Gemeinsam älter werden und versorgt sein erfordert Engagement in den Dörfern

Wie schaffen wir es, möglichst lange selbstbestimmt zu Hause zu leben? Wie wollen wir leben, wenn wir älter sind? Welche Chancen bietet die Digitalisierung für die ländlichen Gemeinden? Diesen Fragen gingen 30 Interessierte aus Verbänden, Kirchen und Gemeinderäten auf Einladung der LandFrauen RheinlandPfalz und der Agrarsozialen Gesellschaft e.V. (ASG) in Kusel nach.

Geprägt war die zweitägige Veranstaltung durch praktische Beispiele, neue Forschungsergebnisse und einen intensiven Erfahrungsaustausch. Es wurde schnell klar: Jedes Dorf braucht Menschen, die voran gehen und sich mit weiteren Interessierten auf den Weg machen. Die lebhaften Diskussionen zeigten die Betroffenheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Mir ist klar geworden, dass ich selbst etwas anstoßen und anpacken muss, wenn ich in unserem Dorf alt werden will“, so die Rückmeldung einer Teilnehmerin. 

Der demografische Wandel stellt die ländlichen Gemeinden und ihre Bewohner vor die Aufgabe, sich stärker mit den Bedürfnissen des immer größer werdenden Anteils älterer Menschen im Ort zu befassen. Die meisten Älteren wünschen sich, möglichst lange in ihrem angestammten Umfeld – am liebsten in den eigenen vier Wänden – zu bleiben. Immer öfter werden in diesem Zusammenhang die „Sorgenden Gemeinschaften“ oder „Caring Communities“ als möglicher Lösungsansatz genannt, in denen sich Nachbarn, Freunde, Familienangehörige, z. T. mit professioneller Unterstützung, umeinander kümmern. In dem Seminar wurden die Bereiche - Organisation von nachbarschaftlichen Hilfen,  Unterstützungsmöglichkeiten durch Technik sowie neue, gemeinschaftliche Wohnmodelle - näher beleuchtet.

Die Verbandsgemeinde Germersheim hat ehrenamtliche Seniorenbeauftragte in den Ortsgemeinden berufen und Bürgervereine gegründet. Es wurde gemeinsam überlegt, wie man Pflege möglichst fußläufig in den Wohnvierteln und Dörfern gestalten kann, damit die Menschen selbstbestimmt in den eigenen Wohnungen leben können. „Es ist ein Bürger – Profi – Technik – Hilfemix sowie eine aktive Quartiersentwicklung in den Dörfern und Stadtteilen notwendig. Diese muss von den Kommunen unterstützt und begleitet werden, “ unterstrich Harald Nier, Verbandsgemeinde Germersheim. „Wichtig ist, dass Bürger, Verwaltung und Profis auf Augenhöhe zusammenarbeiten und entsprechende Strukturen in den Wohnvierteln aufbauen.“  

Diesen Weg geht die Gemeinde Anhausen. Ortsbürgermeisterin Heidelore Momm  und Ehrenamtler Peter Schwarz stellten spontan ihr Wohnprojekt vor: „Wir wollen anstelle eines klassischen Altenheims bezahlbaren Wohnraum im Ort schaffen, zu dem einzelne Leistungen in der Umgebung zugebucht werden können.“ Sie haben zudem für eine Zusammenkunft der ortsansässigen Handwerker gesorgt, damit diese ein gemeinsames Konzept zu altengerechten Umbauten entwickeln konnten. „Die Umbauten müssen zügig von allen Gewerken erledigt werden und zudem für die Menschen bezahlbar sein“, betonten sie. „Wir wollen die Angebotsstrukturen an die Menschen anpassen und nicht umgekehrt!“  

„Wohnen hat existenzielle Bedeutung im hohen Alter!“ stellte Birgit Herger, Landesarbeitsgemeinschaft Wohnen Rheinland-Pfalz, heraus. „Die Menschen wollen mitwirken an der Daseinsvorsorge. Das ist sowohl Aufgabe der Kommunen als auch von jedem Einzelnen. Jeder muss die Verantwortung wahrnehmen!“ WohnPunkt RLP erprobt gemeinsam mit ausgewählten Projektgemeinden Wege zur Realisierung von neuen Wohnformen. Ein konkretes Beispiel des gemeinsamen Wohnens besichtigten die Teilnehmer/innen in der Wohnerei in Kusel. Hier haben sich Familien unterschiedlichen Alters genossenschaftlich organisiert und gemeinsam gebaut.

Reimond Heuser stellte die Initiative 55 plusminus aus Marienfels vor. Hier engagieren sich Ältere und bieten über eine App u.a. eine Mitmachbörse an. 

Werner Klöckner, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Daun, initiiert Zukunftskonferenzen in interessierten Dörfern und erarbeitet mit den Menschen vor Ort, wie die Dorfgemeinschaften konkret weiter entwickelt werden können. „Dazu ist eine gemeinsame Zielsetzung von Zivilgesellschaft, Kommune und Wirtschaft notwendig“, lautete sein Fazit. 

Das Konzept der Bürgerbusse stellten Dr. Holger Jansen und Ralph Hinze, Projektleiter und Berater im Beratungsprojekt Bürgerbusse RLP,  vor. Derzeit gibt es in Rheinland-Pfalz 49 Bürgerbusprojekte. Die Bürgerbusse erreichen rund 10.000 Menschen im Land und ermöglichen ihnen damit (wieder) eine Teilhabe am sozialen Leben. Die Lebensqualität steigt, wenn ein alter Mensch wieder selbst zum Arzt gelangen, Einkäufe selbst erledigen und dabei unabhängig  von Nachbarn und Verwandten sein kann.  Zudem bieten die Bürgerbusse aktiven Jungsenioren eine sinnvolle ehrenamtliche Aufgabe. Die Landesregierung unterstützt die Einführung der Bürgerbusse durch kostenlose Beratungsangebote. 

Damit wir auch zukünftig in unseren Orten einkaufen können und nicht auf Onlinekäufe angewiesen sind, haben die LandFrauen im Kreis Bitburg die Aktion ‚LandFrauen kaufen regional‘ gestartet. „Bei Vorlage des Mitgliedsausweises erhalten unsere Mitglieder Rabatte in zahlreichen Geschäften vor Ort. Die Geschäftsinhaber sind dazu gerne bereit, weil sie wissen, dass sie damit rund 1.500 potentielle Kundinnen  ansprechen, “ so die Kreisvorsitzende Adelheid Epper. „Gleichzeitig erfahren wir durch diese Aktion einen regen Zuspruch von Frauen, die in unseren LandFrauenverein eintreten.“   

Steffen Hess, Frauenhofer IESE Kaiserslautern, berichtete anschaulich vom Projekt Digitale Dörfer. In den Modellkommunen Betzdorf, Eisenberg und Göllheim wurde eine App erprobt, die eine digitale Gemeinschaft ermöglicht. Unter den Rubriken ‚LieferBar‘, ‚BestellBar‘ und ‚TauschBar‘ konnten die Bewohner regionale Produkte bestellen und sich ehrenamtlich mitbringen lassen. Teilweise brachten Berufstätige die vorbestellten Warenpäckchen auf dem Heimweg mit und lieferten sie an die Nachbarn aus. 95 % bestellten Waren des periodischen Bedarfs wie Brot, Brötchen, Eier usw.. Aber auch andere Geschäfte gaben eine positive Rückmeldung, weil über diese App vermehrt persönliche Kundenkontakte zustande kamen. Durch die Darstellung des Angebotes wurden Kunden aufmerksam auf regionale Angebote, z.B. bei Bekleidung, Kunst und Dienstleistungen. „Diese Vernetzung bietet ein enormes Potential, ist aber kein Selbstläufer“, stellte Steffen Hess klar. „Wenn vor Ort keine Kultur der Nachbarschaftshilfe vorhanden ist, hilft auch keine App.“ 

Fördermöglichkeiten von Digitalisierung im ländlichen Raum stellte Christian Rößler, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, vor. Das Landwirtschaftsministerium fördert innovative digitale Projekte, die das Leben auf dem Land  erleichtern.