Landwirtschaft mit sozialer Komponente

Die Landwirtschaft hat in der Justizvollzugsanstalt Wittlich eine lange Tradition. Sie ist heute die einzige der 10 Justizvollzugsanstalten in Rheinland-Pfalz, in der noch Landwirtschaft betrieben wird.

Der Umgang mit stetig wechselnden Arbeitskräften stellt dabei an das Management der Mutterkuhherde besondere Anforderungen. 

Bis 1988 war der landwirtschaftliche Betrieb in anstaltseigenen Gebäuden in Wittlich untergebracht. Am 01.11.1988 wurde der jetzige Betrieb am Standort in Wengerohr vom Orden der Steyler Missionare übernommen.

Auf einer landwirtschaftlichen Fläche von rund 22 ha werden Getreide, Kartoffeln, Mais und Gemüse angebaut. Kartoffeln und Gemüse werden in der JVA in Wittlich zur Deckung des Eigenbedarfs genutzt und darüber hinaus über die Anstaltsgärtnerei vermarktet. Getreide und Mais werden in der Fütterung der Mutterkuhherde eingesetzt, überschüssiges Getreide wird verkauft. Etwa 28 ha stehen als Grünland für die Mutterkuhherde zur Verfügung. Zur Tierhaltung des Betriebes gehören außerdem ca. 1.000 Legehennen, die in Freilandhaltung gehalten werden. Die Eier werden ebenfalls über die Gärtnerei vermarktet.

Mit dem Umzug nach Wengerohr vor rund 24 Jahren trennte man sich von der Bullenmast und stieg in die Charolais-Zucht ein. 1989 wurden die ersten Reinzucht-Rinder zum Aufbau eines Herdbuchbetriebes in den Betrieben der Gutsverwaltung Jakobsberg in Boppard und in der Gutsverwaltung St. Gangolf in Mettlach gekauft. Durch konsequente Auswahl hochwertiger Bullen konnte eine Herde von insgesamt 62 Herdbuchtieren, davon 30 Mutterkühen aufgebaut werden. Dabei wurde ein besonderes Augenmerk auf leichtkalbige Linien gelegt.

Die Mutterkühe sind im Winter im Offenstall auf Stroh untergebracht, im Sommer erfolgt Weidehaltung. Ziel der Tierhaltung ist die Vermarktung der Jungtiere als Zuchttiere. Abnehmer sind in der Regel Landwirte aus der Region, die Geschäftsverbindungen reichen jedoch bis ins Saarland und nach Nordrhein-Westfalen.

Dass die Nachfrage nach Zuchttieren auch eine Frage des Bekanntheitsgrades der Zuchtstätte ist, hat der Herdbuchbetrieb der JVA Wittlich erkannt. So werden regelmäßig auch die regionalen Schauen in Bitburg anlässlich des Beda-Marktes oder der Bezirkstierschau der Region Trier genutzt, um gute Zuchtprodukte einem breiten Publikum vorzustellen.

Die Bestandsergänzung erfolgt ausschließlich aus eigener Nachzucht. Lediglich die eingesetzten Zuchtbullen werden in regelmäßigen Abständen auf den Verkaufsveranstaltungen des Fleischrinder-Herdbuch Bonn zugekauft.

 Einsatz der Gefangenen im Betrieb

Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb in Wengerohr sind regelmäßig zwischen 10 und 15 Gefangenen aus dem Erwachsenen- und Jugendstrafvollzug beschäftigt. Sie sind im offenen Vollzug untergebracht und befinden sich in der Vorstufe der Entlassung. Die Arbeitstherapie ist ein wesentlicher Bestandteil der Wiedereingliederung der Gefangenen und damit auch ein wichtiger Aspekt der Betriebsführung.

Der Arbeitseinsatz im landwirtschaftlichen Betrieb wird von den Gefangenen gerne angenommen, auch wenn sie in der Regel fachfremd sind und selten körperliche Arbeiten verrichtet haben. Sie werden von Justizvollzugsbeamten angeleitet, die zusätzlich eine qualifizierte landwirtschaftliche Ausbildung haben. Da der landwirtschaftliche Betrieb der JVA auch als Ausbildungsbetrieb anerkannt ist, können Gefangene bei entsprechender Eignung auch den Beruf des Landwirtes erlernen.

Die ungewöhnliche Arbeitssituation auf dem Betrieb wirkt sich natürlich auf die Gestaltung der Produktion aus. Erklärtes Zuchtziel ist eine "pflegeleichte" Herde, die den besonderen Betriebsumständen Rechnung trägt. Pflegeleicht bedeutet dabei:

·      Hohes Lebensalter und damit langer Verbleib eingewöhnter Tiere
·      Alleiniges und über das Jahr verteiltes Abkalben
·      Keine Klauenprobleme
·      Ruhiges, umgängliches Temperament

Folgende Arbeiten werden von den Gefangenen verrichtet:
·         Tägliche Fütterung der Tiere
·         Entmisten der Ställe von Hand
·         Eigenverantwortliches Füttern am Wochenende
·         Tierpflege
·         Instandhaltung und Kontrolle der Weidezäune
·         Hilfe bei der Heu- und Strohbergung
·         Erntearbeiten

Da die Verweildauer der Gefangenen begrenzt ist, müssen die Tiere sich immer wieder an neues "Personal" gewöhnen. Das relativ träge Wesen der Rasse Charolais kommt diesem Aspekt entgegen. Es wird außerdem Wert darauf gelegt, dass die Kühe alt werden und nur wenig junge Tiere nachrücken. Einerseits wird dadurch die Struktur der Herde wenig gestört, andererseits kann der Deckbulle verhältnismäßig lange in der Herde verbleiben.

Auf Leichtkalbigkeit wird größter Wert gelegt. Neben der Auswahl geeigneter Linien vor allem beim Deckbullen, ist aber auch die Fütterung so angelegt, dass besonders die Färsen problemlos zum Abkalben kommen. Zum Kalben werden die Kühe und Färsen im Laufstall untergebracht, wo sie auch noch bis etwa drei Wochen nach der Geburt mit ihren Kälbern verbleiben.

Neben der Tierhaltung werden auf dem Betrieb in Wengerohr jährlich 600 bis 800 Festmeter Holz zu ofenfertigem Brennholz verarbeitet. Seit 2003 werden für eine Fremdfirma eigenes Heu und Stroh zum Verkauf in die Kleintierhaltung verpackt. In diesem Betriebszweig können die Gefangenen, je nach Arbeitsaufkommen auf dem Hof, flexibel eingesetzt werden. Sie werden ebenfalls eingesetzt, um Kartoffeln und Gemüse verkaufsfertig herzurichten. Dazu kommen Arbeiten wie Pflege und Instandhaltung der Maschinen und Geräte, leichte Schlepperarbeiten bei entsprechender Eignung  -  jedoch nicht im öffentlichen Verkehr  -  sowie alle sonstigen anfallenden Hilfsarbeiten.

Die Gefangenen lernen durch die Arbeit mit den Tieren Verantwortung zu übernehmen, insbesondere wenn sie am Wochenende eigenständig für die Versorgung und Pflege zuständig sind. Die Arbeit im landwirtschaftlichen Betrieb und der damit verbundene geregelte Tagesablauf soll den Gefangenen die bevorstehende Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtern und trägt damit wesentlich zu ihrer Resozialisierung bei.

Ein Bericht von Rainer Arent, JVA Wittlich und Gertrud Werner, LWK Rheinland-Pfalz.