Faire Preise für gute Lebensmittel

Heute wurde die 54. Vollversammlung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz (LWK RLP) in der Kreisverwaltung Bad Kreuznach fortgesetzt. Im Fokus stand am zweiten Tag traditionell die Agrarpolitik. Dazu war der rheinland-pfälzische Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Dr. Volker Wissing, an die Nahe gekommen, um über die Perspektiven der Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz zu sprechen und sich den Fragen der Vollversammlungsmitglieder zu stellen. Außerdem ließ die Kammer durch den Vortrag von Josef Zolk den Urvater des Genossenschaftswesens, Friedrich Wilhelm Raiffeisen, besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden.

LWK-Präsident Ökonomierat Norbert Schindler ging in seiner Rede unter anderem auf den Flächenverbrauch ein. „In Rheinland-Pfalz wurde der Flächenverbrauch in den letzten zehn Jahren zwar reduziert. Das ist auch ein Schritt in die richtige Richtung. Es werden jedoch auch hier immer noch knapp 300 Hektar jährlich versiegelt. Das kann nicht das politische Ziel sein“, sagte Schindler. Ein Erfolg in diesem Bereich sei, dass die Stiftung Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz ab sofort bei der Erarbeitung des Biotopverfahrens eingebunden werde. „Das hat mir Staatssekretär Dr. Thomas Griese zugesagt, und ich hoffe, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt.“ Zudem hält Schindler eine stärkere Reglementierung des Bodenmarktes, insbesondere durch Anpassungen des Grundstücksverkehrsgesetzes in Rheinland-Pfalz für nötig. „Wir wollen das Gesetz ändern! Hierzu haben wir Ihnen, Herr Dr. Wissing, konkrete Vorschläge gemacht. Es ist bedauerlich, dass Sie auf unsere Vorschläge nicht eingehen möchten. Sie haben uns angeboten, lediglich kleine Änderungen auf dem Verordnungsweg vorzunehmen. Das reicht uns jedoch nicht!“ Auch brauche es bei aller Digitalisierung nach wie den persönlichen Kontakt zu kompetenten Beratern. Leider gebe es immer kompliziertere und aufwendigere Richtlinien und somit mehr Bürokratie und auf der anderen Seite immer weniger Mitarbeiter, etwa bei den Dienstleistungszentren Ländlicher Raum. Das passe nicht zusammen. Genauso wenig wie die Tatsache, dass das Land sich mit 1,8 Millionen Euro an neuen Hirtenwegen beteilige, sich aber aus der Finanzierung der Verbände, etwa beim Landesverband der Schaf- und Ziegenhalter, zurückziehe. 

Gewinnsituation der Betriebe muss verbessert werden
Minister Dr. Volker Wissing schnitt in seiner Rede eine breite Palette von Themen zu Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz an. Unter anderem sei es ihm wichtig, dass die Gewinnsituation der Betriebe verbessert werde: „Ich kämpfe für die Betriebe im ländlichen Raum. Der Anstieg der Betriebsgewinne muss das Ziel der Politik sein. Wir brauchen eine Investitionsbereitschaft, um dem Strukturwandel zu begegnen“, sagte der Minister. Das Land Rheinland-Pfalz stehe an der Seite der Landwirtschaft und unterstütze die Betriebe bei der Modernisierung und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. „Landwirte müssen auch von der allgemeinen positiven Wirtschaftsentwicklung profitieren. Eine Politik, die von der Landwirtschaft erwartet, immer mehr für Umwelt- und Klimaschutz zu leisten, jedoch gleichzeitig die finanziellen Mittel reduziert – das passt für mich nicht zusammen“, bemerkte Wissing mit Blick auf die EU-Verhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).  Ebenso wichtig sei ein Abbau von Bürokratie. „Ich möchte den ländlichen Raum stärken. Dafür stellt die Landesregierung vielfältige Instrumente zur Verfügung, von der Förderung der Infrastruktur über die Unterstützung bei der Digitalisierung bis hin zu einem umfangreichen Agrarumwelt- und Klimaschutzpaket“, teilte Wissing mit. Die auf EU-Ebene angestrebte Kürzung der Mittel in der 2. Säule von über 20 Prozent sei ein „fatales Signal für die Entwicklung unserer ländlichen Räume“, so der Minister. Zudem machte er deutlich, dass sein Ministerium die Digitalisierung weitervorantreiben wolle und werde. Zum Thema Pflanzenschutzmittel sagte Wissing: „Ich halte das Verbot von Neonicotinoiden für übertrieben. Wir brauchen auskömmliche Gewinne, und wir brauchen zuerst eine Alternative, bevor wir ein Pflanzenschutzmittel verbieten.“ Wissing nahm ebenso die Verbraucher in die Pflicht: „Die erhöhten Anforderungen der Gesellschaft an die Landwirtschaft müssen honoriert und mit fairen Preisen abgegolten werden.“
In der lebendig geführten Diskussion in Anschluss an die Rede nahm Wissing Stellung zu Fragen aus Bereichen Ferkelkastration, finanzielle Hilfen nach der Dürre für Bauern im Westerwald, Grundstücksverkehrsgesetz und Düngeverordnung. Walter Wolf, Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses der LWK RLP, sprach das Thema Umsatzsteuer an: „Die Kammer untersteht der Rechts- und Fachaufsicht Ihres Ministeriums, Herr Dr. Wissing. Sie genehmigen zusammen mit dem Finanzministerium seit Jahren unsere Jahresrechnung und die Haushaltspläne. Wie kann es sein, dass die Kammer rückwirkend bis 2010 Umsatzsteuer nachzahlen soll, wenn doch alles genehmigt war?“, fragte Wolf im Namen aller Vollversammlungsmitglieder. Hier fühle man sich von der Landesregierung alleingelassen und erwarte, dass sich die Politik für den Berufsstand einsetze. Wissing wies auf das Umsatzsteuergesetz und die Zuständigkeit der Finanzverwaltung hin. „Wir haben das aber im Blick und sind im Dialog. Wir haben dasselbe Ziel, nämlich dass auf eine rückwirkende Belastung verzichtet wird“, bekräftigte Wissing.

„Was einer allein nicht schafft …“
Landtagspräsident Hendrik Hering rief die Landwirte und Winzer in seinem Grußwort dazu auf, sich politisch zu engagieren. „Wir brauchen Sie in der Kommunal- und Landespolitik. Denn Sie können die fachlichen Inhalte am besten vermitteln. Hier ist Ihr Sachverstand gefragt.“ Also bringen Sie sich ein.“ Bettina Dickes, Landrätin des Landkreises Bad Kreuznach betonte ebenfalls, dass „viele Dinge in unserem Leben ohne Landwirte und Landfrauen nicht möglich wären“. „Das was Bauern und Winzer in unserem Land leisten, ist elementar und systemrelevant. Dafür danke ich Ihnen“, so Dickes. 
Zum Abschluss des Raiffeisenjahres hatte die Landwirtschaftskammer den ehemaligen Bürgermeister der Verbandsgemeinde Flammersfeld und Leiter des dortigen Raiffeisenhauses, Josef Zolk, eingeladen. Mit großem Wissen und seiner lebendigen Art ging Zolk in seinem Vortrag auf das Leben Friedrich Wilhelm Raiffeisens und dessen Genossenschaftsidee ein. „‚Was einer allein nicht allein schafft, das schaffen viele.‘, lautet das Grundprinzip Raiffeisens, das auch heute noch Bestand hat“, so Zolk. Wichtig sei dem 1818 in Hamm an der Sieg geborenen und in Weyerbusch und Flammersfeld als Bürgermeister tätigen Raiffeisen immer das Thema Bildung gewesen: „Unermüdlich hat er sich in seinem Aufgabenbereich dafür eingesetzt, dass Schulen besser werden, weil ihm sehr klar war – auch im Lichte der eigenen Biografie – dass Bildung die Voraussetzung für Zukunft ist“, erläuterte Zolk. Sicher sei es um 1850 und kurz danach nicht leicht gewesen, die Bauern davon zu überzeugen, dass Schule keine Zeitverschwendung sei. Trotzdem wurde Friedrich Wilhelm Raiffeisen nicht müde, die Bildung immer wieder in den Vordergrund zu stellen. Außerdem kämpfte er für eine gute Infrastruktur. Er sah den Straßenbau als Voraussetzung für Warentransport und die Wasserversorgung als Voraussetzung für gute Versorgung und auch Hygiene. „Wer Raiffeisen auf die Frage der Darlehnskassen-Vereine oder auf Genossenschaften reduziert, wird ihm nicht gerecht. Man muss die drei Säulen soziale Entwicklung, Bildung und Infrastruktur zusammen zu sehen, um das Raiffeisenbild abzurunden“, resümierte Josef Zolk.