Landwirtschaftliche Sonderkulturen - Gemüsebau

Landwirtschaftliche Sonderkulturen, speziell der Gemüsebau, standen im Fokus eines Spezialseminars für öffentlich bestellte und vereidigte landwirtschaftliche Sachverständige.

14.09.2016 | Das Referat Sachverständigenwesen der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz führte die Veranstaltung in Zusammenarbeiit mit dem Hauptverband der Landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen (HLBS) Süd-West durch.

In verschiedenen Fachreferaten wurden von hochkarätigen Referenten die „gerichtsfeste Beweisführung im Schadensfall“, das Vermeiden von „Stolperfallen“ bei öffentlichen Eingriffen sowie  „neue Vollkostenkalkulationen für den Gemüsebau“ vorgestellt und diskutiert. Ergänzt wurden die Vorträge durch einen „Kurzbericht über die Situation auf Gemüse- und Frühkartoffelflächen der Vorder- und Südpfalz nach den extremen Niederschlägen im Mai/Juni 2016“ sowie zwei fachliche Führungen durch die Versuchsfelder des zum DLR Rheinpfalz gehörenden Queckbrunnerhofes, dem Veranstaltungsort. Die Anregung zur Durchführung eines solchen Spezialseminars war aus den Reihen der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen gekommen. Da in Rheinland-Pfalz genauso wie in anderen Bundesländern die Zahl der ö.b.v. Sachverständigen in diesem Spezialgebiet nicht sehr groß ist, wurden Sachverständige  aus Hessen und Baden-Württemberg mit eingeladen. So konnten auf dem Queckbrunnerhof immerhin zehn dieser „Spezialisten“ begrüßt werden.

Als fachkundige Referenten hatte die Kammer Dr. Annette Kleineke-Borchers, Anne Schubach und Dr. Manfred Berndt, allesamt ö.b.v. Sachverständige bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sowie Dr. Sebastian Weinheimer, Lothar Rebholz und Joachim Ziegler vom DLR Rheinpfalz gewinnen können.

Dr. Annette Kleineke-Borchers verblüffte eingangs ihres Vortrages die Teilnehmer mit der Aussage, dass eine „gerichtsfeste Beweisführung“ äußerst schwierig sei und auch ihr nicht immer gelinge. Auch sei ein „selbstständiges Beweisverfahren“ nicht unbedingt immer zielführend. Vor allem die oft recht lange Dauer eines solchen Verfahrens sei ein Problem bei leicht verderblichen Produkten. Im Falle eines  Privatauftrags an einen Sachverständigen  seien die Anforderungen an die Beweisführung außerordentlich hoch. „Alles, was nicht sauber dokumentiert, quantifiziert und nachgewiesen ist, wird in der Regel in einer späteren gerichtlichen Auseinandersetzung nicht anerkannt“. Anhand von Praxisbeispielen erläuterte Dr. Kleineke-Borchers sechs abzuarbeitende Schritte bei der Erstellung von Gutachten: Erkennen und Erfassen des Problems, Beschreiben, Quantifizieren und Messen, Beweissicherung, Diagnostizieren und Verifizieren. Dabei sei das Beschreiben wegen der Notwendigkeit guter Nachvollziehbarkeit der wichtigste Schritt in jedem Gutachten.

Anne Schubach beleuchtete intensiv die „Überprüfung der Existenzgefährdung durch geplante öffentliche Maßnahmen“. Grundsätzlich sei  immer die Situation des Betriebes und nicht die des Betriebsleiters zu betrachten und zu analysieren. Angefangen bei der Überprüfung der Existenzfähigkeit vor dem Eingriff bis zur Überprüfung nach dem Eingriff tauche eine Vielzahl von „Stolperfallen“ auf. Erschwerend wirke hier eine unterschiedliche Definition der Existenzfähigkeit aus Sicht des Eigentümers, der Kreditgeber, der Lieferanten und Arbeitnehmer, der Kunden und zu guter Letzt der Öffentlichkeit. „Es ist Aufgabe der Planfeststellungsbehörde abzuwägen, ob die Gefährdung des konkreten Betriebes mit seinen Eigenschaften abwägungsrelevant ist. Dies ist nicht  Aufgabe des Sachverständigen.“ Dies verdeutlichte Frau Schubach mehrfach den Zuhörern. Ebenso erläuterte sie ausführlich, warum der „Cashflow“ die zentrale Größe bei der Ermittlung der Existenzfähigkeit eines Betriebes ist.

Dr. Manfred Berndt ging in seinen Ausführungen intensiv auf „Stolperfallen“ bei der Entschädigungsberechnung für Dauerkulturen anhand eines Beispiels für Spargel ein. Dabei sprach er folgende Bereiche an:  „Dauerkulturen auf Eigentums- und Pachtflächen“, „Erwerbsverlust und Verlagerungskosten“, „Schadenshöhe → fallbezogener Deckungsbeitrag“, Zinsanrechnung und Abzinsung (inkl. Zinssatzdiskussion)“, „An- und Durchschneidungen“, „Um- und Mehrwege“, „Betroffenheiten durch Trassenbau (Veränderungen von Kleinklima, Boden, Wasserhaushalt, u.s.w.)“ sowie „Beeinträchtigungen während der Bauzeit“.

Lothar Rebholz vom DLR Rheinpfalz berichtete kurz über die Vielzahl der Probleme bei der Feststellung der Schäden auf Gemüse- und Frühkartoffelflächen aufgrund der extremen, ja dramatischen Niederschläge im Mai/Juni 2016 in der Vorderpfalz. In Baden-Württemberg seien nach seiner Kenntnis bereits Entschädigungszahlungen seitens des Landes geflossen. Für Rheinland-Pfalz könne er dies nicht bestätigen.

Joachim Ziegler vom DLR Rheinpfalz stellte neue Vollkostenkalkulationen für den Gemüsebau, angepasst an die neuen Rahmenbedingungen im Anbau, in den Betrieben, angesichts aktualisierter Lohnkosten (Mindestlohn) und Preisen vor. Das Excel-basierte Berechnungsprogramm des DLR enthalte eine Vielzahl relevanter Stammdaten, sei aber auch einzelbetrieblich anpassbar. Da dies besonders wertvolle Daten sind, bedankten sich einige Teilnehmer ausdrücklich bei Herrn Ziegler für die seit Jahren geleistete Arbeit des DLR auf dem Gebiet der Vollkostenkalkulation für den Gemüsebau. Die Programme und die bereitgestellten Daten seien eine in Deutschland einzigartige Informationsquelle und für jeden Sachverständigen im Gemüsebau ein überaus wichtiges Hilfsmittel.

Im weiteren Verlauf des Seminartages führten der Leiter des Versuchsbetriebes Dr. Sebastian Weinheimer und Lothar Rebholz die Gruppe zu einigen Versuchsfeldern des Queckbrunnerhofs. So wurde über einen Düngeversuch bei Brokkoli, einen Dünge- und Bewässerungsversuch bei Staudensellerie, einen Abdriftversuch bei Radieschen, einen Versuch der Nematodenbekämpfung mittels „Solanum Sisymbriifolium“ (Raukenblättriger oder Klebriger Nachtschatten) und einen Sortenversuch Süßkartoffeln informiert.

(Eine Kopie der einzelnen Präsentationen kann gegen Erstattung einer Schutzgebühr in Höhe von 40,00 € im Referat 15 der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz in Bad Kreuznach, Tel.: 0671 793 1129 o. 0671 7931 161, E-Mail: michaela.beerbaum(at)lwk-rlp.de bestellt werden)

 

Günter Müller, Dr. Udo Sauer

Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz

Referat Sachverständigenwesen, Testbuchführung und Agrarstatistik