Ausbildung an Anforderungen der Arbeitswelt anpassen

Mit qualitätsverbessernden Maßnahmen für Ausbilder und Prüfer will die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz die Ausbildung in den sogenannte Grünen Berufen aufwerten.

Durch die Qualifikationen soll die Attraktivität einer Ausbildung in diesem Bereich hoch gehalten, die Abbrecherquote weiter gesenkt sowie Ausbildungsgänge und Prüfungsinhalte immer wieder an die steigenden Anforderungen der Arbeitswelt angepasst werden.

Zwar liegt die Zahl der für das laufende Ausbildungsjahr mit der Kammer neu abgeschlossenen Lehrverträge mit 694 nur geringfügig unter der entsprechenden Vorjahreszahl (699), dennoch zeigt die Entwicklung der letzten fünf Jahre einen leichten aber konstanten Abwärtstrend. Die verschiedenen Bereiche der Agrarwirtschaft sind aber nach Einschätzung der Kammer auf gut ausgebildeten Berufsnachwuchs mehr denn je angewiesen. Von den rd. 19.500 Betrieben in Rheinland-Pfalz sind in knapp 13.800 (über 70 Prozent) die Inhaber 45 Jahre und älter. Bei mehr als 11.000 Betrieben ist die Hofnachfolge noch ungewiss. Landwirtschaft, Garten- und Weinbau benötigen nach Einschätzung der Kammer aber nicht nur qualifizierte Hofnachfolger, sondern genauso qualifizierte Mitarbeiter. Da die Betriebe infolge des strukturellen Wandels immer größer würden, sei das Arbeitsvolumen immer weniger von Betriebsleiter und Familienangehörigen allein zu bewältigen. Die durchschnittliche Betriebsgröße ist bei Haupterwerbsbetrieben in den letzten zehn Jahren von 35,5 ha auf 48 ha gestiegen, ein Plus von über 35 Prozent mit steigender Tendenz.

Während der berufliche Bedarf an künftigen Betriebsleitern und Mitarbeitern also steigt, nimmt das Reservoir des potenziellen Nachwuchses weiter ab. Die demographisch bedingt sinkenden Zahlen von Schulabgängern und Ausbildungsplatzbewerbern werden in den nächsten Jahren sowohl die Betriebsnachfolge als auch das Gewinnen von Fachkräften noch einmal erschweren. Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz verzeichnet bereits seit vier Jahren einen Rückgang der Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge und eine geringere Zahl an Ausbildungsverhältnissen insgesamt in den zur Ausbildung angebotenen 14 Grünen Berufen. Zwar schwächte sich der negative Trend des Vorjahres mit 82 Jugendlichen weniger in Ausbildungs­betrieben und Berufsschulen zum laufenden Jahr mit nur fünf weniger wieder ab. Um die Betriebe zukunftsfähig zu machen, müssten jedoch deutlich mehr Jugendliche für die Grünen Berufe gewonnen werden.

Ausbildungsjahr

Neue Ausbildungsverträge

Auszubildende insgesamt

2007/2008

803

2.070

2008/2009

810

2.135

2009/2010

759

2.080

2010/2011

781

2.010

2011/2012

699

1.971

2012/2013

694

1.947

 

Die Zahl der vor dem Ausbildungsabschluss gelösten Verträge sank innerhalb der Grünen Berufe zwar von 12,5 Prozent (2011) auf 10,2 Prozent (2012) und liegt damit deutlich unter den Abbrecherquoten in anderen Wirtschaftsbereichen und unter der der vom Bundesbildungsministerium genannten allgemeinen Abbrecherquote von fast 25 Prozent. Dennoch betrachtet die Kammer jeden Ausbildungsabbruch als verschwendetes Potenzial. Der bis zum Abbruch investierte Aufwand an Arbeit und Geld sei verloren, und der Abbrecher selbst stehe, sofern er nicht schnell eine Alternative finde, vor einer ganz schwierigen beruflichen Perspektive. Laut Bundesbildungsministerium wechselt nur die Hälfte der Abbrecher in eine andere Ausbildung, während die andere Hälfte ohne Abschluss bleibt. Um Abbrüche zu verhindern, dürfen nach Einschätzung der Landwirtschaftskammer jedoch nicht das Leistungsniveau oder die Prüfungsstandards abgesenkt werden, weil dies im Hinblick auf steigenden Anforderungen an Betriebsleiter und Fachkräfte kontraproduktiv wäre. Vielmehr gelte es, für eine umfassende Aufklärung der jungen Leute über die anspruchsvollen Ausbildungsinhalte und -abläufe vor Beginn der Ausbildung, möglichst noch während des letzten Schuljahres zu sorgen.

 Die Kammer reagiert auf diese Entwicklungen mit einer intensiven Informations- und Beratungsoffensive, mit der die vielfältigen und aussichtsreichen Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für Landwirte, Winzer, Gärtner oder Hauswirtschafterinnen, aber auch  eine realistische Darstellung der Ausbildung und ihrer Anforderungen an Schulen und Schüler heran getragen werden. Schließlich sollen Auszubildende möglichst passgenau in bereit stehende Ausbildungsgänge und Ausbildungsbetriebe vermittelt werden. Die Ausbildung selbst soll darüber hinaus noch attraktiver, noch praxisorientierter gestaltet und pädagogisch optimiert werden. Dazu bietet die Kammer Ausbildern und Prüfern entsprechende Fortbildungen an.

1.947 Auszubildende zählt die Landwirtschaftskammer aktuell in ihrem Zuständigkeitsbe­reich, 24 Auszubildende oder 1,2 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Für das laufende Jahr wurden 694 Lehrverträge neu und damit 5 Verträge oder 0,7 Prozent weniger abgeschlossen als im Jahr davor. Die Kammer hofft, die Zahl der Ausbildungsabbrüche weiter niedrig halten zu können.

Mit 101 neuen Ausbildungsverträgen für den Beruf Landwirt wurde die Vorjahreszahl (88) deutlich übertroffen, mit 18 Prozent die stärkste Zunahme von allen Ausbildungsberufen. Positiv sind die Zahlen bei den Winzern (200, plus 14 Prozent), während sich die Zahlen in den übrigen Ausbildungsberufen knapp behaupten konnten. Allein bei den Gärtnern (201) fällt ein Minus von 32 (14 Prozent) auf. 175 Auszubildende im ersten Lehrjahr verfügen über Abitur oder Fachhochschulreife und absolvieren daher eine auf zwei Jahre verkürzte Ausbildung. Auffällig hoch mit 50 Prozent ist deren Anteil bei den Winzern Für 37 von ihnen ist die Ausbildung Bestandteil eines dualen Studiums. Von aktuell insgesamt 447 Winzern in der Ausbildung setzen 134 ihre Ausbildung mit einem Fachhochschulstudium fort.

Als gut angenommen bezeichnet die Kammer ihr Angebot, das sie Jugendlichen mit einge­schränktem Qualifizierungspotenzial macht. Die so genannte Werker- oder Helferausbildung, die in den vergangenen Jahren über den Bereich Gartenbau auf Land- und Pferdewirtschaft ausgeweitet wurde, ermöglicht derzeit 204 Jugendlichen, die bei den theoretischen Anforderungen der regulären Ausbildungsgänge überfordert wären, einen Berufsabschluss mit guten Be­schäftigungsaussichten. .

Kaum Änderungen gibt es an der Über­zahl von etwa 4 zu 1 der männlichen (1.538) gegenüber den weiblichen (409) Auszubildenden in den Grünen Berufen insgesamt. Reine Männerdomänen sind dabei die Ausbildungsberufe Fachkraft Ag­rarservice und Fischwirt. Nur Frauen erlernen dagegen den Beruf Hauswirtschafterin. Ein männliches Übergewicht gibt es weiterhin bei den Garten-und Landschaftsbauern (345 : 44), bei den Forstwirten (145 : 4) sowie bei Landwirten (240 : 37) und Winzern (493 : 188). Einen deutlichen Vorsprung haben weibliche Auszubildende bei den Milchwirtschaftlichen Laboranten (10 : 1) und traditionell bei den Pferdewirten (89 : 15).

In Fortbildungslehrgängen der Kammer zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung werden derzeit 235 Teilnehmer gezählt. 82 davon werden noch in diesem Jahr ihre Abschlussprüfung absolvieren, die übrigen 153 im nächsten Jahr.

Offensiv geht die Landwirtschaftskammer in den aufgrund weiter dramatisch zurückgehender Schüler- und Absolventenzahlen schärfer werdenden Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsbereichen um Auszubildende. Dazu sind in dem  Projekt "Passgenaue Vermittlung" mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums, der EU und des Europäischen Sozialfond zwei Vollzeit-Arbeitskräfte engagiert tätig. Sie arbeiten daran, bei Ausbildungsmessen und schulischen Informationsveranstaltungen, aber auch über Kommunikation in sozialen Netzwerken die Grünen Berufe bekannter machen, Vorurteile abbauen und ein realistisches Bild dessen, was von den Auszubil­denden verlangt wird, zu zeichnen. Das Erzeugen und Verarbeiten von Nahrungsmit­teln, die Pflege von Landschaft und Ökosystemen, Tierhaltung oder der Umgang mit hoch­komplizierter und entsprechend teurer Technik erfordern nicht nur Kenntnisse und Fertigkei­ten, sondern auch eine überaus ernste und verantwortungsvolle Einstellung zum Beruf und der täglichen Arbeit. Damit will die Kammer nicht nur mehr Interesse an einer Ausbildung in den Grünen Berufen wecken, sondern auch eine realistische Einschätzung der bestehenden Anforderungen vermitteln und damit auch die Abbrecherquote weiter gering halten. Schließlich erfolgt über eine Analyse des Persönlichkeitsprofils des künftigen Auszubildenden sowie des Anforderungsprofils des Ausbildungsgangs und des Ausbildungsbetriebs der Vermittlungsvorgang zwischen Auszubildendem und Betrieb mit den größten Schnittmengen.

Insgesamt führt die Kammer 1.045 anerkannte aktive Ausbildungsbetriebe im Land. Über ein eigens eigerichtetes Internetportal können sich interessierte Jugendliche umfassend über Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten in den Grünen Berufen informieren. Mit neuem Material in gedruckter Form bietet die Kam­mer diese Information auch über ein traditionelles Medium. Mit dem Wettbewerb Ausbildungsbetrieb des Jahres wollen Kammer und Landjugendverbände auch in diesem Jahr den Betrieben Anreize zur Verbesserung von Inhalten, Methoden und Umfeld der Ausbildung geben.