Risikomanagement im landwirtschaftlichen Betrieb

Wie in den vergangenen Jahren wurden auch 2012 für Inhaber land- und weinbaulicher Betriebe des rheinland-pfälzischen Buchführungs-Testbetriebsnetzes spezielle Schulungstagungen durchgeführt. Jedes Bundesland erfasst möglichst repräsentativ in den unterschiedlichen Sparten der Landwirtschaft und des Weinbaus betriebliche Buchführungsdaten, die rechentechnisch verarbeitet und auswertet werden. In Rheinland-Pfalz führt dies die Landwirtschaftskammer in Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Buchstellen durch, wobei landesweit etwa 1200 Buchabschlüsse erfasst werden.

Einmal jährlich erstellt die Kammer eine <media 93705>Broschüre</media> mit den differenzierten Ergebnissen, die wiederum an die Bundesregierung weitergeleitet werden, die zu großen Teilen die anfallenden Kosten trägt. Ziel der Erhebung ist es, sowohl auf Länder als auch auf Bundesebene einen Aufschluss über die wirtschaftliche Lage der einzelnen Sparten der Landwirtschaft zu erhalten. Die Daten stellen somit eine fachlich fundierte Informationsquelle dar und dienen nicht zuletzt auch als Entscheidungsgrundlage für die Politik. Natürlich sind die Daten auch wichtig für betriebswirtschaftlich ausgerichtete Ausarbeitungen von landwirtschaftlichen Sachverständige, für die Beratung und für Verwaltungen, stellen aber darüber hinaus auch ein gutes und bewährtes Arbeitsmittel für landwirtschaftliche Fachschulen und die Wissenschaft dar. Zum Zwecke der Schulung der rheinland-pfälzischen Testbetriebe fanden jetzt in Bitburg und Kaiserslautern-Hohenecken die diesjährigen Fortbildungsveranstaltungen statt. In Hohenecken eröffnete und leitete Eberhard Hartelt, Vorstandsmitglied der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz und Vizepräsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, die gemeinsam mit dem Bauernverband durchgeführte Veranstaltung, in Bitburg der Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz und Vizepräsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, Michael Horper.

Einführend stellte Günter Müller, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, die Ergebnisse der Haupterwerbsbetriebe der Landwirtschaft und des Weinbaus des Wirtschaftsjahres 2010/2011 vor. Nach einem durchwachsenen Jahr 2009/2010 verzeichneten erfreulicherweise 2010/2011 fast alle Sparten deutliche Steigerungen im Unternehmensergebnis von z.T. über 60 Prozent. Lediglich die Veredlungsbetriebe, insbesondere Schweinemäster und Ferkelerzeuger, konnten ihr Vorjahresergebnis nicht halten. Detaillierte Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite der Kammer unter "Testbuchführung".

Als weitere Referenten berichteten Rudi Werner vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd in Hohenecken und Walter Sesterhenn vom Bauern- und Winzerverband Rheinland Nassau in Bitburg über Aktuelles und Wissenswertes aus dem Bereich der Steuern.

Hauptredner auf beiden Veranstaltungen war Dr. Henning Brand-Saßen, Referent Agribusiness bei der landwirtschaftlichen Rentenbank in Frankfurt am Main. Sein Thema lautete "Risikomanagement in der Landwirtschaft - Wie können sich Landwirte ausreichend rüsten?" Die Landwirtschaft sei als Werkbank unter freiem Himmel seit jeher Risiken unterworfen. Gründe für die Zunahme von Risiken in der Landwirtschaft seien: 

  • Zunehmende Spezialisierung in den Unternehmen und damit verbunden Verlust des innerbetrieblichen Risikoausgleichs
  • Geringere Risikotragfähigkeit durch Wachstum der Betriebe wegen steigenden Kapitalbedarfs, sinkender Besicherungsmöglichkeiten und steigender Bedeutung der Fremdarbeitsverfassung
  • Immer stärkerer Rückzug der Agrarpolitik infolge der Liberalisierung der Märkte
  • Volatile, d.h. stark schwankende, Absatz- und Beschaffungsmärkte
  • Stetig steigender Einfluss des Betriebsleiters auf den Erfolg mit der Folge von Problemen bei Ausfall des Betriebsleiters
  • Globalisierung der Landwirtschaft (internationaler Warenverkehr)
  • Klimawandel

Brand-Saßen definierte Risiko als "Gefahr eines finanziellen Verlustes" und Risikomanagement als "planvoller Umgang mit Risiken", für den er einen einen Leitfaden für Landwirte skizzierte. Bei der Risikoidentifikation gelte es demnach externe Risiken (Marktrisiken, Politikrisiken, u.a.) und interne Risiken (Produktionsrisiken, Personenrisiken, Finanzrisiken, Anlagerisiken u.a.), die zusammen die Risiken des landwirtschaftlichen Unternehmens bilden, zu analysieren und zu gewichten. Das Festlegen der betriebswirtschaftlichen Relevanz dieser Risiken in einer sog. Matrix mit "Eintrittswahrscheinlichkeit" und "Schadensausmaß" als Achsen stellt die Risikobewertung dar. Hier seien die Kennzahlen des Buchführungsabschlusses sehr hilfreich. Bei der Risikosteuerung gelte es, geeignete Strategien und Instrumente zur Minderung der Risiken festzulegen. Dabei sollte "realitätsnah" vorgegangen werden. Landwirte könnten entscheiden, ob sie Risiken:

  • selbst übernehmen und keine weiteren Maßnahmen ergreifen wollen, wenn das mögliche Schadensausmaß als gering erachtet wird
  • durch Abschluss von Versicherungen auf Dritte übertragen wollen
  • vermindern wollen z.B. durch Teilmengenvermarktung oder Diversifizierung
  • vermeiden wollen z.B. in Form des Ausstiegs aus riskanten Betriebszweigen

Eine ständige Risikokontrolle sei jedoch unabdingbar. Hierbei gehe es um die Organisation des Risikomanagements durch Planung, Kontrolle, Koordination und die kontinuierliche Versorgung mit Informationen. Eine wichtige, aber bei Weitem nicht die einzige Kontrollinformation ist, ob die mit dem Einsatz eines Risikomanagementinstruments erhoffte Risikoverringerung erreicht worden sei. Ist das nicht der Fall, schließe sich der Kreis und die Phasen der Risikoidentifikation, der Risikobewertung und -steuerung müssten erneut durchlaufen werden. "Risikomanagement ist immer betriebsindividuell anzuwenden. Patentrezepte gibt es nicht", so Dr. Brand-Saßen abschließend, nachdem er seinen "Instrumentenkasten" mit inner- und außerbetrieblichen Risikomanagementinstrumenten, Maßnahmen zur Risikovorsorge und Maßnahmen zur Risikoübertragung vorgestellt hatte.

Die Kammer geht davon aus, dass die beiden Fortbildungsveranstaltungen den teilnehmenden Betriebsinhabern einen Informationsgewinn mit praktischem Nutzwert gebracht haben und einen Beitrag dazu leisten konnten, die weiter zunehmenden Herausforderungen in der Unternehmensführung besser meistern zu können.

Günter Müller und Dr. Udo Sauer, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Bad Kreuznach