Jahrestagung der Sachverständigen: Von Pachtpreisanpassung bis Benchmarking

50 der derzeit 85 durch die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen aus den Bereichen Weinbau, Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwirtschaft konnte Kammervorstandsmitglied Eberhard Hartelt bei der 16. Jahrestagung im Landhotel Klostermühle in Münchweiler begrüßen.

Sachverständige seien neutrale und unabhängige Experten, manchmal auch Vermittler zwischen streitenden Parteien, vor allem aber fachlich schwierige Sachverhalte klärende „Gehilfen” der Richter, wenn sich Parteien nicht einig werden. Die Kammer biete mit ihren regelmäßig organisierten Arbeitskreisen, mit ihren Info-Rundschreiben, mit gelegentlich angebotenen Seminaren und nicht zuletzt mit den Themen der jährlich veranstalteten Tagung ein stets gut gefülltes Programm der fachlichen Weiterbildung an. Damit leiste sie einen wichtigen Beitrag, die fachliche Kompetenz der Sachverständigen, für die diese grundsätzlich selber verantwortlich sind, auf dem aktuellen Stand der technischen und rechtlichen Entwicklung zu halten.

Horst Klöppel, Vorsitzender des Fachausschusses Sachverständigenwesen, führte durch ein breit gefächertes Programm aus Vorträgen und Workshops, beginnend mit der Darstellung ausgewählter Daten der Landwirtschaftszählung 2010 unter besonderer Berücksichtigung der Pachtpreisverhältnisse durch Jörg Breitenfeld vom Statistischen Landesamt in Bad Ems. Anhand der Betriebsgrößenveränderungen in Landwirtschaft und Weinbau, der Darstellung von Haupt- und Nebenerwerb sowie der Arbeitskräftesituation, der Entwicklung der Anbauflächen der einzelnen Kulturen und der teils dramatischen Veränderungen in der Viehhaltung beschrieb der Referent den strukturellen Wandel innerhalb der rheinland-pfälzischen Landwirtschaft. Die deutliche Ausweitung im Bio-Landbau und die erhebliche Zunahme der Einkommenskombinationen seien weitere feststellbare Stufen dieses Wandels. In seiner ausführlichen Darstellung der Pachtgegebenheiten konnte Breitenfeld die von Sachverständigen als extrem geschilderten Pachtpreiserhöhungen - vor allem in Regionen mit Biogasanlagen - anhand der Statistikergebnisse nicht bestätigen. Dies könne darauf zurückzuführen sein, dass zum einen bei dem sensiblem Thema "Pachtpreis" von den Betriebsleitern nicht immer ganz korrekte Angaben gemacht würden, zum anderen sicherlich auch daran, dass ja jedes Jahr immer nur ein kleiner Teil an Neuverpachtungen - mit evtl. höheren Pachtpreisen - anstehe und dies dann nur vergleichsweise gering in die Statistik einfließe. Der gesamte Vortrag des Referenten findet sich <media 93712 - - "TEXT, 2012 Daten Landwirtschaftszaehlung, 2012_Daten_Landwirtschaftszaehlung.pdf, 2.9 MB">>>hier </media>.

Uwe Hofmann, ö.b.v. Sachverständiger für Weinbau in Hessen, und Dr. Holger Konrad, Justiziar der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, referierten im zweiten Vormittagsprogrammpunkt zur rechtlich gegebenen Pachtpreisanpassung nach § 593 BGB. Eine solche kann von jedem Vertragspartner beantragt werden, wenn sich die Verhältnisse, die bei Vertragsabschluss maßgebend waren, nachhaltig so verändert haben und infolgedessen in ein grobes Missverhältnis zueinander geraten sind. Dr. Hofmann trug seine diesbezüglich erstellten Gutachten im Weinanbaugebiet Franken und die unterschiedlich hierzu ergangenen Urteile vor. Dr. Konrad beleuchtete diese Darlegungen von Dr. Hofmann aus rechtlicher Sicht und erklärte, warum bei den verschiedenen gerichtsanhängigen Fällen die Pachtpreisreduzierungen in unterschiedlicher Höhe vorgenommen wurden. Anders als erwartet wurde in diesen Urteilen trotz gleicher wirtschaftlicher Gegebenheiten dem schlechter wirtschaftenden Pächter vom Gericht eine höhere Pachtpreisreduzierung zugesprochen als dem wirtschaftlich erfolgreicheren Pächter. Hierdurch werde, so die einhellige Auffassung der teilnehmenden Sachverständigen, der besser wirtschaftende Winzer für sein gutes Wirtschaften gewissermaßen bestraft, der schlechter wirtschaftende dagegen belohnt. Bei einer beantragten Pachtpreisanpassung nach dem § 593 BGB sollte lediglich die Veränderung der objektiven wirtschaftlichen Verhältnisse maßgeblich sein und nicht die persönlichen Verhältnisse der Vertragsparteien. Es bleibe spannend abzuwarten, wie die Gerichte hier zukünftig den § 593 BGB auslegen und wie sie entscheiden werden.

In drei verschiedenen Workshops wurden am Nachmittag fachspezifische Themen vertieft. In Workshop 1 zum Thema Wertermittlungen aus der Sicht der Finanzverwaltung in den Bereichen Landwirtschaft und Weinbau zeigten Dieter Will und Guntram Bissantz (beide Oberfinanzdirektion Koblenz) die grundsätzlichen Anforderungen an Gutachten auf und unterschieden dabei nach Wertermittlungen bei Betriebsaufgaben und Wertermittlungen bei Entnahmen und Einlagen. Die Referenten verwiesen auf Besonderheiten bei der Wertermittlung landwirtschaftlicher Hofstellen bei unterschiedlichen Bewertungsanlässen und auf Besonderheiten bei Kaufpreisaufteilungen. Wie zu erwarten war, konnte dieser hochinteressante und am besten besuchte Workshop angesichts der sehr komplexen Thematik nicht alle Felder vollständig abdecken, weswegen bereits abgesprochen wurde, mit speziellen Bausachverständigen der OFD evtl. eine Folgeveranstaltung vorzusehen.

Im Workshop 2 Betriebswirtschaftliche Kennzahlenvergleiche und Benchmarking demonstrierte Dr. Bernd Wippel, Diplomvolkswirt und Diplomforstwirt aus Freiburg, Instrumente zur Beratung und Steuerung von Betrieben in Forst- und Landwirtschaft. Aus seinem Arbeitsfeld "Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente und Wirtschaftlichkeitsanalysen innerhalb der Öffentlichen Verwaltung im Rahmen von Gutachten, Workshops oder Schulungen” veranschaulichte der Referent betriebswirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten und Besonderheiten an Beispielen der erlebten Praxis seiner forstwirtschaftlichen Arbeitskreise. Benchmarking ist nach Dr. Wippel in der Betriebswirtschaft "ein systematischer und kontinuierlicher Prozess des Vergleichens von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen im eigenen Unternehmen sowie mit denen in fremden Unternehmen in qualitativer und/oder quantitativer Hinsicht." Alle Betriebe müssten jedoch ihre Daten auf den Tisch legen und gemeinsam analysieren, warum der eine in bestimmten Kennwerten besser ist als andere oder was ein anderer mit schlechteren Werten falsch macht. Analysiert werden hier vor allem Kosten und Erlöse. Der direkte Nutzen des Benchmarking bestehe in der systematischen Analyse des Unternehmens, dem Vergleich von Unternehmensbereichen und Unternehmen, der Definition von Bestleistungen, dem Erkennen von eigenen Stärken und Schwächen sowie dem Aufzeigen von Potenzialen. Daraus ergeben sich konkrete Hinweise auf praxisnahe, umsetzbare Verbesserungen und die Reduzierung von Unsicherheiten bei unternehmerischen Entscheidungen. Ein weitergehender indirekter Nutzen bestehe im Erzeugen von Verständnis für die eigenen Geschäftsabläufe, der Unterstützung bei der Festlegung von Unternehmenszielen, der Überprüfung der Unternehmensstrategien, der Initiierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses sowie der Überwachung der Unternehmensentwicklung.

Im Workshop 3 fragte Angelika Tiedtke-Crede, ö.b.v Sachverständige im Gartenbau bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und bundesweit anerkannte Expertin im Bereich des Gartenbaus, welche Bedeutung die Immobilienwertermittlungsverordnung in Bezug auf die Bewertung von Gehölzen und Grünanlagen hat. Anlass, das Thema aufzunehmen, waren Irritationen darüber, ob in der neuen Immobilienwertermittlungsverordnung die Wertrelevanz des Grüns sachgerecht erfasst wird. In der Rechtsprechung, so die Referentin, gilt, dass einem solchen Grün auf einer Immobilie, bestehend z.B. aus einem Haus, dem Grund und Boden und dem Garten, ein eigener zu ermittelnder Wert beizumessen ist. Eine solche Wertermittlung sei dann notwendig, wenn z.B. ein Teil dieses Grüns verloren geht (z.B. durch Zerstörung, durch Wegfall eines Grundstücksteils wg. Straße o.ä.). Nach der in der Rechtsprechung anerkannten Methode Koch ist von einem Sachverständigen die individuelle Funktion des Grüns auf dem gesamten Grundstück zu ermitteln und dieses über die Herstellungskosten für den Zeitraum, bis die erforderliche Ersatzpflanzung der Funktion des ursprünglichen Grüns entspricht, zu bewerten. Die vom Garten- und Landschaftsbau befürchtete Abwertung des Grüns bei Grundstücksbewertungen in der neuen Immobilienwertermittlungsverordnung ist, so das Fazit von Angelika Tiedtke-Crede, nicht gerechtfertigt. Es gebe materiell keine Änderung gegenüber der vorherigen ImmoWertV. In diesem speziell für die Garten- und Landschaftsbauer angebotenen Workshop wurde dieses schwierige Themengebiet von der Referentin in sehr anschaulicher Weise besprochen, wobei sie ihren großen Erfahrungsschatz unter Kenntnis der rechtlichen Gegebenheiten, basierend auf fundiertem Fachwissen und mit vielen praktischen Beispielen exzellent einbringen konnte.

Dr. Udo Sauer und Frieder Zimmermann, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz