75 Hektar sind offenbar nicht genug

Geplanter Gewerbepark wird um noch einmal 5,6 ha Ackerland erweitert.

Dass der Investor und Eigentümer des ehemaligen Kasernengeländes bei Dexheim, Landkreis Main-Bingen, Wolfram Richter, die Fläche des geplanten Gewerbeparks durch Zukauf angrenzender Flächen ausdehnt, stößt auf Widerstand. Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz hat sich jetzt als Interessenvertreter der örtlichen Landwirtschaftsbetriebe eingeschaltet. Kammerpräsident Ökonomierat Norbert Schindler MdB befürchtet eine erhebliche Störung der Agrarstruktur und hat sich deshalb an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gewandt und den Vorgang als Beschleunigung des ungesunden Verteilens von Grund und Boden zu Lasten der Landwirtschaft dargestellt

Anlass ist die Veräußerung von 5,6 Hektar Ackerland von höchster Güte zwischen dem ehemaligen Militärgelände „Anderson-Barracks“ und der L 433 in der Gemarkung Nierstein-Schwabsburg. Richter war dabei in einem von der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BImA) ausgeschriebenen Bieterverfahren erfolgreich. Dagegen wendet sich Kammerpräsident Schindler mit Bezug auf das Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) und dessen Funktion, die Landwirtschaft vor dem Ausverkauf ihrer Böden zu schützen. Die Befürworter des Verkaufs an den Mainzer Investor verweisen darauf, dass eine Genehmigung nach GrdstVG bei Grundstücksverkauf durch den Bund nicht erforderlich ist. Dagegen sieht die Kammer einen Verstoß gegen den Geist des Gesetzes, da diese Ausnahme von der Genehmigungspflicht darauf beruhe, dass der Bund auch ohne Kontrolle durch Genehmigungsbehörden den Inhalt des Gesetzes beachtet. Schindler: „Genau das ist aber im konkreten Fall nicht geschehen. Einem Investor sind 75 Hektar für sein Vorhaben offenbar nicht genug. Der Verkauf erweitert seine Fläche dafür auf über 80 Hektar, die damit dauerhaft der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden.“ Da die Erschließung des ehemaligen Militärgeländes noch nicht einmal begonnen habe, sei nicht erkennbar, dass diese Erweiterung zwingend geboten sei.

Bei der umstrittenen Fläche handelt es sich um einen Geländestreifen, der von der US-Armee über viele Jahre für eine potenzielle Erweiterung ihrer Kaserne vorgehalten, aber nie in Anspruch genommen wurde. Seit Generationen wird sie ackerbaulich genutzt. Im Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Rhein-Selz wurde sie als  „weiße Fläche“ belassen, deren Darstellung als weitere Gewerbefläche ausdrücklich als „raumordnerisch wenig sinnvoll“ und als unvereinbar mit den Grundsätzen des Landesentwicklungsplans IV (LEP IV) angesehen wird. Als Verlierer des Geschäfts sieht die Kammer die landwirtschaftlichen Betriebe der Region, die mit einem überhöhten Preis bei der Auktion überboten wurden, obwohl sie auf die Erweiterung ihrer Betriebsflächen dringend angewiesen seien. Das Grundstücksverkehrsgesetz soll das eigentlich verhindern. Die BImA habe diesen Aspekt jedoch außer Acht gelassen und damit zum Verlust von wertvollem Ackerland und zur Steigerung der Grundstückspreise aktiv beigetragen. Das Gesetz verfolge seit seiner Verabschiedung 1961 das Ziel, landwirtschaftliche Flächen als solche zu erhalten und bei einer Veräußerung vorrangig kaufinteressierte landwirtschaftliche Betriebe zum Zug kommen zu lassen. Im Fall des Verkaufs von Ackerland an einen Interessenten, der kurz zuvor eine angrenzende Sonderfläche erworben hatte und diese als künftigen Gewerbepark erschließen will, könne, so der Kammerpräsident, nicht davon ausgegangen werden, dass im Sinne des GrdstVG die Agrarstruktur erhalten oder verbessert werde.

Präsident Schindler bittet den Bundesfinanzminister darum, sich einzuschalten und künftig Grundstücksverkäufe durch die BImA gegen die berechtigten Ansprüche landwirtschaftlicher Betriebe zu verhindern. Ansonsten sei die Schutzfunktion des Gesetzes nicht mehr gegeben und würden landwirtschaftliche Vermögen Grundstücksspekulanten ausgeliefert.