Land muss Verantwortung für die Landwirtschaft übernehmen

Die politische Führung des Landes Rheinland-Pfalz wird an ihre Verantwortung für eine funktionierende und wettbewerbsfähige Landwirtschaft erinnert.

Bei dem von der Landwirtschaftskammer ausgerichteten Parlamentarischen Abend im Mainzer Landtag erinnerte Kammerpräsident Ökonomierat Norbert Schindler MdB Abgeordnete und Regierungsmitglieder daran, dass die Kammer zahlreiche Aufgaben für das Land erfülle und dafür Anspruch auf einen angemessenen finanziellen Ausgleich habe.

Im Auftrag des Landes gestalte die Landwirtschaftskammer den praktischen Bereich der dualen Ausbildung in den 14 Berufen der Landwirtschaft und verwandter Disziplinen. Dafür müsse alljährlich ein beträchtlicher Teil des Kammerhaushalts aufgewendet werden. Gleiches gelte für die immer wichtiger werdende Unternehmens- und Förderberatung, die die Kammer samt des damit befassten Personals vor rd. 10 Jahren vom Land übernommen habe und seitdem mit wachsendem Aufwand durchführe. Die Kammer sei darüber hinaus ein von den Betrieben geschätzter Ratgeber bei betrieblichen Bauvorhaben, bei Investitionen in Maschinen und Geräte sowie im Bereich Einkommenskombination (Direktvermarktung, Hofgastronomie, Ferienhof). Unverzichtbar für Rheinland-Pfalz als Deutschlands Weinland Nr. 1 sei die Dienstleistung und die teils hoheitliche Verwaltung der Kammer im Weinbau, ebenso deren Wahrnehmung der betrieblichen Erfordernisse in der Raumplanung, bei Flurbereinigung oder Wegebau.

Wie bei den sechs Dienstleistungszentren ländlicher Raum mit ihren Aufgaben Beratung Versuchswesen und Schule, so Präsident Schindler, müssten auch bei der Landwirtschaftkammer die bestehenden Potenziale erhalten und ausgebaut werden. Hier dürfe es nicht zu einseitigen Einschränkungen zugunsten einer zunehmenden Förderung des ökologischen Landbaus kommen. Wenn das Land versuche, sich hier seiner finanziellen Verpflichtungen zu entledigen, gefährde es die Funktions- und Leistungsfähigkeit einer effizienten und erfolgreichen Agrarverwaltung und einer von Erzeugern wie Verbrauchern geschätzten Beratungs- und Dienstleistungsinstitution.

Im agrarpolitischen Teil seiner Rede ging Präsident Schindler auf den scheinbar unaufhaltsam fortschreitenden Flächen verbrauch auch in Rheinland-Pfalz ein. Die ständige Ausdehnung der Siedlungs- und Verkehrsflächen verbrauche pro Tag 3,9 Hektar im Land. Hinzu kämen jeweils entsprechende Ausgleichsflächen. Die Erstellung einer Winkraftanlage erfordere heute im Durchschnitt 3 Hektar meist landwirtschaftlicher Flächen. Von diese Entwicklung gehe eine wesentlich stärkere Bedrohung aus als von dem Flächenbedarf der Bioenergieerzeugung, der gegenwärtig in Rheinland-Pfalz bei lediglich bei 75.000 Hektar oder 18,7 Prozent der Ackerfläche liege. Der Kammerpräsident erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass noch 1950 in Rheinland-Pfalz auf 100.000 Hektar Hafer als Kraftstoff für die Pferde in der Landwirtschaft angebaut wurde. Die Kompensation bei Windkraftanlagen solle künftig nur noch in Geld erfolgen Auf landwirtschaftlichen Flächen dürfe grundsätzlich keine Solaranlage mehr errichtet werden.

Zu der zurzeit in den Regionen und Verbänden.laufenden Diskussion zum Wein-Bezeichnungsrecht sagte Präsident Schindler, hätten die Weinbauverbände in Rheinland-Pfalz zu der vom Ministerium forcierten Aufwertung der Einzellagenweine sich für eine moderate Mostgewichtserhöhung, aber gegen jede weitere verbindliche Einschränkung wie niedrige Hektarerträge etc. ausgesprochen. Bei der freiwilligen Verwendung von Katasterlagenamen, die zukünftig möglich sein soll, würden durchaus Chancen für eine weitergehende Profilierung gesehen. Bei diesen neuen Herkunftsbezeichnungen könne auch über niedrigere Ertragsgrenzen usw. gesprochen werden. Dieser Gedanke lässt sich auch in Übereinstimmung mit Genossenschaften und Kellereien in Rheinland-Pfalz weiterentwickeln.

Die Landesregierung beabsichtige, kurzfristig eine Vorab-Anzeigeverpflichtung für die Ernte von Eiswein einzuführen. Die Kammer spreche sich hier gegen einen Schnellschuss aus und schlage vor, die Ergebnisse der derzeit laufenden Verfahren aus der vergangenen Ernte abzuwarten und dann sachlich abzuwägen, ob und welche Maßnahmen von Seiten des Gesetzgebers getroffen werden müssen.

Als Hausherr hatte zunächst Landtagspräsident Joachim Mertes die zahlreichen Vertreter von Politik und landwirtschaftlichen Berufsständen begrüßt. Infolge seiner engen Kontakte mit den Bauern seiner Heimatregion zeigte er sich bestens informiert über die diesjährige Getreideernte, die in den Höhenregionen regional von weitreichenden Frostschäden bei Wintergetreide gekennzeichnet gewesen sei. Positiv an der aktuellen Diskussion um die Prioritäten landwirtschaftlicher Produktion sei, dass die Bedeutung der Landwirtschaft sowohl für die Nahrungsmittelversorgung als auch im Rahmen der künftigen Energieversorgung in das Blickfeld einer breiten Öffentlichkeit gerückt sei. Die Herausforderungen in den Bereichen Nahrung, Energie und Umwelt bezeichnete Mertes als globale Fragen, die nur mit einer starken Landwirtschaft zu beantworten seien.

In ihrer Erwiderung auf die Ausführungen des Präsidenten zur Finanzlage der Kammer verwies Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken auf die Einbindung auch ihres Hauses in die Konsolidierungspolitik der gesamten Landesregierung. Auch das Landwirtschaftsministerium müsse seinen Beitrag zur Einhaltung der Schuldenbremse leisten. Dabei nehme nicht zuletzt auch der Landesrechnungshof alle Ausgaben streng unter die Lupe und moniere verzichtbare und doppelt erbrachte Leistungen etwa bei den DLRs. Das nachvollziehbare Bemühen der Kammer um mehr finanzielle Unterstützung müsse sich daher den gegebenen Anforderungen der Haushaltspolitik fügen.

„Gut statt viel“ muss die Devise heißen: Ministerpräsident Kurt Beck und Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken appellierten, in der Gesellschaft die Wertschätzung von Lebensmitteln zu erhöhen. „Der Kampf gegen Hunger und für sichere Ernährung weltweit hat viel mit Konsum und Produktion hier bei uns zu tun. Lebensmittelverschwendung, die tierschutzwidrige Massentierhaltung, unsere Ernährungsgewohnheiten und zu wenig Unterstützung für die bäuerliche Erzeugung tragen zu der Besorgnis erregenden Situation bei“, betonte Beck. Er kritisierte zudem, dass Spekulanten die Preise für Agrarrohstoffe künstlich in die Höhe treiben: „Dies sind Fehlentwicklungen, die die Bundesregierung auch auf der internationalen Ebene anpacken sollte.“ Beck erinnerte in diesem Zusammenhang an entsprechende Beschlüsse der G 20, der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Erde. Diese gelte es dringend umzusetzen angesichts erheblicher trockenheitsbedingter Ernteausfälle und der dadurch absehbaren Ernährungskrise in den Entwicklungsländern. „Wir alle müssen uns unserer Verantwortung auch für diejenigen bewusst sein, die immer wieder unter Hungersnöten leiden“, sagte Beck.

Ministerin Höfken wies darauf hin, dass die regelmäßig starke Präsenz von Ministern, Staatssekretären und Abgeordneten beim Parlamentarischen Abend der Landwirtschaft die Bedeutung der Landwirtschaft in der Landespolitik immer wieder unterstreiche. Die Zusammenarbeit ihres Hauses mit der Landwirtschaftskammer sei stets konstruktiv und lösungsorientiert, wobei die beiderseitige Bereitschaft zum Kompromiss, etwa beim Wasserschutz, regelmäßig zu guten Ergebnissen führe. Die Ministerin nannte neben der Welternährung den Klimawandel, die Energiewende, den Erhalt der Artenvielfalt, den Flächenfraß und den Verlust von Arbeitsplätzen in ländlichen Räumen als Herausforderungen für die Landwirtschaft. Flächenfraß erfolge im übrigen nicht durch Öko-Ausgleichsflächen, sondern immer noch Versiegelung im Rahmen von Wohn-, Gewerbe- und Verkehrsinfrastrukturbebauung. Sie forderte eine Wende zur besseren Ernährung mit weniger Fleisch und regionalen, saisonalen Lebensmitteln: „Gut statt viel - dies kommt auch unserer heimischen Landwirtschaft zugute und erhöht die Wertschöpfung in den ländlichen Räumen.“ Die Ministerin wies dabei auf die Einkommenssituation der Bauern in Rheinland-Pfalz hin. Dem heute vorgelegten Agrarbericht zufolge liege deren durchschnittlicher Stundenlohn bei weniger als zehn Euro. Trotz aktuell steigender Getreidepreise litten die Landwirte angesichts drastisch gestiegener Kosten bei Produktions- und Futtermitteln unter Preisverfall in Europa, etwa bei der Milch.

Beck und Höfken hoben hervor, dass es das Anliegen der rheinland-pfälzischen Landesregierung sei, Rahmenbedingungen für eine moderne bäuerliche Landwirtschaft und guten Absatz mit möglichst viel Wertschöpfung zu schaffen: „Mit unserer Landwirtschaftspolitik schaffen wir Entwicklungsperspektiven sowohl für konventionell als auch für ökologisch wirtschaftende Betriebe.“ Dabei achte man auch darauf, die landwirtschaftlichen Nutzflächen zu bewahren. Dass die Energiewende in Rheinland-Pfalz im Einklang mit den Landwirten umgesetzt werde, werde mit bewährten Instrumenten wie dem Landesentwicklungsprogramm und der Bodenordnung sichergestellt. Die Energiewende werde nur mit dem ländlichen Raum als Motor gelingen. Der Ministerpräsident und die Ministerin wiesen zudem darauf hin, dass die aktuelle Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) eine historische Möglichkeit biete, die Landwirtschaft in Europa grüner und nachhaltiger zu gestalten. Die Politik der Landesregierung sei darauf ausgerichtet, die Bauern nicht zu Opfern einer Industrialisierung der Landwirtschaft werden zu lassen.

Bei den Verantwortlichen der Landwirtschaftskammer bedankten sich Beck und Höfken für die gute Zusammenarbeit mit dem Berufstand. „Sie ist die Grundlage für wichtige Weichenstellungen in der Landwirtschafts- und Weinbaupolitik.“

Frieder Zimmermann, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz