Kreis Germersheim ignoriert Bedenken der Kammer

Kammerpräsident Schindler ist fassungslos über die Genehmigungspraxis von Windrädern in Hatzenbühl

„Das ist die reine Willkür und an Maßlosigkeit nicht zu überbieten“, kritisiert der Ökonomierat Norbert Schindler MdB, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, die naturschutzfachlichen Kompensations- und Artenschutzmaßnahmen in Hatzenbühl, die von der Kreisverwaltung Germersheim in der Genehmigung für die Errichtung von Windrädern festgesetzt wurden. „Hier werden die Belange der Landwirtschaft mit Füßen getreten, denn eine sachgerechte Berücksichtigung landwirtschaftlicher Belange hat nicht stattgefunden“, so Schindler.

In der Gemarkung Hatzenbühl sollen fünf Windräder errichtet werden. Eines der Windräder ragt in den Lebensraum des Kiebitzes hinein. Laut Fachgutachtern wird eine Entwertung des Lebensraumes im Radius von 100 Metern des Windrades angenommen, für den eine Kompensation für erforderlich gehalten wird. Dabei musste auf Druck der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) der Kreisverwaltung die Kompensationsfläche um das 4-fache erhöht werden, so dass eine Kompensation von 1:1 festgesetzt wurde. Die Planer hatten ursprünglich lediglich 25 Prozent der Fläche als Kompensation vorgeschlagen. Die Steigerung wurde von der Landwirtschaftskammer im Rahmen der Anhörung zum Genehmigungsverfahren als nicht nachvollziehbar und überzogen gerügt. Zudem wurden die Ergebnisse einer von der Kammer zur Verfügung gestellten wissenschaftlichen Studie über die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf das Verhalten des Kiebitzes nicht berücksichtigt. Der überdimensionierte Kompensationsansatz konnte während des Verfahrens von der UNB hierzu nicht plausibel begründet werden.

Aufgrund der Forderungen der Naturschutzbehörde wird nun eine ca. 3,3 ha große arrondierte, ackerbaulich genutzte Fläche mit einem hohen Ertragspotenzial der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen. Am östlichen Ortsrand von Hatzenbühl müssen deshalb auf einer gemeindeeigenen Fläche jeweils drei ca. 35 m breite und 95 m lange Geländemulden angelegt werden, die an das Beregnungsnetz des Wasser- und Bodenverbandes angeschlossen werden. Die Umgebungsflächen werden zu ruderalen Brachen. Zum Schutz vor Prädatoren (z.B. Füchsen) werden die Flächen zudem eingezäunt. Nach der Jungvogelaufzucht soll ab August eine Nachbeweidung möglich sein, die nach Schindler jedoch in keinster Weise als eine landwirtschaftliche Nutzung angesehen werden kann, sondern als Flächenverlust einzustufen ist. Im Verfahren hatte die Landwirtschaftskammer in Zusammenarbeit mit der Stiftung Kulturlandschaft und ortsansässigen Landwirten Flächen für produktionsintegrierte Maßnahmen angeboten, die jedoch von der Unteren Naturschutzbehörde nicht gewünscht waren. Dieser Kompromissvorschlag wurde bedauerlicherweise verworfen.

Des Weiteren beanstandet die Kammer, dass während des Genehmigungsverfahrens ständig weitere Kompensationsflächen seitens der UNB eingefordert wurden. Dies hat zur Konsequenz, dass jetzt insgesamt ca. 5 ha Kompensationsflächen verplant werden. Auf ca. 3,3 ha werden Maßnahmen für den Kiebitz, auf ca. 0,7 ha Brach- und Blühstreifen für Bodenbrüter und auf weiteren 1,0 ha Blühflächen für Greifvögel angelegt. Warum die Flächen für die Vögel nicht auf einer Fläche zusammengelegt werden können sondern jeweils noch einmal separat ausgewiesen werden, ist nicht erklärt worden. Somit wird von der Möglichkeit, multifunktional zu kompensieren, kein Gebrauch gemacht und weitere Flächen „verschwendet“. Ergänzend werden für die fünf Windkraftfanlagen ca. 570.000 Euro für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes gezahlt.

Die grundsätzliche Durchführung von Kompensationsmaßnahmen stellt auch die Landwirtschaftskammer nicht in Frage, aber der hier gewählte Ansatz sprengt den Rahmen jeder Verhältnismäßigkeit. Die zur Anlage der Kompensationsmaßnahmen vorgesehenen Flächen, aus landwirtschaftlicher Sicht wertvolle ertragreiche, sogar beregnungsfähige und für den Sonderkulturanbau geeignet und agrarstrukturell äußerst günstige Standorte, sind somit als landwirtschaftliche Nutzflächen unwiederbringlich verloren. Schindler sieht hier einen eklatanten Rechtsverstoß gegen die Reglungen § 15 Abs. 3 BNatSchG sowie des § 7 LNatschG. Damit setzt sich die Kreisverwaltung als Genehmigungsbehörde über die gesetzlichen Regelungen des Bundes- und Landesnaturschutzgesetzes hinweg.

Erschüttert zeigt sich Präsident Schindler über die Nichtberücksichtigung der landwirtschaftlichen Belange im Genehmigungsbescheid. Danach ist der Flächenverlust der Landwirtschaft kein Versagungsgrund für die Kreisverwaltung als Genehmigungsbehörde, da keine Existenzgefährdung eines Betriebes zu erwarten sei. Auch sei mehrfach im Planungsverlauf geprüft worden, ob produktionsintegrierte Maßnahmen möglich wären. Dies kann die Kammer keinesfalls nachvollziehen, wurden doch in Zusammenarbeit mit der Stiftung Kulturlandschaft Flächen für Produktionsintegrierte Maßnahmen angeboten, von der Unteren Naturschutzbehörde jedoch als „ausdrücklich nicht gewünscht“ abgetan und der überzogene Bilanzierungsansatz gegen alle Vernunft und ohne Abwägung beibehalten.

Fassungslos äußert sich Schindler über diese Genehmigungspraxis und zeigt sich auch von Landrat Dr. Fritz Brechtel sehr enttäuscht, dass die Kreisverwaltung eine derartige Sicht vertritt und landwirtschaftliche Belange zugunsten anderer Planungen ignoriert, wo es doch kooperative Ansätze hätte geben können.