Kühe, Schafe, Wein

Die regional höchst unterschiedlichen Auswirkungen von Frostschäden bei Wintergetreide konnten im Westerwald auf relativ engem Raum beobachtet werden.

Während Hanglagen im Bereich Neustadt (Wied) kaum Schäden aufwiesen, mussten in Tallagen um Neuwied große Ausfälle infolge Auswinterung verkraftet werden. Ökonomierat Norbert Schindler MdB, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, konnte sich bei der Fortsetzung seiner Regionalbesuche, die ihn jetzt in den Landkreis Neuwied führte, u.a.  ein Bild von der sehr differenziert zu bewertenden diesjährigen Getreideernte machen.

Während Landwirt Kurt Gillessen vom Hopperhof bei Neustadt (Wied) der Getreideernte 2012 das Prädikat Gut verleiht, ist sein Berufskollege Werner Neumann vom Hof Meerheck bei Neuwied ganz und gar nicht zufrieden und erklärt den Unterschied damit, dass der Frost der ersten Februarhälfte von den Hängen regelrecht abfloss, während er in den Senken liegen geblieben sei und hier die Jungtriebe des Wintergetreides besonders geschädigt habe. 

Auf dem Hopperhof, dem größten Milcherzeuger im Landkreis, bestand bei der Besichtigung von Stallanlagen für Milchkühe, Färsen und Kälber Übereinstimmung in der Einschätzung, dass der gegenwärtige Tiefstand beim Milchpreis eine Momentaufnahme darstellt und die gute Nachfragesituation auch wieder zu besseren Preisen führen werde. Auf dem Hopperhof waren es daher die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft, die das Gespräch der Bauern mit dem Kammerpräsidenten bestimmten. Etwa die Situation der landwirtschaftlichen Wege, deren Dimensionierung und bauliche Verfassung sowie die gelegentliche Konkurrenz von landwirtschaftlichen Nutzern und Freizeitsportlern oder Touristen. Präsident Schindler versicherte, dass für die Kammer Flurbereinigung und Wegebau auch in der Positionierung gegenüber der Landesregierung Priorität habe. Landwirt Gillessen betonte auch in Anwesenheit politischer Vertreter von Gemeinde und Landkreis die Bedeutung offener und konstruktiver Zusammenarbeit zwischen den Betrieben und einer kommunalen Verwaltung, die sich als Dienstleistungsunternehmen für die Bürger verstehe. 

Werner Neumann, der vor allem Futtergetreide für seine Schafe anbaut, kann auf Reserven zurück greifen und damit die insbesondere bei Wintergerste erheblichen Ausfälle durch Auswinterung weitgehend kompensieren. Seine Sorge gilt der Aufrechterhaltung der Tiergesundheit auf seinen Weiden und in seinen Ställen. Das Schmallenberg-Virus sei zwar bislang nur punktuell aufgetreten, gelte aber aufgrund seiner Unberechenbarkeit und fehlender Vorsorge als große Unbekannte. Er hofft, dass die Tiere zunehmend natürliche Immunität gegen das Virus entwickeln. Nach erheblichen Tierverlusten in der Vergangenheit sei dagegen die Blauzungenkrankheit durch Schutzimpfung im Griff.  Sorge bereitet dem schafhaltenden Landwirt die mögliche und gelegentlich auch herbeigewünschte Einwanderung von Wölfen aus Osteuropa. Neumann, der auch Vorsitzender des Landesverbandes der Schafhalter ist, hat die Gefahr einer durch Wölfe in Panik versetzten und ausgebrochenen Schafherde für den Straßen- und Bahnverkehr bereits bei der Landesregierung vorgetragen und dafür Verständnis gefunden. Präsident Schindler betrachtet Neumanns Betrieb als großartiges Beispiel für den Erfolg der professionellen und konsequenten Umsetzung eines für Rheinland-Pfalz unkonventionellen Konzepts. Mit Landwirtschaft und Schafhaltung in Kombination mit Hausschlachtung und Selbstvermarktung behaupte sich der Betrieb am Markt. 

Letzte Station des Programms war das Weingut Sturm in Leutesdorf. Unmittelbar unterhalb der Steilhänge hat hier der frühere Wirtschaftsjournalist Martin Sturm vor zwei Jahren seinen Traum vom eigenen Weingut verwirklicht und konnte Kammerpräsident Schindler bereits seine erste, schon sieben Weine umfassende, Jahrgangskollektion vorstellen. Nach abgeschlossener Winzerlehre und Fortbildung im Bio-Weinbau bewirtschaftet er inzwischen 2,5 ha Steil- und Steilstlagen und plant weitere Anpflanzungen, für die er bereits auf der Suche nach erhältlichen Pflanzrechten ist. Präsident Schindler begrüßte das Engagement, das für die Aufbruchsstimmung am Mittelrhein stehe, mit der eine längere Stagnationsphase in der Region habe überwunden werden können. Betriebsneugründungen und das Wiederanlegen von Weinbergen zeige, dass die Konzentration auf Qualität und mittelrheintypische Rebsorten, klassischen Ausbau und offensives Marketing den Erfolg zurück bringe.