Direktvermarktungsprodukte erobern Supermärkte

Zweifelsohne sind Hofläden die vorherrschende Verkaufsstelle für Produkte aus der Direktvermarktung. Doch immer mehr Betriebe erschließen sich neue Absatzwege, um die Hofladenvermarktung sinnvoll zu ergänzen. Da scheint der Trend, in dem regionale Produkte derzeit liegen und die auch in den Fokus des Lebensmittelhandels geraten sind, gerade recht. Nachfolgend werden diese Entwicklung beleuchtet und Chancen, aber auch Risiken und Grenzen dieses Absatzweges aufgezeigt.

Hofläden profitieren vom direkten Kundenkontakt

Hofläden sind die klassische Absatzform der Direktvermarktung. Nirgendwo besser kann der direkte Kontakt zwischen einem Erzeuger und seinen Kunden gepflegt und damit ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, als auf dem eigenen Betrieb. Bausteine, die dazu beitragen, sind:

  • der persönliche Kundenkontakt,
  • die Nähe zum Ort der Erzeugung,
  • die Qualität und Frische der Produkte,
  • das Ambiente im Hofladen,
  • das Einkaufserlebnis sowie
  • ergänzende Serviceangebote und die Kombination mit anderen Einkommensalternativen des Betriebes.

Das gute Gefühl, das der Kunde im Hofladen empfindet, wird in Kaufverhalten umgesetzt.

Megatrend Regionalität eröffnet neue Absatzwege

Doch bekanntermaßen ist das Absatzpotential von Hofläden in der Realität begrenzt. Hierfür gibt es vielfältige Ursachen, vor allem

  • ein ungünstiger Betriebsstandort / Verbraucherferne,
  • ein verändertes Verbraucher- und Einkaufsverhalten,
  • das verfügbares Warenangebot im Hofladen,
  • Hofladen mit Mängeln (organisatorische, optische ....) sowie
  • attraktive Alternativangebote des Handels.

Da liegt es auf der Hand, sich Gedanken über alternative Absatzwege zu machen. Schließlich ist der Megatrend "Regionalität" ungebrochen und hat sich allem Anschein nach weiter verstärkt. Liest man Fachveröffentlichungen des Lebensmittelhandels und der Ernährungswirtschaft, so ist dies derzeit ein Dauerthema. Doch welche Produkte verkörpern diese vom Verbraucher gewünschten, im Regelfall nicht immer an objektiven Produkteigenschaften festgemachten Kriterien der Regionalität besser als Erzeugnisse direkt vom Bauernhof- und Winzerhof? Eine Kooperation von Direktvermarktern mit dem Lebensmittelhandel, wo der Verbraucher seine täglichen Einkäufe tätigt, liegt nahe. Allerdings begegnen sich hier zwei Partner, die unterschiedlicher nicht sein können. Eine nachhaltige Zusammenarbeit wird es nur geben, wenn sich eine sogenannte "Win-Win-Situtation" für beide Seiten ergibt. Weder der Handel wird ein Regionalsortiment listen, ohne sich davon mehr Umsatz und einen Imagegewinn zu versprechen, noch der Direktvermarkter kann ohne positiven Gewinnbeitrag auskommen. Beide Seiten müssen voneinander lernen und bestimmte Zwänge akzeptieren. Geschieht dies nicht, wird sich die Vermarktung von Direktvermarktungsprodukten in den Handel auf wenige Ausnahmen und auf große Direktvermarkter beschränken, die teilweise bereits seit Jahren gelistet sind. Stattdessen wird im Handel der Begriff "Produkte aus der Region" häufig eine überstrapazierte Worthülse bleiben.

LANDMARKT-Projekt erfolgsversprechend gestartet

Im Januar 2011 startete das LANDMARKT-Projekt in Rheinland-Pfalz, dessen Verbreitung derzeit auf die Regionen Rheinhessen und den Naheraum begrenzt ist (= Einzugsgebiet der REWE-Verkaufsregion "Mitte"). LANDMARKT wurde seit 2005 von der Vereinigung der hessischen Direktvermarkter entwickelt und von dort aus mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer in Rheinland-Pfalz eingeführt. Bisher gibt es in unserer Region 10 REWE-Märkte mit LANDMARKT-Verkaufsbereichen, im August kommt ein weiterer hinzu. Je nach Größe des Marktes liefern etwa 10 bis 15 Direktvermarkter ihre Produkte im Streckengeschäft direkt an. Die Produkte behalten das betriebseigene Etikett, das um den "LANDMARKT-Gockel" als Erkennungszeichen ergänzt wird (per Siegelaufkleber oder direkt ins Etikett eingedruckt).

Kennzeichen einer LANDMARKT-Platzierung in einem Markt sind:

  • eigener, zentral gelegener und gekennzeichneter Verkaufsbereich mit Regalen für haltbare Produkte sowie Kühltruhen für Frischprodukte
  • Obst und Gemüse in OG-Abteilung
  • Betriebsportraits der Lieferanten, Deckenhänger und Truhenaufkleber
  • LANDMARKT-Hahn auf Produkten und Preisschildern
  • LANDMARKT-Fahne vor dem Markt

Die Auswahl der Lieferanten erfolgt im Zuge der Ausschreibung eines Marktes. Dazu werden alle lieferberechtigten Betriebe angeschrieben. Wollen mehrere Erzeuger mit dem gleichen Produkt liefern, so entscheidet die Entfernung des Betriebes zum Markt (Lokalprinzip). Bisherige Beschicker haben einen Bestandsschutz, wenn später neue Betriebe hinzukommen.

Nach den bisherigen Erfahrungen erzielen LANDMART-Lieferanten im Mittel ca. 70 000 € Umsatz pro Jahr und Markt (netto), wobei die Schwankungen erheblich sind. Anzumerken ist, dass die meisten Betriebe eine Belieferung mehrerer Märkte anstreben.

Ohne Vorleistungen geht es nicht

Wer LANDMARKT-Lieferant werden möchte, muss zunächst einige Vorleistungen erbringen, die teilweise hohe Kosten verursachen. Als direkte Kosten ergeben sich vor allem:

  • 70 € für Mitgliedschaft in der Vereinigung der Direktvermarkter Rheinland-Pfalz (VDRLP = Trägerorganisation für LANDMARKT in Rheinland-Pfalz)
  • ca. 300 €/Jahr für Zertifizierungen (teilweise auch deutlich höher, z.B. bei KAT-Zertifizierung für Legehennenbetriebe), bestehend aus folgenden Bereichen: § landwirtschaftliche Produktion (z.B. QS, KAT, Öko); § Hygieneaudit (bei Lieferung von Verarbeitungsprodukten); § LANDMARKT-Bedingungen (z.B. Nachweis der Eigenerzeugung und Direktvermarktung, Kennzeichnung der Produkte)
  • 60 € Anmeldegebühr plus fortlaufend 90 €/Jahr für EAN-Code (nur bei Beantragung über VDRLP, sonst deutlich höher)

Auf dieser Grundlage erfolgt eine formale Listung, für die entsprechende Unterlagen einzureichen sind (Listungsverfahren wird von der Trägervereinigung VDRLP, dessen Geschäftsführung die Landwirtschaftskammer wahrnimmt, unterstützt). Für die Listung fallen keine direkten Kosten an. Nach erfolgter Freigabe ist der Betrieb lieferberechtigt.

Neben den genannten Kosten sind teilweise weitere Ausgaben bzw. Anschaffungen notwendig, z.B. für eine mit dem Drucker zu verbindenden Waage, neue, für den Handel geeignete Produktverpackungen oder die Anschaffung eines geeigneten Lieferfahrzeuges und von Lieferbehältnissen. Auch der Aufwand (Zeit, Kosten) für das Bearbeiten der Bestellungen und das Ausliefern muss in Erwägung gezogen werden.

Chancen und Risiken abwägen

Was sollte man als Direktvermarkter von einem Absatz in den Handel halten und wie könnte ein Erzeuger reagieren, der von einem Handelsunternehmen angesprochen wird? Ob diese Vermarktung über LANDMARKT, eine andere Regionalvermarktungsinitiative oder in eigener Regie aus einzelbetrieblicher Sicht interessant ist, hängt vom konkreten Fall ab. Bei einer Belieferung sollte in jedem Fall eine allzu große Abhängigkeit von einem einzelnen Abnehmer vermieden werden. Wichtig ist es, sich vorab mit den Forderungen des Handels kritisch auseinander zu setzen (Lieferkonditionen, vereinbarte Spannen, Zahlungsmodalitäten, Liefervoraussetzungen z.B. geforderte Zertifizierungen, EAN-Code usw.). Da können schnell einige hundert Euro und mehr "zu viel" zusammenkommen. Auch die Lieferkonditionen sind teilweise extrem unterschiedlich. Somit ist eine pauschale Beurteilung oder Empfehlung, ob eine LEH-Belieferung sinnvoll ist, nicht möglich. Jeder Betrieb muss für sich Chancen und Risiken abwägen. Während sich nach unseren bisherigen Erfahrungen dieser Weg für einige Direktvermarkter lohnt, gilt dies für andere Lieferanten nicht.

In jedem Fall ist ein gemeinsames Agieren für die meisten Betriebe empfehlenswert. So ist uns derzeit kein Fall bekannt, wo Direktvermarkter bei eigener Kontaktaufnahme mit einem Handelsunternehmen bessere Konditionen erhalten, als dies bei einer Beteiligung am LANDMARKT-Projekt möglich ist. Hier ist man als Einzelner allerdings an die Liefervorgaben der Gruppen gebunden und kann nicht in Eigenregie handeln.

Ausblick für Rheinland-Pfalz

Die nächste Zeit wird zeigen, ob sich auch in Rheinland-Pfalz Direktvermarktungsprodukte im Handel etablieren werden. Erste Ansätze in Rheinhessen und im Naheraum sind vielversprechend, wenn auch nicht immer alles reibungs- und risikolos verläuft. Nach Hessen, Norddeutschland (Niedersachsen/Schleswig-Holstein) und Nordrhein-Westfalen gibt es auch in Rheinland-Pfalz seit November 2011 eine Landesvereinigung, die die Trägerschaft für das LANDMARKT-Projekt übernommen hat. Die Landesvereinigungen wollen u.a. ein gemeinsames Auftreten gegenüber dem Handel begleiten. Darüber hinaus wollen sie sich allgemein für die Förderung der Direktvermarktung einzusetzen, wobei sie offen für Betriebe aller Produkte und Produktionsrichtungen sind. Zudem wollen sich die Landesvereinigungen zukünftig überregional noch stärker vernetzen. Bezogen auf Rheinland-Pfalz und die Weiterentwicklung von LANDMARKT wird die VDRLP die Kontakte zu den REWE-Verkaufsregionen West und Südwest intensivieren. Ob bzw. wann es dort LANDMARKT geben wird, ist derzeit schwer abschätzbar. Dies hängt vor allem von der Kooperationsbereitschaft der Handelspartner ab. Um allen interessierten Direktvermarktern, die LANDMARKT bislang nicht kennen, dieses Vermarktungsprojekt in der Praxis zu zeigen, findet am 17. Juli 2012 eine Besichtigungsfahrt zu zwei Standorten in Rheinhessen statt. Nähere Auskünfte erhalten Sie hier: Tel.: 0671/793-1153 oder E-Mail: EA(at)lwk-rlp.de.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Absatzmöglichkeit von Direktvermarktungsprodukten in den Handel ausreichend kritisch betrachten werden sollten. Dennoch ist darin eine Chance für eine Reihe von Betrieben zu sehen, die damit ihre Hofladenvermarktung sinnvoll ergänzen können und gleichzeitig einen Imagegewinn für die gesamte heimische Landwirtschaft leisten.

Dr. Elisabeth Seemer, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz