Braugerstenanbau im Spannungsfeld

Die Braugerste, eine Kultur die über Jahrzehnte die Anbauplanung und die Einkommen vieler Betriebe in Rheinland-Pfalz bestimmt hat, verliert immer mehr an Bedeutung. So ist in der Zeit von 2003 bis 2011 ihre Anbaufläche von 80.000 Hektar auf 44.000 Hektar um 44 Prozent zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum wurde der Anbau von Weizen von 83.000 Hektar auf 113.000 Hektar und Silomais von 16.300 auf 30.000 Hektar ausgedehnt. Eine Entwicklung, die nicht nur mit dem Rückgang des Bedarfs durch sinkenden Bierkonsum begründet werden kann und die aus pflanzenbaulicher und marktpolitischer Sicht eher kritisch gesehen werden muss.

Wegen ihres moderaten Faktoreinsatzes bei Düngung und Pflanzenschutz trägt die Braugerste zur Reduktion der Belastung von Boden und Grundwasser bei. Zudem lockert sie die Fruchtfolgen auf, erleichtert das Resistenzmanagement und entschärft als Sommerung die Arbeitsspitzen bei Saat und Ernte. Angesichts einer Vermälzungskapazität von 2,2 Mio. Tonnen in Deutschland, von denen etwa 16 Prozent in Rheinland-Pfalz stehen und einem Malzbedarf der heimischen Brauereien von etwa 100.000 Tonnen, erscheint das Marktpotenzial für Braugerste aus Rheinland-Pfalz trotz internationaler Ausrichtung der Braugersten und Malzmärkte durchaus beachtlich und sollte nicht leichtfertig aufgegeben werden.

Ungeachtet dieser eigentlich insgesamt eher positiven Vorzeichen besteht bei den Braugerstenanbauern, abgleitet von den Erfahrungen der letzten Jahre eine gewisse negative Grundstimmung. Da ist zum einen das gegenüber dem Weizen in den letzten zehn Jahren bestehende Ertragsdefizit von etwa 20 dt/ha. Bei einem Anteil der ertragsunabhängigen variablen Kosten von 60 Prozent und hohen Festkosten belastet das stark die Wettbewerbsposition der Braugerste. Zudem wurden in den letzten neun Jahren in fünf Jahren ohne Aufbereitung die hohen Qualitätsansprüche bei der Vollgerste und beim Eiweiß nicht erfüllt. Beim Weizen wurden demgegenüber die Qualitätskriterien bei Eiweiß und dem Sedimentationswert immer und bei der Fallzahl zu 80 Prozent erreicht. Mit einer Preisdifferenz von 1,48 Euro/dt zu Gunsten der Braugerste wurde dieses gegenüber dem Weizen doch ungleich höhere Anbau- und Marktwarenrisiko zumindest nach der Bewertung der Landwirte nicht ausgeglichen. Hinzu kommt, dass den Landwirten in den letzten Jahren mit dem Energiepflanzenanbau ein wirtschaftliches Produktionsverfahren, bei dem Qualitätsansprüche und Lieferverpflichtung deutlich in den Hintergrund treten, als zusätzliche Alternative zur Braugerste zur Verfügung steht. Zur Lösung dieses Zielkonfliktes müssen die Zuchtziele bei der Braugerste hin zur Ertragssteigerung neu ausgerichtet und das Konzept des Berliner Programms, in das Rheinland-Pfalz über die Arbeit des Technischen Ausschusses der Fördergemeinschaft Braugerste eng eingebunden ist, weiterentwickelt werden.

Die Erfahrung des letzten Jahres hat gezeigt, dass bei zu hohen Eiweißgehalten aus dem Marktwarenrisiko schnell ein Vermarktungsrisiko mit hohen Preisabschlägen bis hin zu geforderten Deckungskäufen werden kann.

Bei allem Verständnis für Entscheidungen der Marktpartner angesichts volatiler Preise und veränderten Einkaufsverhalten der Brauer und Mälzer auf die Erfüllung von Kontrakten zu bestehen, stellt sich für den Landwirt die Frage nach dem Risiko oder den Chancen von Kontrakten. Eine Analyse der Preisentwicklung der letzten neun Jahre auf der Basis der Markt- und Preisberichterstattung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz zeigt, dass die Kontraktpreise im Mittel 0,20 Euro/dt unter dem Preis für die freie Ware frei Lagerhaus lagen. Stark beeinflusst wurde dieser Wert allerdings von der Differenz des Preises für die freie Ware zur kontraktierten Ware von 5,53 Euro zu Lasten der Kontraktware in Folge der extremen Preisvolatilität im Jahr 2007/08. Ohne dieses Jahr mit den extremen Preisausschlägen in und nach der Ernte ergäbe sich in den letzten neun Jahren ein Preisvorteil der Kontraktware zur freien Ware von 0,56 Euro/dt. Ein Wert, der bei den derzeitigen Rahmenbedingungen der Verträge auch noch nicht unbedingt für die Risikoabsicherung durch Kontrakte spricht.

Betrachtet man nur den Zeitraum von 2008 bis 2011, also die Zeit volatiler Preisentwicklungen, so ergibt sich ein Durchschnittspreis von 17,02 Euro/dt für die freie Ware. Die Kontaktpreise lagen in dieser Zeit bei durchschnittlich 15,31 Euro/dt im Minimum und durchschnittlich 21,58 Euro/dt im Maximum. Dies bedeutet, dass orientiert am Durchschnittspreis für die freie Ware, je nach Strategie, Verluste von 1,71 Euro/dt und Gewinne von 4,56 Euro/dt im Raume standen.

Bei einer Vermarktung der Ernten in drei gleichen Segmenten etwa zum Ernte- Minimumkontrakt- und Maximumkontraktpreis hätte sich von 2008 bis 2011 ein Durchschnittspreis von 17,97 Euro realisieren lassen. Dieser Preis lag 0,95 Euro über dem durchschnittlichen Erntepreis in dieser Zeitspanne. Insgesamt also eine Situation, die die Chancen und Risiken von volatilen Preisen, differenzierten Vermarktungsstrategien und zu hohen Kontraktquoten der erwarteten Ernte noch einmal deutlich macht.

Wenngleich es diese oder ähnliche Verhältnisse nicht nur bei der Braugerste, sondern auch bei Weizen und Raps seit Jahren gibt, sollte die Branche größte Anstrengungen unternehmen, über neue Kontraktmodelle, die für die gesamte Branche Planungssicherheit bieten und eine Risikoverteilung darstellen, die Wettbewerbsposition des Braugerstenanbaus zu stärken.

Angesichts eines weltweit durch steigenden Bierkonsum erwarteten Anstiegs des Bedarfs an Qualitätsbraugerste, den europaweit erwarteten Qualitätsproblemen der Ernte 2011 und des geschätzten Fehlbedarfs von knapp einer Mio. Tonnen Braugerste in Deutschland, sicher eine Forderung, die Gehör finden dürfte.

Die derzeitigen Notierungen von 22,60 Euro/dt Braugerste und der Abstand zum Weizenpreis von etwa 5,00 Euro/dt sollten allerdings schon jetzt Anlass genug sein, seitens der Landwirte den Kontakt zu den Marktpartnern zu suchen. Mit in die Entscheidung und die Bewertung der Kontraktangebote einbezogen werden müssen allerdings die betriebsindividuellen Produktionskosten und die Risiken, die aus den Rahmenbedingungen der Verträge unter den gegebenen Standortverhältnissen resultieren.

Manfred Schnorbach, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz