Hauswirtschaft bietet ein vielfältiges Leistungsspektrum

Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz (LWK) lud zur landesweiten Fachtagung Hauswirtschaft nach Laubach in den Hunsrück ein. Rund 50 hauswirtschaftliche Fach- und Führungskräfte diskutierten über aktuelle Themen des Berufsfelds.

Gertrud Specht, LWK, stellte aktuelle Zahlen der Aus- und Weiterbildung vor. Sie warb für neue Auszubildende, denn es gibt noch freie Ausbildungsplätze in der Hauswirtschaft. „Die Kolleginnen der passgenauen Besetzung von Ausbildungsplätzen in den Grünen Berufen haben bei ihren Schulbesuchen festgestellt, dass Jugendliche kaum eine Vorstellung von der Vielseitigkeit der Hauswirtschaft haben. Hauswirtschaft entwickelt sich weiterhin zum Zweitberuf“, so lautet ihr Fazit. Die Lehrgänge zum Berufsabschluss auf dem zweiten Bildungsweg erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Lehrkräfte sind begeistert von der Leidenschaft, mit der die Teilnehmerinnen auf den Berufsabschluss hin lernen. Die Landwirtschaftskammer bietet ab Herbst Vorbereitungslehrgänge in Koblenz und Wittlich an. Anmeldungen sind noch möglich. 

Dajana Müller, LWK, gab einen  Überblick, wie die LWK den Beruf der Hauswirtschaft im letzten Jahr öffentlichkeitswirksam in den Blickpunkt gerückt hat. „Die Hauswirtschaft war ein Schwerpunkt der Grünen Woche Rheinland-Pfalz 2015. Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken besuchte den Ausbildungsbetrieb des Jahres. Das Weingut Hamm in Ingelheim wurde für die vorbildliche Ausbildung in der Hauswirtschaft ausgezeichnet. Ein Bild von der Weiterbildung zur Meisterin der Hauswirtschaft machte sich die Ministerin bei einem Besuch im Vorbereitungslehrgang in Wittlich. Einige Teilnehmerinnen stellten Ihre Meisterprojekte vor und demonstrierten dadurch die große Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten der Hauswirtschaft.“ Damit Kinder und Jugendliche eine Wertschätzung für Lebensmittel erhalten und erfahren, wo ihr Essen herkommt, hat die LWK in Kooperation mit der Landesregierung das Projekt „Lernort Bauernhof“  ins Leben gerufen. „Machen Sie in den Schulen Ihrer Kinder das Angebot bekannt und werben Sie dafür, dass der Bauernhof zum außerschulischen Lernort wird“, so Maria Caesar, LWK. „ Kinder und Jugendliche erhalten eine realistische Vorstellung von der Landwirtschaft, wenn sie nicht nur theoretische Inhalte lernen, sondern mit allen Sinnen auf einem Bauernhof lernen. Betriebe, die Lust haben, Lernort Bauernhof zu werden, sind willkommen.“  

Superfood – wirklich super? – Dieser Frage ging Ute Pötsch, Dienstleistungszentrum ländlicher Raum Westerwald-Osteifel, auf den Grund. Mit dem Modewort Superfood werden hochwertige Lebensmittel anderer Kulturen bezeichnet, die derzeit auf den deutschen Markt kommen. Durch gezieltes Marketing werden diesen Lebensmitteln besondere, meist nicht bewiesene Wirkungen zugeschreiben. Rechtlich zulässig sind hingegen nur solche Werbeaussagen, die auch tatsächlich zutreffen. Noch vor Kurzem waren Chiasamen,  Aronia-,  Açai- und Gojibeeren nahezu unbekannt. Heute werden diese Produkte in jedem Supermarkt angeboten. Ute Pötsch stellte diese Superfood eingehend aus ernährungswissenschaftlicher Sicht vor. Jedem Superfood stellte sie heimische Erzeugnisse gegenüber und verglich dabei Nährstoffe, Kaloriengehalt und Preise. „Wir haben zahlreiche heimische Lebensmittel, die eine mindestens ebenso günstige Nährstoffzusammensetzung haben wie diese Superfood. Vergleicht man dann auch noch die Preise, so wird schnell klar, dass Superfood auch Superpreise erzielen, “ so Ute Pötsch. „Aus den heimischen Lebensmitteln können Sie optimal und preisgünstig auswählen. Leinsamen ist beispielsweise eine Alternative zu Chiasamen. Er wird bei uns angebaut und ist geschrotet eine optimale Ergänzung zum Müsli.“  Im Anschluss an den Vortrag konnten die vorgestellten Superfood verkostet werden. „Jetzt habe ich  einen guten Überblick über das Marktangebot erhalten und kann diese Lebensmittel fachlich beurteilen. Beachtlich finde ich die enorm hohen Preise für Superfood. Da bieten unsere regionalen Lebensmittel wirklich eine gute Alternative, “ fasste eine Teilnehmerin ihre Eindrücke zusammen.

Interkulturelle Kompetenz 

In Zukunft werden zunehmend Mitarbeitende aus anderen Kulturräumen auch in hauswirtschaftlichen Betrieben beschäftigt sein. Somit stellt interkulturelle Kompetenz auch eine Schlüsselqualifikation für hauswirtschaftliche Fachkräfte dar. Die interkulturelle Trainerin Birgit Kapper-Wichtler rückte die arabisch-islamischen Lebenswelten in den Mittelpunkt und gab Denkanstöße für den interkulturellen Umgang miteinander: „Es geht darum, andere Kulturen zu verstehen. Dazu muss uns bewusst werden, wie sehr unsere eigene Kultur uns selbst prägt. Wir alle sehen die Welt durch die eigene kulturelle Brille.  Eine gute Beherrschung der Sprache allein reicht nicht aus. Wir benötigen gegenseitiges Wissen über die Kulturen.“ So gibt es ungeschriebene Regeln in jeder Kultur. In Deutschland spricht  man beispielsweise nicht über Geld. In den USA sieht das ganz anders aus. Jeder Mensch wächst von klein auf in die eigene Kultur hinein, ohne dass ihm das bewusst ist. Kultur erleichtert das Leben miteinander, weil sie alltägliches Wissen zum Verhalten und Umgang miteinander gibt. Wenn wir über Frühstück, Mittag- und Abendessen sprechen, haben wir konkrete Vorstellungen: Zum Frühstück gibt es Brot und Belag oder Müsli, das Mittag- oder Abendessen wird als warme Mahlzeit mit unterschiedlichen Komponenten eingenommen. Ein Asiat stellt sich hingegen bei allen drei Mahlzeiten eine warme Reisspeise vor. Wir meinen also das gleiche und sprechen über ganz etwas anderes. Alle Gesellschaften müssen die gleichen Probleme lösen: Wie ernähre und kleide ich mich? Wie erziehe ich die Kinder? Wie trauere ich? Die Lösungen sind je nach Kultur unterschiedlich. „Kultur ist Identität und kann nicht abgelegt werden! Wenn jemand in ein fremdes Land übersiedelt, so setzt er einen „zweiten kulturellen Rucksack“ auf!“, betonte Birgit Kapper-Wichtler. 

Umgang mit  Zeit und Raum

In Deutschland ist es wichtig, pünktlich zu einem Termin zu erscheinen. In Afrika ist eine Uhrzeit eine allgemeine Richtlinie. In Spanien kommt man rund eine bis anderthalb Stunden später als vereinbart. „Beruflich bin ich immer pünktlich, weil ich die Ansprüche kenne! In meiner Freizeit hingegen lebe ich nach dem Zeitgefühl, mit dem ich als Südamerikanerin aufgewachsen bin, “ unterstrich eine Teilnehmerin die Aussagen der Referentin. In Deutschland gibt es das ungeschriebene Gesetz, dass man eine Armlänge Abstand voneinander hält. Der in südlichen Ländern übliche kürzere Abstand wird von uns als aufdringlich empfunden.  

Der Islam beeinflusst das komplette Leben und ist ein Anker der Identität. 

Das wirkt sich auch auf Begrüßungsregeln aus. So dürfen strenggläubige Männer keinen Körperkontakt zu Frauen haben und geben ihnen daher nicht die Hand. Die Stellung der Frau entspricht nicht den Vorstellungen der westlichen Welt. Es gilt eine strikte Rollentrennung. Der Mann ist der Außenrepräsentant. Die Frau ist stark ans Haus gebunden. Zur Familie zählt neben der Großfamilie auch die weitere Verwandtschaft. Wir sollten uns aber mit pauschalen Urteilen zurück halten und Frauen mit Kopftuch nicht automatisch als unterdrückte Ausländerinnen ansehen. Es gibt zunehmend Frauen, die das Kopftuch als Ausdruck für ihre kulturelle Eigenständigkeit und als Schutz ihrer persönlichen Würde tragen. 

„Die Mehrheitskultur setzt sich immer durch. Das Erlernen der Regeln der für die Zuwanderer neuen Kultur erfordert Zeit. Interkulturelle Kompetenz hilft beim gegenseitigen Verstehen. Meist hilft das offene Ansprechen der unterschiedlichen kulturellen Gepflogenheiten, um Schwierigkeiten auszuräumen,“ ermunterte die Referentin dazu, aufeinander offen zuzugehen.