Agrarstrukturelle Maßnahmen und Naturschutz

Der Ausschuss Raumordnung, Regionalentwicklung und Naturschutz der Landwirtschaftskammer kam in Bad Kreuznach zur Beratung aktueller Themen zusammen.

10.11.2016 | Regelmäßig beschäftigt sich der Raumordnungsausschuss der Landwirtschaftskammer mit Fragen des Naturschutzes. In der jüngsten Sitzung lag der Fokus beim Thema Natura 2000. Wirtschaftswege und Grundstücksverkehr für den Bedarf notwendiger agrarstruktureller Maßnahmen standen ebenfalls auf der Tagesordnung. Erneut beschäftigte sich der Ausschuss aber zu Beginn mit dem Thema Klärschlamm.

Bereits in der letzten Ausschusssitzung wurde über den Entwurf der Klärschlammverordnung des Bundes berichtet, wonach sich ein Ausstieg aus der landbaulichen Verwertung in den nächsten Jahren zwingend abgezeichnet hätte. Die Verordnung wurde mittlerweile erheblich überarbeitet, so dass die Schlämme aus kleineren Kläranlagen nach wie vor landbaulich verwertet werden können. Auch der Koalitionsvertrag des Landes sieht nicht vor, ein Verbot der landbaulichen Klärschlammverwertung zu konkretisieren. Über die Möglichkeiten der Verwertung von Klärschlämmen in der Landwirtschaft berichtete Alexander Neumann von der Qualitätsgemeinschaft für nachhaltige Düngung und Ressourcenschutz e.V. aus Mendig. Er legte in seinem Vortrag dar, dass Klärschlamm ohne jeden Zweifel in der Lage ist, eine Nährstoffversorgung für Stickstoff, Kali aber insbesondere Phosphor sicherzustellen und zum Aufbau des Humusgehaltes landwirtschaftlicher Flächen beitragen kann. Neumann stellt dar, dass die Belastung mit Schwermetallen und weiteren Stoffen durch Klärschlamm im Verhältnis zu anderen Stoffen in unserer Umwelt als eher unbedenklich anzusehen sei. Aus seiner Sicht spricht daher kaum etwas gegen den Einsatz von Klärschlamm, so dass nach seiner Ansicht die Diskussion der früheren Klärschlammverordnung auch in die falsche Richtung ging.

In der Bevölkerung gibt es immer weniger Akzeptanz,  Klärschlämme in die Kreislaufwirtschaft der Landwirtschaft zu integrieren. Nach wie vor wird es daher eine Aufgabe jedes einzelnen Landwirtes sein, sich mit den Chancen und Risiken für seine Flächen auseinander zu setzen. Der Ausschuss kam in seiner Zusammenfassung des Tagesordnungspunktes zu dem Ergebnis, dass die Landwirtschaft durchaus geeignet ist, einen Beitrag für die Verwertung von Klärschlämmen anzubieten, dass es aber nicht Aufgabe der Landwirtschaft sein kann, Vorreiter für die Schaffung einer weiten Akzeptanz dafür zu sein. Überrascht zeigten sich die Ausschussmitglieder von der Kurzfassung der Positionen des Naturschutzverbandes BUND, die vom Referenten zitiert wurden. Der BUND ist ein Verfechter der Kreislaufwirtschaft und damit auch des Einsatzes des Klärschlammes in der Landwirtschaft. Ob auf diesem Wege auch eine breitere Akzeptanz für den Einsatz von Gülle und anderen wirtschaftseigenen Düngemitteln realisiert werden kann, wurde vom Ausschuss zumindest hinterfragt. Mitglieder des Ausschusses, die sich in kommunalen Gremien engagieren, nahmen die Inhalte des Vortrags mit Interesse auf und werden sie nutzen, um zu einer Versachlichung der Diskussion in den kommunalen Gremien beizutragen.

Natura 2000

Alexandra Thömmes, Dieter Feldner und Jan-Hendrik Müller von der Landwirtschaftskammer berichteten über den aktuellen Sachstand bei der Umsetzung der Bewirtschaftungsplanung für die Natura 2000 Gebiete in Rheinland Pfalz. Insgesamt gehören ca. 385.000 ha Landesfläche zu dem Schutzregime der Natura 2000 Gebiete, was etwa 20 Prozent der Landesfläche entspricht. Hiervon wurden 120 Festsetzungen als Vogelschutzgebiet (VSG) und 57 als Flora-Fauna-Habitat (FFH) vorgenommen. Ein Großteil der Gebietskulisse (72,9 Prozent) betrifft Waldflächen, während Grünland, Ackerland, Reb- und Obstanbauflächen auf 17,8 Prozent der Landesfläche überplant wurden. Obwohl in Rheinland Pfalz vorrangig auf eine Freiwilligkeit bei der Umsetzung der angedachten Maßnahmen gesetzt wird, sieht die Kammer bereits in der Entwurfsphase der Pläne, wie restriktiv die darin enthaltenen Vorschläge von Seiten der Kreise (Unteren Naturschutzbehörden) angewandt werden.

Für den Südteil des Landes wurden bisher 14 Bewirtschaftungspläne fertig gestellt. 6 weitere Pläne befinden sich zurzeit in der Offenlage und stehen ebenfalls für jedermann einsehbar im Internet (www.Naturschutz.rlp.de). Zu den Plänen können während der Offenlage und noch zwei Wochen danach bei der SGD Süd fachliche Hinweise und Anregungen eingebracht werden. Jedem Eigentümer/Bewirtschafter ist es dabei dringend angeraten, auch auf die wirtschaftlichen Zwänge hinzuweisen, um so bei Flächen- und Maßnahmenauswahl mitzuwirken. Bei Fragen zu einer Betroffenheit kann man sich an die Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer wenden.

Für den Bereich der SGD Nord wurden bislang 18 FFH- und 5 Vogelschutzgebiete mit landwirtschaftlichen Fachbeiträgen kommentiert und ergänzt. Diese Gebiete werden derzeit für die kommunale Beteiligung vorbereitet.  Für weitere 11 FFH-Gebiete erfolgt zurzeit die Erarbeitung der Kommentierung zu den Bewirtschaftungsplanentwürfen durch die Landwirtschaftskammer. Hierzu soll die kommunale Beteiligung Anfang 2017 erfolgen.

Die Beteiligung der Landwirtschaft auf einer Infoveranstaltung im Westerwald am 2. November war sehr groß und geprägt durch die allgemeine Einschätzung, dass es sich bei der Ausweisung von großflächigen Schwerpunkträumen, weit über die Grenzen des FFH-Gebietes „Westerwälder Kuppenland“ hinaus, um eine „stille“ Erweiterung der Gebietsfläche handelt, die so nicht hingenommen wird. Die Landbewirtschafter stehen sowohl der dargestellten Gebietskulisse, als auch den Maßnahmen sehr kritisch gegenüber. Der Tenor der Veranstaltung war, dass das Gespräch mit der Politik dringend gesucht werden muss, da es sich nach Meinung der Anwesenden um eine stille Enteignung handelt.

Anhand der Vogelschutzgebiete „Ober-Hilbersheimer-Plateau“ und „Dünen- und Sandgebiet Mainz-Ingelheim“ in Rheinhessen wurden konkrete Beispiele vorgestellt, wie die landwirtschaftliche Nutzung durch die Bewirtschaftungspläne eingeschränkt werden kann. Es stellte sich heraus, dass insbesondere Nutzungswechsel (z.B. Obst zu Acker und umgekehrt) je nach Gebiet nahezu ausgeschlossen werden sollen. Auch der Neubau landwirtschaftlicher Gebäude im Außenbereich, die Befestigung von Wegen oder die Feldberegnung sind, wenn überhaupt, nur möglich wenn teure Gutachten eine Unbedenklichkeit für die Schutzgebiete belegen. Dieser Nachweis wird jedoch durch die sehr restriktiven Formulierungen in den Bewirtschaftungsplänen nur schwer zu erbringen sein. Dies zeigen erste Erfahrungen von Landwirten, die ihre Vorhaben mit den Naturschutzbehörden erörtert haben.

Agrarstruktur

Regelmäßig wurde im Ausschuss der Landwirtschaftskammer über die agrarstrukturelle Situation im Land berichtet. Zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe gehört zweifellos ein ausreichendes und leistungsfähiges Wirtschaftswegenetz. Nach wie vor erscheinen dem Ausschuss die hierfür getroffenen Maßnahmen des Landes unzureichend. Die Förderung des Wegebaus im Rahmen der Flurbereinigung kann nur noch einem kleinen Teil der Gemeinden helfen, die agrarstrukturellen Rahmenbedingungen der Gemeinden zu verbessern. Der Wegebau außerhalb der Flurbereinigung scheiterte jedoch oftmals an einem schlüssigen gemarkungsübergreifenden Konzept, an der Möglichkeit der Kommunen, die Co-Finanzierung sicherzustellen und an den Fragen der zukünftigen Unterhaltung der Wege bei einer gemarkungsübergreifenden Nutzung.

Der Ausschuss beschließt daher, sich über den Vorstand an das Ministerium zu wenden, um das Instrument der Wirtschaftswegeförderung weiterzuentwickeln. Neben eigenständigen Verfahren für den Bau von Wirtschaftswegen soll auch eine stärkere Förderung des Wegebaus außerhalb der Flurbereinigung angestrebt werden. Die aus den vergangenen Jahren bekannte gute Abstimmung zwischen Landwirtschaftskammer, den DLRs, den Kommunen und der Unteren Naturschutzbehörde soll bei der Auswahl geeigneter Wege in Zukunft wieder ein stärkeres Gewicht erhalten.

Grundstücksverkehr

Ralph Gockel berichtete zum Grundstücksverkehr über die Planungsabsichten in Niedersachsen. Hier ist eine erhebliche Verschärfung des Pachtrechtes und des Grundstückverkehrsrechtes zu erwarten, um – so nach Angaben der dortigen Landesregierung – die bäuerliche Landwirtschaft zu schützen. Zukaufsgrenzen, Pachtobergrenzen und weitere Reglementierungen, die Gockel vorstellte, sind jedoch nach Auffassung des Ausschusses auf keinen Fall geeignet,  Defizite im Pacht- und Grundstücksmarkt zu beheben. Lösungsvorschläge, wie sie jetzt in Niedersachsen diskutiert werden, sind für rheinland-pfälzische Verhältnisse daher nicht akzeptabel. In dem Zusammenhang berichtete Walter Böß, der für das Grundstückverkehrsrecht bei der Landwirtschaftskammer zuständig ist, über ein Urteil des BGH. Hiernach hat sich die Ermittlung des ortsüblichen Preises (und damit auch die Frage, ab wann ein Verkaufspreis mit 150 Prozent als überhöht anzusehen ist) nicht mehr daran zu orientieren, welche Preise im innerlandwirtschaftlichen Verkehr mit Grundstücken gezahlt werden, sondern auch Käufe von Nicht-Landwirten zu berücksichtigen. In der Diskussion über dieses Urteil wurde die Befürchtung von Ausschussmitgliedern deutlich, dass damit ein nicht unerheblicher Anstieg der ortsüblichen Preise verbunden sein kann. Damit stellt sich auch die Frage, ob die für die Landwirtschaftskammer bisher maßgeblichen Bodenrichtwerte noch der richtige Ansatz sind. Der Ausschuss beschloss, die Entwicklung weiter zu beobachten, zunächst jedoch daran festzuhalten, die Bodenrichtwerte, die von den Gutachterausschüssen der Katasterämter festgesetzt werden, weiterthin als den ortsüblichen Marktpreis bei der Beurteilung von Kaufverträgen nach dem Grundstücksverkehrsgesetz heranzuziehen.

Vor den  Schlussworten desAusschussvorsitzende Rudolf Schneichel erläuterte Ralph Gockel noch einige Punkte aus dem Wasser- und Entschädigungsrecht. Nach wie vor macht die Ausweisung von Wasserschutzgebieten der Landwirtschaft Probleme durch die Ausweisung von Gebieten, in denen der Einsatz von Wirtschaftsdüngern nicht mehr möglich ist. Der Ausschuss empfiehlt der Geschäftsführung der Landwirtschaftskammer dieser Frage nachzugehen und gegebenenfalls gutachterlich prüfen zu lassen, inwieweit sich Verkehrswertverluste für Hofstellen in Wasserschutzgebieten und für Flächen ergeben, auf denen kein Stallmist oder keine Gülle mehr ausgebracht werden darf.