Möglichkeiten und Chancen von Produktionsintegrierter Kompensation

Seit 06. Oktober 2015 gibt das Landesnaturschutzgesetz (§ 7 LNatSchG) von Rheinland Pfalz neue Schwerpunkte bei der Umsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vor. Diese haben unter der Beachtung agrarischer Belange zu erfolgen; da vorrangig zu prüfen ist, ob Kompensationen auch mit Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen erreicht werden können. Grundvoraussetzung dabei ist eine dauerhafte Aufwertung des Naturhaushaltes und/oder des Landschaftsbildes.

02,11,2016 | Die bisher in der gängigen Praxis übliche Ausweisung nach der Flächenverfügbarkeit, erfüllt in keinster Weise weder naturschutzfachliche- noch agrarstrukturelle Anforderungen an eine solche Maßnahme. Mit dem im Gesetz aufgezeigten Ansatz von Produktionsintegrierten Kompensationen (PIK) wird dargelegt, wie durch Umsetzung solcher Maßnahmen auf landwirtschaftlichen Flächen ein Beitrag zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme geleistet werden kann.

Seit nun bereits 10 Jahren beschäftigt sich die Stiftung Kulturlandschaft Rheinland Pfalz mit den nun auch vom Gesetzgeber übernommenen Betriebs- bzw. Produktionsintegrierten Kompensationen. Etliche Projekte mit Windkraftbetreibern, Straßenbaubehörde oder Kommunen zeigen die konkurrenzlose Praktikabilität der Umsetzungen in den landwirtschaftlichen Betrieben im Land. Ziel der Stiftung ist es, die Interessen der Landwirtschaft, des Naturschutzes und der Eingriffsverursacher im Hinblick auf die Erhaltung und Entwicklung der Kulturlandschaft mit ihren regionalen Besonderheiten und Unverwechselbarkeiten aufzugreifen und zusammenzuführen. Die Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen soll möglichst durch eine wirtschaftlich tragfähige und nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung gewährleistet werden. Den Flächenbewirtschaftern wird somit eine maßgebliche Funktion bei der Gestaltung der ländlichen Räume auch unter dem Gesichtspunkt der Naturschutzbelange beigemessen. Die Stiftung spricht bei der Umsetzung von "Betriebs- oder Produktionsintegrierten Kompensationsmaßnahmen" und greift damit auch den zentralen Gedanken der Nachhaltigkeit bei der Flächenbewirtschaftung auf.

Beispielhaft soll an drei Beispielen erläutert werden, wie solche Maßnahmen auf landwirtschaftlicher Nutzfläche von den vor Ort tätigen Betrieben umgesetzt werden können

Extensive Grünlandbewirtschaftung, VG Arzfeld, Eifelkreis Bitburg-Prüm

Das Projekt befasst sich mit dem Erhalt bzw. der Verbesserung der Kulturlandschaft über die Biotoppflege. Die Maßnahme steht im Zusammenhang mit dem Strategiekonzept "Zukunftsinitiative Eifel", welches im Handlungsfeld Landwirtschaft das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Naturschutz fördern soll.

Der Stiftung Kulturlandschaft wurde es durch die finanzielle Unterstützung der MUH Arla Molkerei in Pronsfeld ermöglicht, eine landschaftsbildprägende Maßnahme in der Region durchzuführen. Durch das nachhaltige Etablieren einer Rinderbeweidung in der Talaue des Eschbachs (Vorfluter des Irsen) wurde der in der Eifel verbreiteten Tendenz der Nutzungsaufgabe in Bachtälern in diesem Bereich Einhalt geboten. Talauen und Quellbereiche, die aufgrund fehlender Bewirtschaftung zu verbuschen drohten, konnten wieder in Bewirtschaftung genommen werden. Zielsetzung der Stiftung war, das verbrachende Wiesental offen zu halten und über eine angepasste Grünlandnutzung eine hohe Artenvielfalt zu entwickeln. Der angelegte Zeitraum des Projektes beläuft sich auf 25 Jahre. Umsetzung und Monitoring der Maßnahme werden von der Stiftung selbst übernommen. Entscheidenden war, dass für die durchzuführenden Aufgaben ein ansässiger Landwirt gewonnen werden konnte. In enger Absprache mit der Stiftung werden von ihm die notwendigen Bewirtschaftungsmaßnahmen auf dem stiftungseigenen Grünland ausgeführt und monetär entlohnt.

Erste Priorität hat auf den Flächen eine zeitlich begrenzte sowie in der Besatzdichte angepasste Beweidung. Ein zu intensiver Weidegang würde an den sensiblen, feuchten Bereichen (Quellaustrittshorizonte/Bachuferbereiche) zu negativen Folgen mit Trittschäden führen. Durch die Umsetzung der Maßnahme wurde ein vielfältiges Lebensraumangebot für wildlebende Tiere und Pflanzen geschaffen und erhalten, was in einem finanziell vertretbaren Maß dort nur mit einem viehhaltenden Betrieb möglich war.

Artenschutzmaßnahme Feldlerche, VG Nastätten, Rhein-Lahn-Kreis

Im Rahmen der Ortsumgehung Marienfels-Miehlen wurde mit dem Landesbetrieb Mobilität in Diez ein Übernahmevertrag zur Umsetzung der notwendigen Kompensationsmaßnahmen geschlossen. Die Stiftung verpflichtete sich für 10 Jahre zur erstmaligen Herstellung, laufenden Pflege und zum Erhalt der Funktionsfähigkeit von Artenschutzmaßnahmen für die Feldlerche.

Ermöglicht wurde dies ebenfalls nur über die Kooperation mit einem landwirtschaftlichen Betrieb vor Ort, der eine Ackerfläche von über 7 ha für den auszugleichenden Habitatverlust der Feldlerche zur Verfügung stellte. Hierfür wurde, zeitlich begrenzt, auch eine Dienstbarkeit auf der Fläche notwendig, um den gesetzlichen Vorgaben einer nachhaltigen Sicherung gerecht werden zu können.

Praktikablerweise können die dort festgesetzten Maßnahmen in Rotation erfolgen und mit der Getreidefruchtfolge im ausführenden Betrieb auf der Fläche wandern.

Im Einzelnen werden umgesetzt:

1.    Doppelter Reihenabstand auf 7 ha Getreideacker, um Lebensraum und Bruthabitat für die Feldlerche aufwerten zu können. Eine Bewirtschaftung erfolgt konventionell nach Vorgaben des Pflanzenschutzrechts und der guten fachlichen Praxis.

2.    Anlage eines Blühstreifens mit beidseitiger Brache zur Erhöhung der Strukturdiversität und Randliniendichte im Gebiet. Die Bewirtschaftung des Blühstreifens erfolgt ohne Pflanzenschutz und ohne eine Düngung. Eine Bearbeitung ist, um die Bruten der Feldlerche nicht zu gefährden, lediglich zwischen 01. August und 15. März zulässig. Das notwendige Saatgut wird von der Stiftung zur Verfügung gestellt.

Kommunale Bauleitplanung, VG Montabaur, Westerwaldkreis

Auch die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen in der Bauleitplanung erweist sich oft als latenter Zankapfel zwischen Landbewirtschafter und Behördenvertreter. Eigentumsflächen der Städte und Gemeinden werden oft in erster Priorität für Ausgleichszwecke zur Verfügung gestellt. Der Verfügbarkeit von Fläche kommt dabei eine größere Rolle zu als agrarstrukturelle oder naturschutzfachliche Belange.

Ein positives Beispiel zeigt die Ortsgemeinde Boden in der Verbandsgemeinde Montabaur auf. Für die Erweiterung eines Gewerbegebietes wurde von der Gemeinde eine Eigentumsfläche von 3,7 ha (Acker) zur Verfügung gestellt. Bereits im Vorfeld wurde mit den Flächenbewirtschaftern versucht, eine Minimierung der landwirtschaftlichen Betroffenheit über einen Flächentausch zu erreichen. Als dies nicht gelang, wurde mit der Landwirtschaft ein Konzept erarbeitet, welches eine produktionsintegrierte Nutzung der Fläche als Kompensation zum Ziel hatte. Festgesetz wurde die Umwandlung von Ackerland in ein artenreiches Grünland, zumal hier ein Bewirtschafter gefunden werden konnte, welcher über seine Bullenmast auch die ökonomische Verwertung des Aufwuchses gewährleisten kann.

Als Maßnahme wird nun die Umwandlung und Entwicklung von Ackerland in einen Wiesentyp von landwirtschaftlich nutzbarem, artenreichem Grünland umgesetzt. Oberstes Ziel ist dabei die Förderung der Artenvielfalt.

Man hatte sich in diesem speziellen Fall darauf geeinigt, dass eine zu radikale Extensivierung ohne Düngung auf der Fläche nicht erfolgen sollte. In der Praxis führt eine zu starke Reduzierung der Mahdhäufigkeit oft zu einer schwerpunktmäßigen Förderung der Obergräßer, was sich auf die die wertvollen und gewünschten Charakterarten (Kräuter) negativ auswirkt.

Aufgrund des Standortes mit geringeren Bodenzahlen wurde zudemk alle 4 Jahre eine Grunddüngung vereinbart. Als Düngermenge wurde 100 dt/ha an Festmist festgesetzt. Alternativ zur organischen Düngung bietet sich eine geringe mineralische PK-Düngung in der Größenordnung von 20/60 kg P/K pro Hektar an. In den ersten 5 Jahren kann die Fläche (je nach Aufwuchsmenge) 2mal gemäht werden.

Die Maßnahme soll nicht nur eine Kompensation für den im Baugebiet versiegelte Boden darstellen, sondern aufgrund des multifunktionellen Ansatzes auch die pflanzliche Vielfalt erhöhen und damit auch zu einem größeren Artenreichtum an Insekten, Heuschrecken und Schmetterlingen beitragen.

Weitere Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen, die nach Landesnaturschutzgesetz (§ 7 (3), 1 LNatschG) vorrangig umzusetzen sind, können folgende Ausprägung haben und mit der Stiftung umgesetzt werden:

  • Lichtstreifen.
    - Verschließen von mindestens zwei Drillreihen bei der Aussaat.
  • Doppelter Reihenabstand.
  • Reduzierte Aussaatstärke.
  • Kornstreifen.
    - Ernteverzicht von 2 - 5 Kornreihen/meist im Verbund mit Stoppelbrache.
  • Stoppelbrache.
  • Grünlandbewirtschaftung.
    - Artenschutzrelevante Bewirtschaftung (Rast-, Brut-, Nahrungshabitat), welche ausdrücklich auch eine sehr intensive Grünlandnutzung beinhalten kann (Rastgebiete von Kiebitz, Mornell- oder Goldregenpfeiffer).
    - Belassen von Altgrasstreifen.
    - Erhalt und Pflege von umweltsensiblem Dauergrünland (LRT 6510 und LRT 6520).
    - Sicherung und Pflege durch nachhaltige, extensive Beweidungs- oder Mahdformen.
  • Ökolandbau.
  • Einsaatbrache
    - Einsaat mit Kulturpflanzen konventionell oder in verminderter Aussaatstärke/Kein PSM/Keine Düngung.
  • Streuobst/Halbstamm- und Intensivobstanlagen.
    - In Gebieten mit artspezifischer Adaption (Wiedehopf, Wendehals) an den Obstbau/Neuanlagen in jeglicher Ausgestaltung und Form.
  • Selektiver Herbizideinsatz.
    - Auf Teilflächen oder ganzen Parzellen.
  • Reduzierte Düngung.
  • Freistellung mit Offenhaltung.
    - Rodung und (weinbauliche) Nutzung auf ehemaligen Weinbergbrachen.
  • Steillagenweinbau.
    - Erhalt, Pflege und nachhaltige Sicherung des Steillagenweinbaus.
  • Reduzierte Bodenbearbeitung.
  • Mechanische Unkrautbekämpfung.
    - Weinbau
    - Obstbau
  • Artenreicher Weinberg Flora.
    - Nachweis von Weinberggeophyten wie Traubenhyazinthe, Weinbergs-Lauch, Wilde Tulpe, etc.
  • Artenreicher Weinberg Fauna.
    - Nachweis von Apollofalter, Smaragdeidechse, Zippammer, etc.

Bei allen Maßnahmen muss beachtet werden, dass für den Naturhaushalt oder das Landschaftsbild eine dauerhafte Aufwertung erreicht wird. Wichtig ist auch, dass bei der Inanspruchnahme von privaten Flächen immer eine nachhaltige Sicherung über einen Grunddienstbarkeitseintrag vom Gesetzgeber verlangt wird. Die dabei entstehenden Nachteile werden in der Regel über eine Einmalzahlung abgegolten.

Fazit:

Mit der im Landesnaturschutz geschaffenen gesetzlichen Grundlage zur schwerpunktmäßigen Umsetzung von Produktionsintegrierten Kompensationsmaßnahmen steht sowohl den Eingriffsverursachern, als auch den potenziellen Umsetzern von Maßnahmen in der Fläche ein flexibles Instrument zur praktikablen und nachhaltigen Realisierung ihrer Kompensationsverpflichtungen zur Verfügung. Auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen kann dabei ein hohes Maß an Konfliktminimierung bei der Flächeninanspruchnahme erwartet werden. Die Umsetzung von Innovationspotentialen im Bereich der naturschutzrechtlichen Kompensation ist in Angriff genommen. Durch räumlich und naturschutzfachlich sinnvolle Maßnahmen kann ein Mehrwert für die Landwirtschaft und den Naturschutz und positive Wirkungen auf die Kulturlandschaft erreicht werden. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass diese Vernetzung die Qualität der Einzelmaßnahmen erhöht und im Ergebnis zu einem verminderten Flächenbedarf führt.

Es bleibt zu hoffen, dass die mit der Eingriffsregelung befassten Planer, Verwaltungen und Genehmigungsbehörden die Möglichkeit der Produktionsintegrierten Kompensation (PIK) als einen weiteren Baustein zur verträglichen Umsetzung und als Chance zu einem nachhaltigen Miteinander ansehen werden. 

Dieter Feldner, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz