Forderungen der rheinland-pfälzischen Tierhalter

Präsident Schindler sieht viele Betriebe in ihrer Existenz bedroht und schreibt Forderungskatalog an rheinland-pfälzische Landesregierung

Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass die Tierproduktion ihren festen Platz in den Schlagzeilen gefunden hat, und das leider nicht in positiver Hinsicht. Aber die "Zustände" in der Tierproduktion können von den Landwirten schon viel länger nicht mehr hingenommen werden. Nutztierhalter in Rheinland-Pfalz sind mit politischen Entscheidungen und bürokratischen Hemmnissen konfrontiert, der die Nutztierhaltung auf vielfältige Weise erschwert und die Betriebsaufgabe häufig als einzigen „Ausweg“ erscheinen lässt.

Vor diesem Hintergrund erläutert Ökonomierat Norbert Schindler, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, in einem Schreiben an Ministerpräsidentin Malu Dreyer und die zuständigen Fachminister Dr. Volker Wissing und Ulrike Höfken die wichtigsten Problemstellungen und die entsprechenden Forderungen der Landwirtschaft erläutern. 

 

  1. Das Tiergesundheitsgesetz des Bundes ist seit 1.5.2014 in Kraft: Ein Ausführungsgesetz für Rheinland-Pfalz fehlt bis jetzt, während alle anderen Bundesländer ein solches schon vor Jahren erlassen haben. Das noch geltende Landestierseuchengesetz von 1986 ist seit langem dringend erneuerungsbedürftig, und insbesondere die Tierseuchenkasse ist zur überfälligen Neuausrichtung ihrer Verwaltungsfinanzierung darauf angewiesen, dass das Ausführungsgesetz endlich kommt.

  2. Die Tierkörperbeseitigung in Rheinland-Pfalz weist eine jährliche Kostensteigerung von ca. 10 % auf. Zahlreiche Anstrengungen von MUEEF und Vertretern von Landwirtschaft und Schlachtbetrieben haben kaum Einsparpotenziale aufzeigen können. Nun müssten die Kostenstrukturen der Tierkörperbeseitigung in Rheinland-Pfalz mit denen bei der Viehhaltung vergleichbaren, aber in der Tierkörperbeseitigung kostengünstigeren Bundesländern verglichen werden, um Kostensenkungsmöglichkeiten zu ergründen.

  3. Die Zahl der Schlachthöfe/Schlachtstätten nahm in den vergangenen 40 Jahren kontinuierlich ab. Davon betroffen sind größere, meldepflichtige Schlachtstätten, vor allem aber auch selbstschlachtende Metzger. Hohe Hygieneauflagen, die für eine „EU-Zulassung“ für alle  Schlachtstätten gefordert werden, aber auch steigende Kosten bei der Fleischbeschau und der Entsorgung der Konfiskate sind für Schlachtbetriebe mit kleineren Einheiten nicht zu erwirtschaften. Damit einher geht auch, dass kurze Transportwege bzw. kurze Transportzeiten in Rheinland-Pfalz nicht mehr zu realisieren sind. Aus Kostengründen funktionieren in Rheinland-Pfalz in erster Linie Sammeltransporte, die allerdings mit Transportzeiten von bis zu 8 Stunden (ab der Verladung des ersten Tieres auf dem Bauernhof, bis Entladung der Tiere bei der Schlachtstätte) den kürzeren von der Politik geforderten Transportzeiten (z.B. unter 4 Std.) entgegenstehen. Bei einer Umsetzung der 4-Stunden-Grenze werden in bestimmten Regionen in Rheinland-Pfalz keine Tiere mehr gehalten werden können.

    Die Zulassung kleinerer bzw. privater Schlacht- und Zerlegebetriebe ist aufgrund der hohen EU-Auflagen (Hygiene; getrennte Funktionsbereiche/ Schlachten/Zerlegen usw.) kaum noch möglich. Die gewünschte regionale Vermarktung ist dementsprechend kaum noch umzusetzen.

  4. Schlachtnebenkosten und Fleischbeschaugebühren sind von Kreis zu Kreis sehr unterschiedlich und stehen teilweise in keiner Relation mehr zum Schlachtkörper; wirtschaftlich lässt sich aktuell schon kein Lamm mehr regional in Rheinland-Pfalz vermarkten, weil die Käufer i.d.R. nicht bereit sind, einen Kilo-Preis zu bezahlen, in dem neben dem eigentlichen Erlös für den Landwirt auch noch die Kosten für Schlachtung, Schlachtkörper-/Fleischbeschau-Untersuchung und Konfiskat-Entsorgung mit eingerechnet werden.

  5. Ferkelkastration: Forderung nach gleichen Standards im QS-System für Schweine. Auch Schweine aus dem europäischen Ausland müssen die deutschen haltungsrechtlichen Anforderungen eins zu eins erfüllen. Es reicht nicht, wenn nur die  ausländischen Qualitätssicherungssysteme von der QS-GmbH grundsätzlich als „gleichwertig“ anerkannt sind. Das heißt,  auch dänische und niederländische Ferkel, die nach Deutschland importiert und dann für das QS-System zugelassen werden, müssen entsprechend der in Deutschland zugelassenen bzw. nur erlaubten Verfahren kastriert worden sein. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Benachteiligung der deutschen Schweinemäster, sondern auch um Transparenz gegenüber dem Verbraucher.
    (Anmerkung: In den Niederlanden ist die hierzulande nicht zugelassene CO2-Betäubung erlaubt. In Dänemark darf auch mit lokaler Betäubung kastriert werden (entspricht dem für Deutschland nicht erlaubten vierten Weg).

  6. Für die Ferkelkastration sind vom deutschen Gesetzgeber bestimmte Alternativen zugelassen (z.B. die Betäubung mit Isofluran). In Rheinland-Pfalz wurden bisher noch keine Lehrgänge zur Anwendung von Isofluran angeboten – aber ca. 50 Sauenhaltungsbetriebe aus RLP haben aktuell die Förderung der Anschaffung von Isofluran-Geräten bei der BLE beantragt.

  7. Der notwendige Neubau von Siloanlagen ist für die Landwirte in vielen Fällen alternativlos. Aktuell werden allerdings die Bewilligungsverfahren von der SGD verzögert oder behindert.

  8. Im Rahmen der Verbesserung z.B. von Tierwohl und Lagerkapazitäten werden investitionswillige Landwirte gebremst. Um eine zügigere Umsetzung der Maßnahmen zu erreichen, sollten Erleichterungen für Investitionen in den Bereichen Tierwohl und Lagerkapazitäten bedacht und  Bewilligungsverfahren verkürzt werden.

  9. Die Kreisveterinärämter gehen bei Stellungnahmen zu Bauanträgen mit unterschiedlichen Maßstäben vor. Vorgaben der Förderrichtlinien werden von einigen Kreisveterinären zusätzlich verschärft. Eine einheitliche Vorgehensweise unabhängig vom Landkreis muss angestrebt werden.

  10. Gleiches gilt in Bezug auf einheitliche Standards für die Tierhaltung: Die ganzjährige Außenhaltung von Mutterkühen oder von Schafen und Ziegen wird von einigen Veterinärämtern toleriert, andere Veterinärämter hingegen verlangen im Winter die grundsätzliche Stallhaltung. 

  11. Die Referenzkosten bei Baumaßnahmen beziehen sich derzeit auf eine Grundlage von 2014/2015. Bei einer Überschreitung der Kosten muss der bauwillige Landwirt ab dem Betrag von 3000 Euro drei Angebote für die Gewerke einholen. Diese Situation tritt durch die seit 2015 erheblich gestiegenen Kosten regelmäßig ein. Eine umgehende Aktualisierung der Referenzkosten ist notwendig.

  12. Einheitliche Standards für Tierwohl und Tiertransporte sind im gemeinsamen Markt der Europäischen Union eine Grundvoraussetzung sowohl für die produzierenden Landwirte als auch für die Gesellschaft. 

  13. Kleine Verbände oder Erzeugergemeinschaften bei Mutterkühen, Schafen und Ziegen, Damwild und auch Schweinen werden zu wenig unterstützt. Sie leisten einen wichtigen Beitrag und können mit großen Verbänden, wie sie z.B. in der Milchrinderhaltung gegeben sind, nicht konkurrieren, weil ihnen die wirtschaftlich bedeutenden Einnahmen aus dem Spermageschäft fehlen.

  14. Die von der Gesellschaft gewünschte Landwirtschaft mit Grünland und Weidehaltung kann nur mit der entsprechenden Tierhaltung verwirklicht werden.

  15. Der Strukturwandel ist in der Nutztierhaltung in RLP erheblich – die derzeitige Politik lässt allerdings erwarten, dass die Nutztierhaltung in RLP nicht mehr erwünscht ist.

Mit diesen grundlegenden und existenzbedrohenden Problemen ist die Tierproduktion in Rheinland-Pfalz konfrontiert. Mehr Regionalität kann zur Lösung beitragen und ist wohl von der Gesellschaft auch gewollt, sie muss aber auch ermöglicht werden.

Präsident Schindler fordert Ministerpräsidentin Malu Dreyer und die zuständigen Fachminister Dr. Wissing und Frau Höfken nachdrücklich auf, sich für praxisnahe und umgehende Lösungen einzusetzen und die Forderungen der Landwirtschaft zu thematisieren.