Lust auf Leben im Dorf

Seminar gab wertvolle Tipps zur Belebung der Dörfer

Die Bewältigung des demografischen Wandels in unseren Dörfern hat für die rheinland–pfälzischen LandFrauenverbände einen besonderen Stellenwert. Auch in diesem Jahr bot die Arbeitsgemeinschaft der LandFrauenverbände in Kooperation mit der Agrarsozialen Gesellschaft ein landesweites Seminar zur Dorfentwicklung an. "Wir alle sind auf der Suche nach Entwicklungsmöglichkeiten, nach Strategien, wie wir unseren Lebensraum lebendig halten können. Die LandFrauenverbände bieten über ihre Organisationen vor Ort eine Basis für die Mitwirkung von Bewohnerinnen und Bewohnern am Leben im Dorf", betonte Gerlinde Eschemann, Vizepräsidentin des LandFrauenverbandes Rheinland-Nassau, in ihrer Begrüßung. "Mit Seminaren wie diesem möchten wir dafür sensibilisieren, dass wir alle etwas tun können und auch müssen, damit unser eigenes Dorf  auch in der Zukunft 'lebt' und es unseren Kindern und Enkeln noch  Lebensqualität zu bieten hat". Die Weiterbildung stieß bei  Kommunalvertreterinnen und –vertretern, Landfrauen und weiteren Interessierten auf reges Interesse. Getagt wurde in der Evangelischen Landjugendakademie in Altenkirchen.
Auf die Ortskerne kommt es an
Die Bedeutung der Innenentwicklung der Dörfer verdeutlichte Julia Langer, Universität Bonn, an den Handlungsfeldern Wohnen mit den Bereichen Wohnumfeld und Wohnformen, Daseinsvorsorge und Gesundheitswesen. Durch die Abwanderung der jungen Bevölkerung und dem hohen Durchschnittsalter der Bewohner ändern sich die Lebensverhältnisse und -ansprüche in den Dörfern gravierend. Altersgerechte Wohnformen werden verstärkt nachgefragt. Jedes Dorf hat zahlreiche dauerhaft nicht mehr benötigte Gebäude, die Unterhaltung ist nicht mehr gesichert."Der Gebäudeleerstand in den Ortskernen gefährdet das kulturelle Erbe", so die Referentin. Es sind strategische Planungen und langfristige Steuerungen der Innenentwicklung notwendig. Dabei ist es unerlässlich, die Bewohner frühzeitig mit einzubinden! 
Erfolgsfaktoren für aktive Dorfgemeinschaften
Entwicklungskonzepte und wirtschaftliche Initiativen, bürgerschaftliches Engagement, soziale und kulturelle Aktivitäten, Baugestaltung und –entwicklung und die Grüngestaltung sind die vier Bereiche, in denen die Dörfer im Wettbewerb 'Unser Dorf hat Zukunft' besonders unter die Lupe genommen werden. Zusätzlich zu den vier Fachbewertungsbereichen wird der Gesamteindruck und das Engagement der Dorfgemeinschaft hinsichtlich Inhalt und Ziel des Wettbewerbes beurteilt. "Ausschlaggebend hierbei sind die Aktivitäten der Bürgerinnen und Bürger für die Zukunftsfähigkeit ihres Dorfes. In allen Bereichen stehen die eigenständigen Leistungen der Dorfgemeinschaft bei der Bewältigung der Herausforderungen im Vordergrund", erläuterte Thomas Leue, Bauamtsleiter Kreis Altenkirchen und Leiter der Kreiskommission, die Bewertungsmaßstäbe beim Dörferwettbewerb. Der Wettbewerb bietet eine hervorragende Orientierung und belebt das freiwillige Engagement der Bewohner. Leistungen werden durch die Jury hervorgehoben und anerkannt. Die Berichte geben anderen Gemeinden Anreize und Mut zu eigenen Aktivitäten.
"Identifikation ist der Schlüssel für ein Engagement im Ort", so Dorfplanerin Nathalie Franzen, Gau-Odernheim. Sie erarbeitete mit den Teilnehmenden einen Strategieplan zur Dorfentwicklung von Busenhausen. In Dorfrundgängen betrachteten die Teilnehmenden die Infrastruktur des Ortes aus verschiedenen Blickwinkeln. "Wie erleben Kinder und Jugendliche bzw. Ältere den Ort? Welchen Eindruck gewinnen Besucher und Neubürger? Wie gestaltet sich das soziale Miteinander im Dorf?" Die Gruppen trugen ihre Beobachtungen zusammen und leiteten erste Maßnahmen und Strategien ab.
"Es muss MÖGLICH sein, sich zu beteiligen, sonst kann es keine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Prozessen geben", so lautete eine zentrale Botschaft von Elena Lange, ev. Landjugendakademie Altenkirchen. Eine Methode, die sich sehr gut dazu eignet, viele Menschen miteinander in angeregten Austausch zu bringen, bietet das 'World Café'. Die Betroffenen müssen als Experten wahrgenommen und vernetzt werden.
Das Wallmeroder Modell
Klaus Lütkefedder, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Wallmerod, stellte ein erfolgreiches Modell zur Wiederbelebung der Ortskerne vor. "Wir wollen intakte Ortskerne und gehen lösungsorientiert und offensiv mit dem Thema um." Die Strategie lautet: Innenentwicklung vor Außenentwicklung! Alle 21 Ortsgemeinden haben die Aufgabe der Dorfinnentwicklung an die Verbandsgemeinde Wallmerod (VG) übertragen und weisen seit mehr als zehn Jahren keine Neubaugebiete mehr aus. Aus einem eigenen Fördertopf werden Erwerb und Sanierung alter Bausubstanz, Bebauung von Baulücken sowie der Abriss alter Gebäude und Neubau an gleicher Stelle gefördert. "Wir halten den bürokratischen Aufwand bewusst gering." Mittlerweile wurden 189 Projekte in den Ortsgemeinden gefördert, rund 70 % Umbau, 30 % Neubau, davon 75% junge Familien mit Kindern. Rund 1/4 der jungen Familien sind in die VG Wallmerod zugezogen. Die Gesamtwertschöpfung liegt bei ca. 30 Millionen Euro.
Leerstandslotsen – aktiv gegen Leerstand
Susanne Tschirschky, Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz, stellte das Modellprojekt 'Leerstandslotsen' vor. "Häufig liegen eigentümerbezogene Gründe für einen Leerstand vor", so ihre Erfahrungen. "Da setzen wir an." Anhand einer Praxisübung schlüpften die Teilnehmenden in die Rolle eines Leerstandslotsen. Dieser soll nach der Qualifizierung als Kümmerer für den Immobilienleerstand im Dorf tätig werden. Die ehrenamtliche Tätigkeit erfolgt in enger Absprache mit der Ortsgemeinde. Der Lotse spricht Eigentümer leer stehender Gebäude an und erfragt, was sie mit dem Gebäude planen, gibt Anregungen und stellt Kontakte zu unterschiedlichen Ansprechpartnern her. Der Lotse ist kein Ersatz für Fach- und Expertenberatung und auch kein Makler.
Intensiver Erfahrungsaustausch
Die Teilnehmenden brachten an beiden Tagen ihr Wissen und ihre Erfahrungen in die regen Diskussionen ein. "Mir haben besonders die praktischen Übungen und die Breite der Informationsfelder gefallen", so die Rückmeldung eines Teilnehmers.

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