag.

Frau Bleutge beleuchtete in der ihr eigenen frischen, lebendigen Art zunächst Neuerungen im gesetzlichen Bereich, insbesondere  die seit vergangenem Jahr in Kraft befindliche EU-Verbraucherrechterichtlinie und deren Relevanz für Sachverständige. Sie erläuterte daran anschließend einige für Sachverständige besonders wichtige Urteile und gab Hinweise zur Sachverständigenhaftung. Darüber hinaus war dann der Dauerbrenner „Vergütung von Sachverständigen vor Gericht“ Gegenstand ihrer Erläuterungen, hier vor allem die Problematik der Eingruppierung von Sachgebieten in eine Honorargruppe, wenn solche Sachgebiete im neuen Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) nicht gelistet sind. Hier konnte sie speziellen Nachfragen aus dem Forstbereich, der namentlich nicht gelistet ist, wertvolle Hilfestellungen und Tipps geben. Auch zu weiteren Themenfeldern wie „Befangenheit“  und  „Werbung“ von Sachverständigen konnte sie durch die Darlegung neuerer Rechtsprechung wichtige Hinweise geben. Anhand des von Frau Bleutge verteilten Skriptes kann sich der interessierte Sachverständige hier sicherlich das eine oder andere Zuhause nochmals vertiefend zu Gemüte führen.

Nach den alle Sachverständigen betreffenden rechtlichen Fragestellungen rund um die Sachverständigentätigkeit richtete sich das Folgethema in erster Linie an die Weinbausachverständigen. Aus organisatorischen Gründen hatte man dieses Kurzreferat, so einführend Dr. Sauer, noch auf den Vormittag legen müssen. Die Alternative wäre gewesen, hierauf ganz zu verzichten, was man aber aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Weinbereich nicht wollte. Infolgedessen nutzte der eine oder andere Sachverständige, der sich hierfür weniger interessierte, die Gelegenheit und ging zu einem Fachgespräch im kleinen Kreis in´s Foyer. Der Fachreferent, Dr. Uwe Hofmann vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten, der in Hessen öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger ist, ging dann vor der etwas kleineren Zuhörerschaft auf die aktuellen Themen der Weinbaupolitik und deren Auswirkungen für die Sachverständigen ein. Er beleuchtete zunächst die Anbauregelungen und ging insbesondere auf die vorgesehenen Neuanpflanzungsrechte ab Januar 2016 ein. Hier informierte er über den aktuellen Stand der Diskussion und über die zahlreichen  bürokratischen Anstrengungen, die man voraussichtlich unternehmen müsse, um diese von der EU vorgegebenen Regelungen  - zumal unter erheblichem Zeitdruck - umzusetzen. Darüber hinaus berichtete er von den ab 2015 für die Weinbaubetriebe neu eingeführten Direktzahlungsansprüchen und den hierdurch mittelfristig ausgelösten,  voraussichtlichen Auswirkungen auf den Pachtmarkt. Hier müsse man beobachten, wie sich das insgesamt auf den Weinbausektor auswirken werde, so Dr. Hofmann und dass man bei dieser Neuerung sicherlich auch von der Landwirtschaft lernen könne, die diese Direktzahlungen ja schon seit vielen Jahren kenne und hiermit große Erfahrungen gesammelt habe.

Nach dem wie immer in der Klostermühle reichlichen Mittagsbuffet bei gleichzeitigem Fachsimpeln im kleinen Kreis ging es nachmittags in die drei Arbeitsgruppen: Landwirtschaft, Gartenbau und Forsten.         

In der landwirtschaftlichen Gruppe hatte die Kammer als Referenten mit dem Diplom-Agrar-Ingenieur Dr. Volker Wolfram einen sehr erfahrenen, auf Bundesebene seit vielen Jahren tätigen Sachverständigen gewinnen können. Das Thema lautete: „Bodenkundliche Baubegleitung durch den landwirtschaftlichen Sachverständigen beim Leitungsbau“. Wenn man an die jüngst beschlossene Energiewende denkt und die damit einhergehende Notwendigkeit, neue Trassen zu verlegen, ist dies zweifellos eine sehr aktuelle Themenstellung.  Aber natürlich gibt es auch ständig landauf, landab Leitungsverlegungen kleineren Umfangs, die aber jedes Mal natürlich  sachgerecht und möglichst mit der Beteiligung landwirtschaftlichen Sachverstandes abgewickelt werden sollten. 

Nach einem einführenden, kurzen Abriss zur Entwicklung der Entschädigungspraxis in den letzten Jahrzehnten ging der Referent  auf die verschiedenen Arten von Schäden ein, die beim Leitungsbau für die landwirtschaftliche Praxis entstehen können. Hier nannte er  Bodenverdichtungen, dann das häufig fehlerhafte Wiederauffüllen des Bodens und die hieraus resultierenden Flur- und Ackerfolgeschäden sowie sonstige, unterschiedlichste Wirtschaftserschwernisse. Dr. Wolfram machte schließlich sehr konkrete Ausführungen darüber, wie er sich einen sachgerechten Ablauf vorstellt und wie eine ordnungsgemäße Schadensregulierung auszusehen hat. Er betonte, wie wenig selbstverständlich es leider bei vielen Baumaßnahmen ist, einen landwirtschaftlichen Fachmann einzubeziehen und dass hierdurch in der Bauphase viele Fehler entstehen, die man bei rechtzeitiger Einschaltung eines Sachverständigen vermeiden könnte. Seine Darlegungen wurden sehr  anschaulich visualisiert durch eine Reihe von Bildern von unsachgemäß und zur Unzeit – also zum falschen Zeitpunkt - durchgeführten Baumaßnahmen, auf denen unschwer zu erkennen war, mit wie vielen langfristigen landwirtschaftlichen  Folgeschäden – vor allem infolge extremer Bodenverdichtung – nach Abschluss der Baumaßnahme zu rechnen sein wird. 

Im der zweiten, parallel laufenden Arbeitsgruppe, dem Bereich des Gartenbaus, setzte sich der aus Baden-Württemberg kommende Fachmann und öffentlich bestellte Sachverständige Dipl. Ing. Hermann Schall mit kniffligen Fragestellungen rund um „Nacherfüllungs- bzw. Mängelbeseitigungsaufwand“ bei nicht einwandfrei erfolgten Bauausführungen auseinander, vor allem im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus. In verschiedenen Fallgestaltungen aus der Praxis zeigte er anschaulich  die hierbei auftretenden Problemstellungen auf, wobei gelegentlich die Schwierigkeit besteht, nicht zu sehr in´s Rechtliche gehende Bewertungen vorzunehmen, die dem Sachverständigen ja  nicht zustehen. In einem weiteren Themenkomplex in dieser Arbeitsgruppe ging es um noch stärker in den rechtlichen Bereich gehende Fragestellungen, nämlich um die Fragen der Verantwortlichkeit (bei  mängelbehafteten Bauausführungen bzw. diesen evtl. zugrunde liegenden Planungsfehlern) und deren Quotelung aus technischer Sicht. Dies ist ganz zweifelsfrei ein zwischen Sachverständigen und Juristen umstrittenes Grenzgebiet, in dem ja grundsätzlich sowohl dem Gutachter als auch den Juristen bestimmte Aufgaben zugewiesen sein sollten. Die entscheidende Frage ist jedoch häufig, eindeutig festzulegen, welche Aufgaben dies jeweils konkret sind. „Wünschenswert aus der Sicht eines Sachverständigen wäre es hier“, so Hermann Schall, „eine dezidierte Anleitung seitens des Gerichts zu erhalten. Dem Sachverständigen sollten alle wesentlichen und rechtlich relevanten Fragen aus den jeweiligen vertraglichen Regelungen zwischen den Parteien benannt werden“. Dies sei jedoch in der Praxis häufig leider nicht der Fall,  es gelte jedoch, nicht zuletzt durch Nachfragen der Sachverständigen an die Richter, dies zu verbessern.   

In der dritten Arbeitsgruppe trafen sich die Forstsachverständigen im Mühlenspeicher, wo Forstdirektor Armin Offer, Leiter des Sachgebietes Waldbewertung bei Hessen-Forst, der ebenfalls zum zweiten Mal an der Jahrestagung in Münchweiler teilnahm, als Referent über aktuelle Fragen aus der Waldbewertungspraxis informierte. Zunächst ging´s um die Alterswertfaktoren bei verschiedenen Baumarten und die Notwendigkeit ihrer Aktualisierung. Im Rahmen der anstehenden Überarbeitung der Waldbewertungsrichtlinie (WaldR 2000) regte er an, die derzeitigen Alterswertfaktoren, die nicht mehr zeitgemäß sind, anzupassen. Hierzu hat Hessen-Forst Lösungsansätze erarbeitet. Abschließend ging es um die Herleitung forstlicher Bodenrichtwerte und die damit einhergehenden Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung.  In diesem Zusammenhang  regte Offer an, dass die Sachverständigen in Rheinland-Pfalz versuchen sollten, in den „Oberen Gutachterausschuss“ des Landes zu kommen, um dort ihren forstlichen Sachverstand einbringen zu können. Hauptaufgabe müsse es hier sein, eine einheitliche Vorgehensweise bei der Ermittlung und Veröffentlichung von Waldbodenpreisen zu bekommen.

Gegen 17:00 Uhr waren die drei Arbeitsgruppen Landwirtschaft, Gartenbau und Forsten zu Ende und die Teilnehmer konnten ihre Heimreise antreten, hoffentlich um die eine oder andere neue Erkenntnis bzw. Anregung reicher.       

Dr. Udo Sauer, Referatsleiter Sachverständigenwesen

Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz