Bleibt Rheinland-Pfalz ein Braugerstenland?

Die Braugerste, die in der Vergangenheit vielfach die Anbauplanung der Betriebe bestimmt und entscheidend zur Sicherung der Einkommen der Landwirte beigetragen hat, ist auf dem besten Weg sich zu einer Nischenkultur zu entwickeln.

So ist nach der Tabelle 1 (siehe am Textende) ihre Anbaufläche in Rheinland-Pfalz von 79.000 Hektar 2003 auf 44.500 Hektar 2011 um 44 Prozent zurückgegangen. Dieser Wert liegt zwar im Bundestrend, ist aber nur mit einer marktkonformen Reaktion auf den Rückgang des Bierkonsums in dieser Zeitspanne nicht zu erklären. Positiv entwickelt haben sich die Anbauflächen von Winterweizen, Raps und Silomais.

Neben dem Rückgang der Anbaufläche hat, wie ebenfalls aus der Tabelle 1 (siehe am Textende) zu entnehmen, auch eine regionale Verschiebung im Anbau stattgefunden. Standen 2003 noch 74 Prozent der Braugersten in Rheinland-Nassau und der Pfalz, waren es 2010 nur noch 63 Prozent.

Eine Ursache für die Verlagerung des Braugerstenanbaus in das Frühdruschgebiet ist nach der Tabelle 2 (siehe am Textende) in dem höheren Ertragsniveau der Kultur in Rheinhessen und die etwas geringere Ertragsdifferenz von Weizen zu Braugerste in dieser Region zu sehen.

Bis auf den Ausreißer in der Vollgerste 2006 ist, wie aus der Tabelle 3 (siehe am Textende) zu entnehmen, auch das an Vollgersten-, Eiweiß- und Feuchtegehalt orientierte Marktwarenrisiko in dem Frühdruschgebiet etwas geringer.

Insgesamt ist aber gerade dieses Marktwarenrisiko, wie die Abweichungen vom Mittelwert in den letzten neun Jahren zeigen, deutlich höher als beim Weizen, wo die Mindestanforderungen beim Eiweiß und dem Sedimentationswert in diesem Zeitraum immer und bei der Fallzahl zu 80 Prozent erfüllt wurden.

Mit einer Preisdifferenz nach der Tabelle 4 (siehe am Textende) von durchschnittlich 1,48 Euro/dt in den letzten 9 Jahren von Weizen zu Braugerste zu Gunsten der Braugerste ist nach der Bewertung der Landwirte dieses hohe Anbau- und Marktwarenrisiko nicht ausgeglichen. Verstärkt wird diese ungünstige Position der Braugerste noch durch die Differenz vom Braugersten- zum Futtergerstenpreis von durchschnittlich 2,81 Euro/dt und von Qualitäts- und Brotweizen zu Futterweizen von nur 0,95 Euro/dt. Dies reduziert zusätzlich das Marktwarenrisiko beim Weizenanbau gegenüber der Braugerste.

Angesichts der wegen der hohen Eiweißgehalte von 12.6 Prozent im Mittel entstandenen Probleme mit der Vermarktung der letztjährigen Ernte stellt sich für die Landwirte zusätzlich die Frage, ob der Abschluss von Kontrakten das Vermarktungsrisiko noch verschärft oder ob die Differenz von Kontraktpreisen zu Preisen der Freien Ware ein Risikoausgleich bedeutet.

Nach den Markt- und Preisberichten der Landwirtschafskammer Rheinland-Pfalz lag in den Jahren 2003 bis 2011 der durchschnittliche Preis für Braugerste in der Ernte frei Lager bei 14,84 €/dt. Für Vorkontrakte wurden in diesem Zeitraum im Mittel 14,66 Euro/dt gezahlt.

Stark beeinflusst wurde allerdings dieser Durchschnittspreis von der Differenz der freien Ware zu kontraktierter Ware im Jahre 2007 von 5,53 €/dt zu Lasten der Kontraktware. Ohne dieses Jahr mit den extremen Preisausschlägen in und nach der Ernte ergibt sich in den letzten neun Jahren ein Preisvorteil von 0,56 Euro/dt für die Kontraktware. Ein Wert, der bei den derzeitigen Abschlägen bei Minderqualitäten und den etwaigen Verpflichtungen zu Deckungskäufen nicht unbedingt für den Abschluss von Verträgen spricht.

Betrachtet man nur den Zeitraum von 2008 bis 2011, so ergibt sich ein Durchschnittspreis von 17,02 Euro/dt für die freie Ware. Die Kontaktpreise lagen in dieser Zeit bei durchschnittlich 15,31 Euro/dt im Minimum und durchschnittlich 21,58 Euro/dt im Maximum. Dies bedeutet, dass orientiert am Durchschnittspreis für die freie Ware Verluste von 1,71 Euro/dt und Gewinne von 4,56 Euro/dt im Raume standen.

Bei einer Vermarktung der Ernte in drei gleichen Segmenten etwa zum Ernte-, Minimumkontrakt- und Maximumkontraktpreis hätte sich von 2008 bis 2011 ein Durchschnittspreis von 17,97 Euro ergeben. Dieser Preis lag 0,95 Euro über dem durchschnittlichen Erntepreis in dieser Zeitspanne.

Insgesamt also eine Situation, die die Chancen und Risiken von volatilen Preisen und Vermarktungsstrategien noch einmal deutlich macht.

Wenngleich es diese Verhältnisse nicht nur bei der Braugerste sondern auch bei Weizen und Raps seit Jahren gibt, sollte die Branche größte Anstrengungen unternehmen, über eine Neugestaltung der Verträge das Anbau- und Vermarktungsrisiko auf die gesamte Wertschöpfungskette zu verteilen. Wenn das Risiko, wie bisher, primär bei den Landwirten bleibt, muss es dauerhaft und kontinuierlich über entsprechend hohe Prämien gegenüber dem Weizenpreis abgegolten werden.

Nur dann wird die Braugerste ihren Platz in der Anbauplanung der Betriebe behalten und nicht zur unbedeutenden Nischenkultur mit negativen Folgen für die Rohstoffversorgung, die Nährstoffbilanzen, die Fruchtfolgen und das Resistenzmanagement werden.

Die jetzigen Notierungen von 24,00 Euro/dt Braugerste und der Abstand zum Weizenpreis von ~ 5 Euro/dt sollten Anlass genug sein, den Kontakt zu den Marktpartnern zu suchen. Entschieden werden sollte aber auf der Basis der betriebsspezifischen Produktionskosten sowie der Abwägung der Risiken, die aus den Rahmenbedingungen der Verträge entstehen können.

<media 93769>Hier finden Sie die entsprechenden Tabellen</media>

Manfred Schnorbach, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz