Das Verfahren beim Wildschadensersatz

Der Ersatz von Wildschäden in der Landwirtschaft stellt ein bereits jahrhundertealtes Streitthema zwischen den geschädigten Landwirten und den Jagdverantwortlichen dar.

Die Wurzel des Konfliktes liegt in der regelmäßigen Trennung von Grundstücksnutzung und Ausübung der Jagd in gemeinschaftlichen Jagdbezirken. Zwar erhalten zumindest die Grundeigentümer als Gegenleistung für die fremde Jagdausübung auf ihren Grundstück einen Anteil am Jagderlös, welcher sich nach der Grundstücksgröße bemisst (§ 12 Abs. 2 LJG). Dieser sog. Auskehranspruch gegen die Jagdgenossenschaft ist jedoch aus zwei Gründen nicht dazu geeignet, auch Wildschäden angemessen zu kompensieren:

Erstens hat die Wildschadensbetroffenheit nichts mit der Flächengröße zu tun, so dass es durchaus vorkommen kann, dass Eigentümer (vieler) großer Flächen nur wenige Wildschäden zu beklagen haben, wogegen kleinere Flächeneigentümer häufige und intensive Schädigungen hinnehmen müssen.

Zweitens ist der Flächeneigentümer in 2/3 der Fälle nicht gleichzeitig der Bewirtschafter, so dass der Bewirtschafter als Geschädigter nicht am Jagderlös partizipiert.

Aus diesen Gründen muss der Wildschaden unabhängig von der Jagdpacht ausglichen werden, sei es durch die Jagdgenossenschaft oder sei es durch den Jagdpächter als Leistung neben der Jagdpacht.

 

Wildschäden weisen gegenüber anderen ersatzpflichtigen Schädigungen die Besonderheit auf, in der Regel nur über einen begrenzten Zeitraum sicher als solche feststellbar zu sein. Die erste Unsicherheit ergibt sich bereits daraus, dass lediglich Schäden ganz bestimmter Wildarten (§ 39 Abs. 1 LJG: Schalenwild, Wildkaninchen und Fasanen) ersatzpflichtig sind. Weiterhin können Witterungseinflüsse und die fortgesetzte Vegetation das Schadbild verwischen und so die Schadensfeststellung erschweren bzw. unmöglich machen. Diese Unsicherheit geht nach allgemeinen Grundsätzen zu Lasten des Geschädigten, ist also nicht sicher feststellbar, ob ein ersatzpflichtiger Wildschaden vorliegt, wird der Schaden auch nicht ersetzt. Daher sieht das Recht des Wildschadensersatzes eine Reihe von Besonderheiten vor, die vor allem vom Geschädigten zu beachten sind, wenn er Ersatz begehrt. Diese Regelungen, die nachfolgend erläutert werden, dienen in der Regel einer sachgerechten und zeitnahen Aufarbeitung. Sie sollen nicht den geschädigten Landwirt gängeln, sondern zu mehr Rechtssicherheit in einer komplexen rechtlichen Materie führen. 

Anmeldefrist und Feststellungsverfahren als Beweissicherungsmittel

Wegen der beschriebenen allgemeinen Eilbedürftigkeit der Schadensfeststellung in Wildschadenssachen sieht das Gesetz (§ 43 LJG) sowohl eine Anmeldefrist, nach deren Verstreichen der Ersatzanspruch ausgeschlossen ist, als auch ein offizielles Feststellungsverfahren vor. Zuständige Behörden zur Entgegennahme der Wildschadensanmeldungen, wie auch für die Durchführung des Feststellungsverfahrens, sind die örtlichen Verbandsgemeindeverwaltungen, Stadtverwaltungen kreisfreier oder großer kreisangehöriger Städte oder Gemeindeverwaltungen verbandsfreier Gemeinden.

 

Kontrollobliegenheit bei bereits betroffenen Flächen

Die Anmeldefrist beträgt eine Woche und beginnt mit der Entdeckung des Schadens bzw. dem Zeitpunkt, zu dem der Geschädigte den Schaden bei gehöriger Sorgfalt hätte entdecken müssen. Einen in der Praxis sehr häufigen Streitpunkt bildet die Bestimmung des richtigen Maßstabes der "gehörigen Sorgfalt". Zu der sich daraus ergebenden Obliegenheit von Landwirten, ihre Flächen regelmäßig auf Wildschäden zu kontrollieren, hat vor nicht langer Zeit der Bundesgerichtshof (BGH) Stellung genommen (Urt. v. 15.4.2010 – III ZR 216/09). Im Ergebnis sei es Sache des Tatrichters, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schadensträchtigkeit der jeweiligen Felder, zu bestimmen, ob der Geschädigte seine Kontrollobliegenheit erfüllt hat. Hierbei dürfe die Durchsetzung von Ersatzansprüchen aber nicht durch wirtschaftlich unvernünftige Kontrollvorgaben nahezu unmöglich gemacht werden. Mit anderen Worten: Je häufiger Wildschäden auf einer bestimmten Fläche aufgetreten sind, desto häufiger müssen diese Felder kontrolliert werden. Diese Kontrollvorgaben dürfen aber nicht so weit gehen, dass ein wirtschaftlich denkender Landwirt lieber auf seinen Wildschadensersatz verzichtet, als den Vorgaben nachzukommen.

Es wäre im Sinne der Rechtssicherheit wünschenswert gewesen, dass sich der BGH etwas konkreter zu den Kontrollintervallen geäußert hätte. So bleibt es Sache der Amtsgerichte, in jedem Einzelfall die Kontrollvorgabe zu bestimmen. Ein wöchentlicher Kontrollrhythmus – wie immer wieder von Seiten der Ersatzpflichtigen behauptet – dürfte jedoch im Hinblick auf die heutzutage üblichen Betriebsgrößen kaum zu erfüllen sein. Die Aussage des höchsten Zivilgerichts zur wirtschaftlichen Vernunft sollte vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der aktuellen Wildschadenssituation allzu kurze Kontrollintervalle ausschließen. 

Jeder Schadensfall löst die Anmeldeverpflichtung von neuem aus

Jeder einzelne Schadensfall löst die Anmeldeverpflichtung von neuem aus. Allerdings überlässt es der BGH neuerdings auch hier dem Tatrichter, in besonderen Einzelfällen Ausnahmen zuzulassen, so dass eine fortlaufende Nachmeldung sich wiederholender Schadensfälle entbehrlich ist. Der hierbei zugrunde liegende Einzelfall fortgesetzter Schwarzwildschäden in einem Maisschlag zwischen Milchreife und Ernte war durch drei entscheidende Kriterien gekennzeichnet, die sich möglicherweise für die Zukunft verallgemeinern lassen:

-       die Folgeschäden bezogen sich auf dieselben Flächen, auf denen bereits Schäden durch dieselbe Wildart angemeldet worden waren,

-       Geschädigter, Ersatzpflichtiger und zuständige Behörde haben innerhalb einer zeitlich absehbaren und begrenzten Phase exakt diese Folgeschäden als Schadensvertiefung erwartet,

-       die Behörde hat gerade wegen der zu erwartenden Schadensvertiefung den Ortstermin zur Schadensfeststellung erst zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt.

Eine Situation, die gleichermaßen diesen Kriterien entsprechen kann, ist die fortgesetzte Schädigung von Grünland durch Schwarzwild innerhalb der Vegetationsruhe. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Zeitraum möglicher Schadensvertiefungen in diesem Fall deutlich länger ist, als in dem vom BGH entschiedenen Fall, so dass auch die Gefahr von – insbesondere witterungsbedingten – Beweisverlusten ungleich größer ist. Gleichzeitig ist bisher noch offen, ob die Gleichartigkeit dieser Situation mit dem BGH-Fall auch von den zuständigen Behörden und den Gerichten gesehen wird, so dass es weiterhin zu empfehlen ist, auch die Vergrößerung der Schadfläche oder eine erneute – tiefere – Schädigung auf derselben Fläche bis zum Ortstermin fortlaufend zu melden.

 

Angemeldete Schäden müssen klar definiert sein

Die gesetzlichen Vorschriften stellen keine besonderen Anforderungen an die Form der Anmeldung. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es jedoch ratsam, die Anmeldung entweder schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde vorzunehmen.

Aus dem Umstand, dass grundsätzlich jeder einzelne Schadensfall rechtzeitig angemeldet werden muss, ergeben sich bestimmte inhaltliche Mindestanforderungen der Anmeldung. Der Schadensfall muss sowohl hinsichtlich seiner genauen örtlichen Lage (Schlag, Grundstücksparzellen) als auch den Zeitpunkt seiner Entdeckung betreffend genau bestimmt sein. Mehrere zeitlich auseinanderfallende Schadensfälle auf derselben Grundfläche müssen hinreichend voneinander abgrenzbar sein.

Behördliches Feststellungsverfahren, wenn einvernehmliche Regelung scheitert

Nach der Anmeldung des Wildschadens hat der Geschädigte eine (weitere) Woche Zeit, mit dem Ersatzpflichtigen eine einvernehmliche Regelung zu suchen. Gelingt dies nicht – aus welchen Gründen auch immer – muss der Geschädigte dies der Behörde innerhalb dieser Woche mitteilen. Erst im Zuge dieser zweiten Mitteilung muss er auch ungefähre Angaben zur Schadenshöhe machen. Die Behörde beraumt dann unverzüglich einen Ortstermin an, zu dem neben dem Geschädigten, der Ersatzpflichtige und ein Wildschadensschätzer zu laden sind. Der Ortstermin muss nicht unbedingt zeitnah anberaumt werden. Insoweit heißt "unverzüglich": so rechtzeitig, dass Beweisverluste nicht zu befürchten sind. Insbesondere wenn die Schadensursache (z.B. Schalenwild) zwischen den Beteiligten unstreitig feststeht und eine Schadensvertiefung durch dieselbe Wildart auf derselben Fläche zu erwarten ist, kann der Ortstermin – auf Wunsch der Beteiligten - auch an einem deutlich nach der Schadensanmeldung liegenden Zeitpunkt stattfinden. 

Jagdgenossenschaft ist in jedem Fall zu beteiligen

In der Praxis ist es sehr häufig zu beobachten, dass im Falle der Übernahme des Wildschadensersatzes durch einen Jagdpächter nur dieser und nicht auch ein Vertreter der Jagdgenossenschaft zu dem Ortstermin eingeladen wird. Dabei wird verkannt, dass die Jagdgenossenschaft, auch im Falle einer Übernahme des Wildschadensersatzes durch den Jagdpächter, stets für den Wildschaden haftet, wenn der Ersatz von dem Jagdpächter nicht zu erlangen ist. Ist die Jagdgenossenschaft in diesem Fall nicht ordnungsgemäß an dem behördlichen Feststellungsverfahren beteiligt worden, kann der Wildschadensersatzanspruch ihr gegenüber nachfolgend nicht erfolgreich gerichtlich geltend gemacht werden, weil das Feststellungsverfahren hierfür Prozessvoraussetzung ist. Die Jagdgenossenschaft sollte daher von vornherein immer, zumindest aber bei Fällen, in denen eine streitige Wildschadensregulierung erwartet wird oder es sich um hohe Schäden handeln, mit einbezogen werden, auch wenn dadurch der Aufwand für die Jagdgenossenschaft selbst größer wird. 

Der Ortstermin beginnt mit einem Versuch der gütlichen Einigung, der voraussetzt, dass nun auch der Ersatzpflichtige Angaben dazu macht, ob und in welcher Höhe er zum Ausgleich des Wildschadens bereit ist. Kommt daraufhin eine gütliche Einigung zustande, ist darüber eine Niederschrift aufzunehmen und von allen Beteiligten zu unterzeichnen. Scheitert der Einigungsversuch, so stellt der Wildschadensschätzer den entstandenen Schaden fest. Die Behörde erlässt aufgrund dieser Feststellung und unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Verhandlungen einen schriftlichen Vorbescheid, der neben der Höhe des zu ersetzenden Wildschadens auch die Kostenverteilung regelt.

Gegen diesen Vorbescheid kann sowohl der Geschädigte als auch der Ersatzpflichtige innerhalb eines Monats Klage vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht erheben. Unterbleibt eine Klage, wird der Vorbescheid bestandskräftig und aus ihm kann in der Regel ohne großen zusätzlichen Aufwand sogar vollstreckt werden. 

Wildschadensschätzer haben wichtige Funktion

Die amtlichen Wildschadensschätzer spielen innerhalb des Feststellungsverfahrens eine zentrale und verantwortungsvolle Rolle. Sie sollen die der Behörde zur Schadensermittlung regelmäßig fehlenden Fachkenntnisse kompensieren und sichern als dauerhafte Institution die zügige und kostengünstige Verfahrensabwicklung.

Die gesetzlichen Vorschriften sehen vor, dass die untere Jagdbehörde für jede Verbandsgemeinde oder verbandsfreie Gemeinde (bzw. Stadt) mindestens einen Wildschadensschätzer und einen Stellvertreter bestellt. 

Kostenverteilung nach Obsiegens-/Unterliegensanteilen

Die für das Vorverfahren zu erhebenden Kosten (je nach Aufwand und Schadenshöhe ab 100 EUR aufwärts) werden dem Geschädigten und dem Ersatzpflichtigen entsprechend dem Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens auferlegt. Hierfür ist entscheidend, in welcher Höhe der Geschädigte den Schaden zunächst angegeben hatte und in welcher Höhe der Ersatzpflichtige zur Schadensbegleichung bereit war. Diese beiden Werte werden mit dem von dem Wildschadensschätzer festgestellten Schaden ins Verhältnis gesetzt. Hatte der Geschädigte den Schaden also mit 500 EUR angegeben und der Ersatzpflichtige war lediglich bereit 100 EUR zu zahlen, so fällt bei einem festgestellten Schaden von 400 EUR das Verhältnis 100 zu 300 aus, folglich 1:3 oder ¼ zu ¾. In Obsiegens- bzw. Unterliegensanteilen ausgedrückt ist nämlich der Geschädigte mit 100 EUR unterlegen, da er diesen Betrag weniger erhält als ursprünglich angegeben – gleichzeitig hat er 300 EUR mehr erhalten als der Ersatzpflichtige zahlen wollte, hat also insoweit obsiegt. Umgekehrt ist der Ersatzpflichtige mit 300 EUR unterlegen, hat aber gemessen an der Forderung des Geschädigten mit 100 EUR obsiegt. Der geschädigte Landwirt trägt in diesem Falle also ¼ der Verfahrenskosten selbst. Aufgrund dieses Risikos ist der Landwirt gut beraten, bei der Angabe der Schadenshöhe realistische Maßstäbe anzulegen.

Landwirtschaftskammer bietet Musterformulare

Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz hat sowohl für die Wildschadensanmeldung als auch für das Feststellungsverfahren verschiedene Formulare entwickelt, die hier >>> zum Herunterladen zur Verfügung stehen. An gleicher Stelle finden sich auch die jeweils aktuellen Richtsätze zur Ermittlung von Wildschäden an verschiedenen landwirtschaftlichen Kulturen.

 

Dr. Holger Konrad, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz